An der Baselworld wurden Diamanten im Wert von über acht Millionen Franken gestohlen. Die Diebesbande ist dabei hoch professionell vorgegangen. Nun steht einer der Beschuldigten vor dem Basler Strafgericht. Eine Verwechslung, wie er sagt.
Mit kleinen Schrittchen nähert sich der Beschuldigte David V. seinem Platz vor der Kammer des Basler Strafgerichtes. Eine Fussfessel schränkt seine Bewegungsfreiheit ein, zwei Polizisten in Uniform behalten V. stets im Auge und draussen vor dem Saal stehen noch einmal vier Sicherheitsbeamte. Diese strengen Vorkehrungen sind denn auch gleich Anlass für den ersten Antrag des Verteidigers: Er bittet darum, die Fussfesseln zu entfernen. Diese würden den Eindruck verstärken, dass es sich bei V. um einen gefährlichen Berufsverbrecher handeln würde. «Mein Mandant leidet schrecklich unter diesem Vorwurf.»
Der Antrag wird abgelehnt.
V. soll an der Baselworld 2010 und 2011 zusammen mit mehreren Komplizen Schmuckstücke und Diamanten im Wert von über 8 Millionen Franken gestohlen haben. Die Anklage lautet auf «mehrfachen gewerbs- und bandenmässigen Diebstahl», dies weil die Diebstähle aussergewöhnlich professionell vorbereitet und zudem jeweils in Gruppen arbeitsteilig durchgeführt wurden.
So wurde beispielsweise der zweite Diebstahl im März 2011 minutiös vorbereitet. Schon während den Aufbauarbeiten gingen die Täter in der Messehalle ein und aus, dank einem Zutrittsbadge, der sie als Messebauer auswies. Sie präparierten die Vitrinen am Stand eines israelischen Diamanthändler so, dass sie auch ohne Schlüssel geöffnet werden konnten. Videoaufnahmen zeigen V. dabei, wie er den Aufnahmewinkel einer Überwachungskamera so verstellt, dass ein toter Winkel entsteht.
Während ein Täter das Standpersonal ablenkte, griffen seine Komplizen geschickt in die Vitrinen und stahlen vier Diamanten.
Danach besuchten die Täter den Stand während einer Woche regelmässig, um die Abläufe des Personals sowie mögliche Fluchtwege auszukundschaften. Dabei veränderten sie bei jedem Besuch ihr Aussehen. Als sie dann schliesslich zugriffen, soll V. zusammen mit einem Mittäter das Standpersonal mit Fragen abgelenkt haben, während seine Komplizen mit geschickten Griffen die präparierten Vitrinen ausräumten. Die Gruppe konnte danach die Messe unerkannt verlassen. In ihren Taschen befanden sich Diamanten, die die Anklageschrift mit über acht Millionen Franken beziffert. Darunter ein Stein von 30.04 Karat im Wert von mehr als vier Millionen.
Mittels DNA-Spuren (im 1. Fall) und Überwachungsbildern (im 2. Fall) gelang es der Basler Staatsanwaltschaft, die Taten mit V. in Verbindung zu bringen, worauf er international zur Fahndung ausgeschrieben wurde. Im Frühjahr 2013 versuchte er die ungarische Grenze zu übertreten und wurde gefasst.
Unter dem Vorsitz von Dorrit Schleiminger beginnt das Gericht die Befragung von V., eine Dolmetscherin übersetzt dabei alles auf serbokroatisch.
V. bestreitet, jemals in Basel gewesen zu sein. Er könne deshalb auch keine Aussagen zu den geschilderten Fällen machen. Die DNA-Spuren auf einem verwendeten Vitrinenschlüssel könne er sich nicht erklären, seine seien es bestimmt nicht. Der Mann auf den Überwachungsbildern, das sei auch nicht er. Er werde oft verwechselt, habe eben ein «Allerweltsgesicht».
Der Beschuldigte habe ein «Allerweltsgesicht» und werde oft verwechselt.
Zwei Forensikspezialisten aus Zürich werden als Zeugen aufgerufen.
Der erste erklärt, anhand welcher Merkmale er auf den Überwachungsbildern V. identifiziert habe. Da wären zum Beispiel die markante Stirnfurche, der Verlauf der Augenbrauen sowie eine Hautverfärbung unter dem Auge. Sein Befund: «Identität wahrscheinlich», eine höhere Wertung erlauben die vorliegenden Bilder nicht.
