Im Kampf gegen die Cosa Nostra engagierte Unternehmer wie der Palermitaner Roberto Helg werden verdächtigt, selber Mitglieder der Mafia zu sein. Eine parlamentarische Kommission in Rom hat die Ermittlungen aufgenommen.
Der Flughafen von Palermo (Falcone-Borsellino Airport) ist nach den Staatsanwälten Giovanni Falcone und Paolo Borsellino benannt. Als die Cosa Nostra beide im Jahr 1992 ermordete, war das auch der Beginn der Auflehnung eines Teils der sizilianischen Zivilgesellschaft gegen die Mafia.
Vereinigungen wie die Anti-Schutzgeld-Organisation «Addiopizzo» in Palermo oder «Libera» erhielten Zulauf. Wer sich öffentlich auf die Seite der Mafia-Opfer und der mutigen Bürger schlug, die dem organisierten Verbrechen die Stirn boten, stand auf der Seite der Legalität.
Manager mit Mafiabossen in einem Boot
Diese Gleichung gilt heute nur noch bedingt. Mehrere Beispiele für den Missbrauch der Anti-Mafia-Bewegung rüttelten zuletzt die italienische Öffentlichkeit auf. Die Anti-Mafia-Kommission des Parlaments in Rom ermittelt.
Für den Fall Antonello Montante interessiert sich auch die Staatsanwaltschaft. Montante ist Präsident des sizilianischen Ablegers des Industriellenverbandes Confindustria. Die Vereinigung machte vor Jahren bereits von sich reden, als sie ankündigte, Unternehmer auszuschliessen, die es unterliessen, Erpressungsversuche durch die Mafia der Polizei zu melden.
Montante galt als einer der Paladine im Kampf gegen die Schutzgelderpressung, bis ihn vor Kurzem fünf Kronzeugen der Cosa Nostra anschwärzten. Der Manager soll regen Umgang mit lokalen Bossen gehabt haben. Ob die Vorwürfe wirklich zutreffen oder die Justizkollaborateure Montante aus anderen Motiven heraus beschuldigten, müssen die Ermittler noch herausfinden. Fest steht, dass die Anti-Mafia-Bewegung ihre Unschuld verloren hat. «Leider gibt es Leute, die im Schatten der Anti-Mafia-Bewegung ihre eigenen Interessen verfolgen», sagt Rita Borsellino, Schwester des ermordeten Staatsanwalts.
Der zivile Kampf gegen die Mafia ist an einem Wendepunkt angelangt.
Für Aufregung sorgte auf Sizilien auch das öffentliche Coming-out des 32-jährigen Giuseppe Cimarosa aus Castelvetrano, der sich von dem flüchtigen Superboss Matteo Messina Denaro, seinem Verwandten, distanzierte. Cimarosa behauptet, die lokale Anti-Mafia-Gruppe von «Libera» habe ihm zum Schweigen geraten. Ob die Gruppierung unterwandert ist, zu Vorsicht riet oder eine eigenartige Auffassung vom Aufbegehren gegen die Cosa Nostra hat, ist nicht klar. Doch der zivile Kampf gegen die Mafia ist an einem Wendepunkt angelangt.
Das zeigt auch der Fall des ehemaligen Präsidenten der Handelskammer von Palermo: Roberto Helg wurde auf frischer Tat ertappt, als er vor Tagen einen Scheck in Höhe von 70’000 Euro entgegennahm. Als Vizepräsident einer Gesellschaft, die Ladenkonzessionen erteilt, hatte der 79-Jährige einen Konditor erpresst, der seinen Mietvertrag verlängern wollte. Ein Couvert mit 30’000 Euro lag bei der Festnahme durch die Carabinieri noch auf dem Tisch. «100’000 – oder du bist raus», soll Helg gesagt haben, der bei keiner Anti-Mafia-Veranstaltung in Palermo fehlte und als Kämpfer gegen die Cosa Nostra galt.
Helg warb öffentlich dafür, Unternehmer sollten ihre Erpresser anzeigen, um den Kampf gegen das Schutzgeld voranzubringen. Stattdessen kopierte er die Methoden der Verbrecher, vielleicht sogar in mehreren Fällen. Der Konditorladen, um den es bei der Erpressung ging, liegt ausgerechnet auf dem Falcone-Borsellino Airport.