Die Besucher im Morgengrauen sind zurück

Seit einigen Wochen häufen sich die Verhaftungen von jungen ägyptischen Aktivisten. Menschenrechtsorganisationen sprechen von Repression schlimmer als unter Mubarak.

Chaos auf den Strassen Ägyptens: Viele Einwohner hoffen nun, dass Sisi diesem Chaos ein Ende bereitet (Bild: Philipp Spalek)

Seit einigen Wochen häufen sich die Verhaftungen von jungen ägyptischen Aktivisten. Menschenrechtsorganisationen sprechen von Repression schlimmer als unter Mubarak.

Nach einer längeren Pause war die ägyptische Opposition kürzlich wieder auf der Strasse. Die Teilnehmer der Demonstrationen forderten nicht nur vorgezogene Präsidentschaftswahlen, sie trugen auch Porträts von bekannten jungen Aktivisten bei sich, die in den vergangenen Wochen verhaftet wurden. Ahmed Maher, der Gründer der Demokratiebewegung 6. April, war der prominenteste auf der langen Liste.

Bei seiner Rückkehr aus den USA, wo er an einer Diskussion über die ägyptische Transformation teilgenommen hatte, wurde er auf dem Flughafen von der Polizei abgeführt. Der Vorwurf, er hätte im März Demonstrationen vor dem Haus des Innenministers angezettelt. Nach einem Tag kam Maher frei.

Gezielte Einschüchterung

Maher ist eines der bekanntesten Gesichter der Revolutionsjugend. Er organisierte Streiks gegen das Mubarak-Regime, kämpfte nach der Revolution gegen die Militärregierung und prangert jetzt die Repression der neuen Machthaber an. Öffentlich hat er inzwischen bedauert, dass er Mohammed Morsi im Wahlkampf gegen Ahmed Shafik, den Vertreter des Mubarak-Regimes, unterstützt hatte. «Jetzt werden wir wie Verräter behandelt und unser Image beschmutzt. Wir werden von jenen ins Gefängnis geworfen, die wir verteidigt haben», schrieb er kürzlich.

Zwei Jahre nach der Revolution des 25. Januar sind die «Besucher im Morgengrauen», wieder zurück. So umschreiben die Ägypter die Sicherheitskräfte, die in den frühen Morgenstunden in den Wohnungen auftauchen, um oft willkürliche Verhaftungen vorzunehmen. Diese betrafen in den letzten Monaten vor allem junge Leute, darunter auch Blogger. Dutzende Aktivisten wurden seit der Amtsübernahme Morsis angeklagt, den Präsidenten beleidigt zu haben. Sie sollen eingeschüchtert werden, denn sie sind die treibende Kraft, die den Geist der Revolution am Leben hält. Von ihnen gehen immer wieder neue Initiativen aus.

Die jüngste «Tamarod» oder Rebellion, der sich nun praktisch die ganze Opposition angeschlossen hat, droht zu einem echten Ärgernis für den Präsidenten und die Regierung der Islamisten zu werden. Die Kampagne hat einen richtigen Schneeball-Effekt ausgelöst. Bereits sind etwa drei Millionen Unterschriften frustrierter Bürger aus dem ganzen Land zusammengekommen, die die Absetzung des Präsidenten und Neuwahlen fordern.

Aktivisten geben nicht klein bei

Lokale Menschenrechtsorganisationen haben Hunderte von Verhaftungen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres dokumentiert. Anhänger der Regierung werden dagegen auch für ungesetzliche Aktionen, etwa die Belagerung des Verfassungsgerichtes, nicht belangt. Die Repression unter Morsi übertreffe alles bisher gekannte, sei aber chaotischer und unsystematischer als unter Mubarak, erklärte ein Advokat am Kairoer Zentrum für wirtschaftliche und soziale Rechte.

Im Fall eines inhaftierten Bloggers kam die Vereinigung für Gedanken- und Ausdrucksfreiheit zum Schluss, er sei ein neuer Beweis für die Feindschaft der Regierung gegen Ausdrucksfreiheit und ihre fortgesetzte juristische Verfolgung von Aktivisten. Sicherheitskräfte misshandeln und foltern die Verhafteten nach wie vor ungestraft, wie Amnesty International eben in einem neuen Bericht festgestellt hat.

Sensibilisierung der öffentlichen Meinung

Als Reaktion hat die Welle von politischen Verhaftungen zur Gründung einer ganzen Reihe von Kampagnen geführt, mit denen die Freilassung der Aktivisten erreicht und die öffentliche Meinung sensibilisiert werden soll. «Wir werden sie befreien» ist die letzte von ihnen, der sich die Bewegung des 6. April und mehrere Oppositionsparteien angeschlossen haben. Ihre Mitglieder sind mit den Porträts der Betroffenen zu einem festen Bestandteil der Demonstrationen geworden.

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