Die Aktion für eine unabhängige Schweiz (Auns) entdeckt plötzlich ihr Herz für Ausländer. Ein augenzwinkernder Kommentar.
Die Auns hat neue Freunde gefunden.
«Wir in Griechenland würden Ja stimmen», lässt die Auns auf einem Plakat einen sympathischen Schwarzhaarigen über ihre Initiative «Staatsverträge vors Volk» sagen. Wie kommt die «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» dazu, die mit der blutsverwandten SVP Fremde jahrelang mit Raub und Totschlag in Verbindung brachte, ausgerechnet Griechen als Gesinnungsfreunde zu montieren? Und: Wie steht es um die Glaubwürdigkeit der Ultranationalisten, die sich in der Schweiz in der Auns sammeln, wenn sich gerade jetzt zeigt, wie ihre politischen Freunde in Griechenland scharenweise die rechtsradikale «Goldene Morgenröte» wählen, die mit anderen Extremisten das Land an den demokratischen Abgrund fährt?
Im laufenden Abstimmungskampf um ihre Initiative setzt die «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» (Gründer, langjähriger Präsident und gewichtiger Financier Christoph Blocher) auf Bilder von Fremden: An teuersten Bahnhof-Stellplätzen im ganzen Land hängen Plakatserien. Für einmal nicht mit den von SVP-Kampagnen her bekannten düsteren Gestalten, die Angst vor allem Fremden schüren, sondern mit freundlichen Gesichtern, die der Schweiz Blumen zuwerfen für unsere direkte Demokratie und der Auns für ihre Initiative, die alle wichtigen Staatsverträge obligatorisch dem Referendum mit Volks- und Ständemehr unterstellen will.
Die Kampagne arbeitet mit zwei Hebeln. Direkt verbreiten die Auns die Message: Wer nicht Ja stimmt, ist selber schuld, wenn es bei uns einmal so kommt wie in Griechenland oder China. Indirekt geht es darum, mit den sympathischen Ausländergesichtern bei den für eine Mehrheit nötigen Wählerinnen und Wählern, die nicht zur traditionell Fremden- und EU-feindlichen Auns-Stammkundschaft gehören, Vertrauen zu gewinnen. Zu diesem Zweck sucht man den Heiligenschein von ausländischen Sympathieträgern.
Blondine aus Deutschland
In der Deutschschweiz spielt die Kampagne mit vier Figuren:
– «Wir in Deutschland würden Ja stimmen», empfiehlt eine blonde Bürgersfrau, und lässt uns denken: Wenn die etwas zu sagen hätten. Wir sollen dabei an den sympathischen Bürgerprotest gegen den Grossbahnhof Stuttgart 21 denken, wohl eher nicht an den Kampf um den Zürcher Fluglärm, in dem deutsche Bürgergruppen aus Schweizer Sicht eine eher penible Rolle spielen.
– «Wir in Spanien würden Ja stimmen», lassen die Werber eine schwarzhaarige Geschäftsfrau sagen, die man uns in den Krisenzeiten zum Beispiel als berechtigt aber weitgehend ohnmächtig protestierende «Indignada» nahe bringt.
– «Wir in Griechenland…», sagt ein fröhlicher Mediterraner, mit dem die Auns-Werber unsere Gedanken auf Stranderlebnisse ziehen. Der von Boulevardmedien lancierte «Pleitegriechen» ist temporär zu vergessen.
– Und schliesslich präsentiert man uns einen Abstimmungskämpfer aus China. «Wir in China würden Ja stimmen» sagt er auf einem Plakat. Klar: Wenn da nicht die kommunistische Diktatur wäre. Ihren Gesinnungsfreund aus dem Fernen Osten haben die Auns-Werber nach unseren Vorlieben sorgfältig modelliert. Sehr moderat chinesische Augen, biederes Hemd, das aus der Migros stammen könnte und ein schon fast schwiegersohngängig lesbares Lächeln. Kein Grund für Angst vor chinesischen Massen. Da spricht ein höflicher Individualist, mit dem man auch in SVP-Landen leben kann.
China nur Deutschschweizer Freund
Weil Schweizer im Osten, Westen und Süden nicht die gleichen nationalen Vorlieben pflegen, trimmten die Auns-Werber ihre Kampagne regional: In der Westschweiz sind die Deutsche und der Chinese als «Freunde» offenbar nicht zu brauchen. Dafür darf dort eine Französin sagen: «Nous en France…». Auch im Tessin versprechen Deutschland und China offenbar keine Punkte. Und anders als in der Deutschschweiz und der Romandie herrscht dort Berührungsangst zum grossen Nachbarn. Als befreundete Fremde bleiben in der italienischsprachigen Auns-Kampagne so nur die Spanierin und der Grieche.