Die BVB haben in der vergangenen Woche mit Skandalen auf sich aufmerksam gemacht. Auch bei den Bus- und Tramchauffeuren ist die Stimmung nun im Keller. Dies hat aber nicht nur mit den jüngsten Ereignissen zu tun, sondern mit der allgemeinen Führungspolitik in den letzten Jahren.
Die Turbulenzen bei der BVB sorgten vergangene Woche fast täglich für Schlagzeilen. Die ungerechtfertigte Auszahlung von Überstunden oder das Verschicken obszöner Bilder auf der Führungsetage sind noch immer in aller Munde. Die TagesWoche hat die Geschehnisse aufmerksam mitverfolgt.
Die BVB haben über 1000 Angestellte, und sind somit das stärkste Dienstleistungsunternehmen der Nordwestschweiz. Was halten die Drämmler und Buschauffeure vom Verhalten ihrer Vorgesetzten? Der Personalverband der städtischen Verkehrsbetriebe Basel (PSVB) machte dem Ärger der Mitarbeitenden am Montag in einer Medienmitteilung Luft. Darin wird den BVB regelrecht Rufmord angehängt: «Die Chefetage hat mit ihren unglaublichen Rechtsbrüchen und ihrer Profitgier das gute Image, das die BVB in der Bevölkerung hatte, mutwillig zerstört. Es wird Jahre dauern, bis die Bevölkerung und die Steuerzahler des Kantons Basel-Stadt wieder Vertrauen in die BVB fassen», steht in der vom PSVB-Präsidenten Felix Moppert unterzeichneten Mitteilung. Und weiter: «Wie konnte es soweit kommen, fragen sich unsere Mitglieder zu Recht. Weshalb hat die Aufsicht über die Chefetage versagt?»
Am Dienstag folgte eine Pressemitteilung, die von den drei bei den BVB aktiven Personalverbänden (vpod, PSVB und FEME) unterzeichnet ist, auf der Rückseite dieses Artikels ist das Schreiben hochgeladen. Die Enttäuschung unter den Mitarbeitenden über das Verhalten ihrer Chefs scheint nach diesen Medienmitteilungen gross zu sein. Wir haben uns selbst ein Bild gemacht.
Die obszönen Bilder haben nicht alle mitgekriegt
Es ist früher Nachmittag, Zeit für eine «Zvieri-Pause». Wir nutzen die Gelegenheit, um die Buschauffeure direkt mit der Frage zu konfrontieren, was sie von den Umbrüchen und Verstössen in der Chefetage halten. Allerdings ist es gar nicht so einfach, die geschäftigen Fahrer tatsächlich zu erwischen. Die kurze Ruhepause an der Schifflände ist anscheinend eine von wenigen an einem langen Arbeitstag. Die meisten Chauffeure, die den Bus verlassen, gehen zielstrebig in Richtung Marktplatz zum Wurststand, zum Brezelkönig oder zum Sutter-Beck, um sich zu verköstigen. «Die Pausen sind viel zu kurz», klagt sogleich ein Chauffeur.
Trotzdem erklären sich einige dazu bereit, ein Statement zu den jüngsten Ereignissen abzugeben. Wenn dies auch eher knapp ausfällt, wie etwa bei einem Angestellten, der meint: «Zu diesen Vorfällen will ich lieber gar nichts sagen, weil es mich nicht interessiert und mich nichts angeht, und wir andere Probleme haben.» An einem anderen Befragten ist das «Sexbildli-Skandal» sogar ganz vorbei gegangen. «Wirklich? Der Herr Baumgartner? Das habe ich nicht mitgekriegt.» Er kann sich allerdings daran erinnern, dass Baumgartner den Angestellten einmal kollektiv das «Du» angeboten habe, und sie dies kollektiv abgelehnt hätten. Warum sagt er nicht.
Die Distanz zu der Chefetage ist offenbar gross
Den Abgang von Martin Gudenrath und Jürg Baumgartner hat er mitgekriegt, doch auch dieser Wechsel lässt ihn ziemlich kalt. «Es gibt einen tiefen Graben zwischen uns Angestellten und der Chefetage. Es interessiert mich eigentlich nicht, was die da oben machen, weil es uns nicht direkt betrifft.» Zudem hätten die Angestellten andere Probleme. «Was uns wirklich stört, ist etwa die mangelhafte Einhaltung des GAV, die miesen Arbeitsbedingungen, die Arbeitszeiten fast ohne Ruhepausen. Ja, die Stimmung unter den Angestellten ist sehr schlecht», bejaht er unsere Frage, «aber nicht, weil der Chef sich auf Steuerkosten vergnügt hat oder Nacktbildchen von sich verschickt, sondern wegen den Arbeitsbedingungen.»
