Die Angst der Stadt und die Wut der Lehrer

Mit ihren Sparplänen im Bereich der Bildung stösst die Baselbieter Regierung auf erheblichen Widerstand. In einem offenen Brief üben die Baselbieter Lehrer herbe Kritik an Finanzdirektor Adrian Ballmer: Der habe «keine Ahnung» von der Arbeit einer Lehrkraft.

Mit ihren Sparplänen im Bereich der Bildung stösst die Baselbieter Regierung auf erheblichen Widerstand. In einem offenen Brief üben die Baselbieter Lehrer herbe Kritik an Finanzdirektor Adrian Ballmer: Der habe «keine Ahnung» von der Arbeit einer Lehrkraft.

Sie löste einige Reaktionen aus, die Titelgeschichte der TagesWoche vom vergangenen Freitag. Kontroverse Reaktionen. Und mehrheitlich positive. «Endlich eine klare Analyse der Zustände im Baselbiet», schrieb ein Leser. Die Regierung habe keine Strategie, darum gebe es in diesem Kanton nur Stillstand. Ähnlich äusserten sich auch einige Mitglieder der TagesWoche-Community. René Kontic wies dabei noch auf ein weiteres Problem hin: die Bildung. Oder: «Die gute Schule Baselland», wie sie von der Bildungsdirektion heute noch gennant wird. «Alles deutet darauf hin, dass das Baselbiet diesen wichtigen Standortvorteil (…) verlieren wird», warnt Kontic.

Tatsächlich plant die Regierung auch in diesem Bereich eine ganze Reihe von Sparmassnahmen. Davon betroffen sind viele. Die Jugendlichen, die mit längeren Schulwegen an weiter entfernte Sekundarschulen rechnen müssen. Die Lehrer, die an der Sekundarschule und am Gymnasium eine Stunde pro Woche mehr unterrichten sollen, obwohl sie heute schon ein höheres Pensum haben als die Kollegen in der übrigen Nordwestschweiz. Und die Basler Regierung, die sich damit abfinden muss, dass die Kollegen in Liestal auch bei der Partnerschaft sparen wollen, beim Vorkurs an der Schule für Gestaltung, bei der Fachklasse Grafik, bei der Ausbildung für Bekleidungsgestalter und jener für Polymechaniker. Alles etablierte Angebote, die es ohne Schüler und ohne Beiträge aus dem Baselbiet vielleicht zum Teil bald nicht mehr gibt.

Den Baslern bereitet aber nicht einmal das die grössten Sorgen, sondern die gemeinsame Universität, an der die Baselbieter Regierung ebenfalls sparen will. Ein Grund, warum die Basler Regierung sich zum Sparpaket des Nachbarkantons verlauten liess – ein ziemlich aussergewöhnlicher Akt. Ihre Position ist dabei klar: Sie will nicht mehr zahlen, nur weil die Baselbieter sparen. Und sie will bei der Uni «keine substanziellen Abstriche» in Kauf nehmen.

«Ballmer hat keine Ahnung»

Die Baselbieter Regierung stösst aber nicht nur in der Stadt auf Widerstand, sondern auch im eigenen Kanton. Im Landrat fordern SP und Grüne unter anderem einen Verzicht auf die geplanten Sparmassnahmen in der Sekundarschule, am Gymnasium und bei den Kursen, die bis jetzt gemeinsam mit Basel-Stadt finanziert werden.

Ziemlich aufgebracht sind zudem die Lehrer. Finanzdirektor Adrian Ballmer (FDP) lasse Respekt und Anstand vermissen, schreibt die Amtliche Kantonalkonferenz der Lehrerinnen und Lehrer (AKK) in einem offenen Brief: «Er hat keine Ahnung von der Arbeit einer Lehrkraft.» Ähnlich sieht man das beim Baselbieter Lehrerverein.

Für den Ärger hat Ballmer mit seiner Aussage in der «Basellandschaftlichen Zeitung» gesorgt, er erwarte von den Lehrern «mehr Produktivität». Bei der Unterrichtsvorbereitung könnten sie heutzutage ja aufs Internet zurückgreifen.
Das Unterrichtsprogramm rasch vom Internet runterladen – das tönt zwar gut, ist nach Ansicht der AKK aber unmöglich, weil die individuelle Förderung in den zunehmend heterogenen Klassen immer wichtiger werde. Darum würden die geplanten Einsparungen zwangsläufig zu einem Bildungsabbau führen.

Das wollen SP und Grüne mit ihren Vorstössen verhindern. Unterstützt werden sie möglicherweise von der Mitte, die bei der Abstimmung im Landrat ausschlaggebend ist. Noch hat sich die CVP nicht festgelegt, Präsidentin Sabrina Mohn sagt aber schon jetzt: «Abstriche an der Bildungsqualität akzeptieren wir nicht.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18/11/11

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