Zusätzlich zur visuellen Identifikation über den Vergleich verschiedener Fotos, liessen die Untersuchungsbehörden auch eine dreidimensionale Vermessung durchführen. Dabei wurde V. in einem dreiminütigen Verfahren von einem speziellen Scanner erfasst und am Computer ein dreidimensionales Modell erstellt. Anhand dieses Modelles liessen sich weitere Merkmale feststellen, erklärt der zweite Spezialist. Sein Befund: «Der Beschuldigte ist messtechnisch mit hoher Wahrscheinlichkeit identifiziert.» Eine hundertprozentige Identifikation gebe es bei biometrischen Messverfahren nicht, da ein Gesicht je nach Ausdruck sehr unterschiedlich aussehen könne.
Es könnte gerade so gut Rocco Siffredi gewesen sein.
Beiden Spezialisten legt die Verteidigung eine schwarzweisse Kopie einer Zeitschriftenseite vor. Es handelt sich dabei um ein Bild des italienischen Pornodarstellers Rocco Siffredi. Die Argumentation: Siffredi sehe V. ähnlich, beide haben ein Allerweltsgesicht. Der Verteidiger will wissen, ob dieser Mann auf den Überwachungsbildern nicht ebensogut Siffredi sein könne. Die beiden Forensiker lassen sich dabei nicht auf die Äste hinaus. Um eine solche Frage zu beantworten, müssten sie das Bild aus der Zeitschrift einem ebenso gründlichen Identifikationsverfahren unterziehen, wie sie das bei V. gemacht hätten, lautet ihre Antwort.
Es folgen die Schlussplädoyers, zuerst die Anklage.
«Ich glaube nicht an Zufälle», sagt Staatsanwalt Tomislav Hazler. Es sei schon fast Hohn, sowohl die DNA-Spuren als auch die Überwachungsbilder als Zufälle darzustellen. Hazler beschreibt V. als «Berufsverbrecher», der sich mit seinen vielen Taten (er ist in Italien und Deutschland einschlägig vorbestraft) in der Hierarchie einer organisierten Bande von Schmuckdieben hochgearbeitet habe. «Auch diese Strafe, wenn sie dann gesprochen ist, wird ihn auf der Karriereleiter weiter nach oben befördern.» Denn V. habe sich an den strengen Kodex gehalten, indem er sein Vergehen nicht gestanden und keine Mittäter preisgegeben habe. Angesichts des hochprofessionellen Vorgehens, das lange Planung voraussetzt, und der Regelmässigkeit in der V. zuschlage, sei sein Verschulden als «gravierend» zu beurteilen. Hazler fordert eine Freiheitsstrafe von acht Jahren.
Die Verteidigung hat das Wort.
In seinem Plädoyer versucht Verteidiger Geor Wohl, Löcher in die Indizienkette des Staatsanwaltes zu schlagen. Er zweifelt die Qualität des DNA-Vergleichsmaterials an. Dieses kam aus der Geburtsstadt von V. Podgorica in Montenegro, und sei deshalb nicht vertrauenswürdig, argumentiert Wohl. Ebensowenig Glauben schenkt der Verteidiger der Aufstellung über den Wert der gestohlenen Diamanten. Er habe in einer Internetrecherche herausgefunden, dass die genannten Beträge nicht plausibel und viel zu hoch seien. Ausserdem wiederholt er das Argument mit dem Allerweltsgesicht: Nicht einmal die beiden Forensiker seien sich zu 100 Prozent sicher, dass es sein Mandant sei auf den Überwachungsbildern. Folgerichtig sei V. freizusprechen.
Dem Beschuldigten kommen die Tränen
Wohl fährt in seinem Plädoyer jedoch zweigleisig. Selbst wenn man hier den richtigen Täter vor sich hätte – was nicht der Fall sei – könnte man diesem die Tat nicht beweisen, sondern höchstens die Beteiligung an Vorbereitungsarbeiten. Also wäre – wenn man denn den richtigen Täter vor sich hätte – eine zweijährige Freiheitsstrafe angemessen.
Zum Schluss sagt V. noch, dass es ihm leid tue, was den Betroffenen geschehen sei. Er habe jedoch damit nichts zu tun, sondern sei ein Familienvater und Pächter einer Strandbar. Mit tränenerstickter Stimme unterstreicht er noch einmal, wie sehr ihn die Unterstellung zu einer Räuberbande zu gehören schockiere.
Das Urteil wird am Dienstagvormittag um 11 Uhr erwartet.