Auch ein anderer Befragter bestätigt: «Was bei all diesen Skandalen nun ans Licht kommt, ist nur die Spitze vom Eisberg. Im Grunde liegen die Probleme der BVB tiefer.» Er hoffe, dass bald etwas für die Angestellten «rausspringen werde», dass also vermehrt auf ihre Anliegen und Bedürfnisse gehört würde. «Mit dem Verschicken von Sexbildli haben die Bedürfnisse von uns Angestellten sehr wenig zu tun.» Trotzdem sei es angesichts der «grosszügigen Selbstbedienung» da oben schon etwas befremdend, dass das Personal so kurz gehalten worden sei. «Ich mag denen da oben alles gönnen», betont der Herr, «aber nur, wenn es mir hier unten auch gut geht.»
«Herr Baumgartner wollte den Betrieb von einem Tag auf den anderen modernisieren.»
Josua Studer, Mitglied der Arbeitnehmervertretung der BVB «Für Euch Mit Euch» (FEME), ist fassungslos: «Ich arbeite nun seit 23 Jahren als Bus- und Tramchauffeur für die BVB, aber bisher ist noch nichts Vergleichbares passiert. Wie es in den letzten drei Jahren zu und her ging, ist der Gipfel.» Für ihn sind die finanziellen Ausschweifungen auf der Chefetage nur ein Teil eines allgemeinen Fehlverhaltens des Direktors.
«Herr Baumgartner wollte den Betrieb von einem Tag auf den anderen modernisieren. Er packte zu viele Änderungen gleichzeitig an, wollte diese zu schnell durchsetzen und bezog das Personal nicht mit ein», fasst Studer seine Kritik am ehemaligen Direktor zusammen. Als Beispiel für solche «überstürzten Änderungen» nennt er etwa die Umsetzung des «papierlosen» Verkehrskonzept, also online, ohne ausgedruckte Dienst- und Routenpläne. Dem Personal seien dazu zwar Tablets versprochen worden, doch das Konzept sei umgesetzt worden lange bevor die Mitarbeiter die Tablets auch tatsächlich erhielten. «Schliesslich waren wir alle im Depot, und druckten beim einzigen Computer dort die Pläne aus. Wir waren also doch nicht papierlos.»
Ein anderes Beispiel sei die Uniform. Baumgartner habe aufgrund einiger Beschwerden beschlossen: Die alte Uniform gefällt den Angestellten nicht, eine neue muss her. Er rief eine Arbeitsgruppe für eine neue Uniform ins Leben, bezog aber auch da zu wenige Mitarbeiter mit ein – auf die Gefahr hin, dass das Personal dann wieder nicht zufrieden sein wird mit der neuen Uniform.
Mit Blumenthal könnte nun «alles besser werden»
Studer sieht in dieser Krise aber auch eine Chance. «Wir müssen das Personal endlich in den Mittelpunkt stellen», ist seine Meinung. Diesbezüglich habe der neue Verwaltungsratspräsident Paul Blumenthal einen vertrauensvollen Eindruck gemacht. «Er hat bereits ein Treffen des Verwaltungsrats mit den Gewerkschaften organisiert. Das zeigt für uns: Es wird etwas aufgegleist, wir werden ernst genommen.»
Was dem Personal an Blumenthal laut Studer auch gefällt, ist seine realistische Vorgehensweise. «Anders als sein Vorgänger überstürzt er nichts, er will nicht mehr hunderte Änderungen gleichzeitig anpacken, sondern nur eine, und diese dafür zur Zufriedenstellung aller.» Und Studer schwärmt weiter: «Blumenthal ist zwar ein Vollprofi, aber er ist überhaupt nicht abgehoben, er sucht den direkten Dialog mit uns Mitarbeitenden.» Blumenthals Vorsatz für die nächsten Jahre sei, dass die Basler wieder stolz auf ihre «Drämmli» werden können und die «Drämmler» wieder stolz auf ihren Beruf.
Dieser optimistische Ansatz sei ganz in Studers Sinne. Man könne die «schockierenden Ereignisse» der vergangenen Woche zwar nicht ungeschehen machen, aber es sei wichtig, nach vorne zu schauen.
Veränderung ja, Umbruch nein
Ein Wechsel in Verwaltungsrat und Direktion sei zwar wünschenswert, meint Studer, allerdings würde er es persönlich bedauern, wenn auch Vizedirektor Franz Brunner das Amt räumen müsste. «Natürlich war er auch in die Geschehnisse verstrickt, trotzdem verdient er meiner Meinung nach eine Chance, aus seinen Fehlern zu lernen.» Denn Brunner habe mittlerweile einen guten Draht zu den Angestellten aufgebaut. «Veränderungen sind in dieser Zeit wichtig, aber ein völliger Umbruch ist auch nicht gut, dann geht alles Wissen verloren.»
Ein anderes Mitglied der Geschäftsleitung scheint sich allerdings weniger Beliebtheit zu erfreuen: Béatrice Thomet. Sie habe das Personal unter anderem «vergrault» mit ihrem Entscheid, dass die «Drämmler» aufs Radiohören verzichten sollten, und dem Forcieren des IDP (Individuelle Dienstplangestaltung). «Sie kommt halt von Zürich, und hat einen ganz anderen, viel zackigeren Stil als wir Basler», erklärt Studer. Das Personal wünsche sich primär eine personalorientiertere Betriebsführung durch Frau Thomet.