Die Erinnerung trägt Orange

Aus makroökonomischer Sicht hätte die Euro 2008 geradesogut nicht in der Schweiz stattfinden können. Die Liga aber ist sicher, dass der nationale Fussball vom Mega-Anlass profitiert hat.

Orange Erinnerungsfetzen: Holländer im Kleinbasel, so weit das Auge reicht (und noch etwas weiter). (Bild: Keystone/Anton Denisov)

Aus makroökonomischer Sicht hätte die Euro 2008 geradesogut nicht in der Schweiz stattfinden können. Die Liga aber ist sicher, dass der nationale Fussball vom Mega-Anlass profitiert hat.

Wenn es ein Bild gibt, mit dem sich die Euro 2008 ins kollektive Gedächtnis der Schweiz eingegraben hat, dann enthält es viel Orange. Die unglaub­liche Masse holländischer Fans, die erst Bern und dann Basel eingefärbt und in eine Partyzone verwandelt haben, wird niemand vergessen, der sie gesehen hat.

Doch es ist nicht der vergäng­liche Rausch, der als Vermächtnis der EM überlebt hat. Ein Erbe, das die Schweiz bis heute beschäftigt, ist das sogenannte Hooligan-Konkordat, das auf die Euro hin erarbeitet wurde. Offiziell in Kraft gesetzt, um die Sicherheit während des Turniers zu gewährleisten, ist es heute mit einer gerade aktuellen Verschärfung je nach Sichtweise entweder Allheilmittel gegen jeg­liche Gewalt rund um Sportanlässe oder aber ungerechtfertigter Eingriff in die Grundrechte.

Ein Schulden hinterlassender Witz in Bubendorf

Ansonsten ist die Euro schicklich friedlich vorbeigezogen, ohne viel Bleibendes zu hinterlassen. Die öffentliche Hand nahm bei Aus­gaben von bescheiden anmutenden 150 Millionen Franken 140 Millionen durch Steuern wieder ein. Das 9. Stadion in Bubendorf war ein 4,4 Millionen Franken Schulden hinter­lassender Witz, und aus ­makroökonomischer Sicht hätte die Euro auch gar nicht stattfinden können.

«Bei einer längerfristigen Betrachtung sind die Effekte auf die nachhaltige Entwicklung bescheiden», stellte die Hochschule Luzern in ihrer gross angelegten Studie zur EM trocken fest. Und: «Selbst ein Mega-Event wie die Euro 2008 ist volkswirtschaftlich zu unbedeutend und zeitlich auch nur von kurzer Dauer.»

Nicht einmal bei den weichen Faktoren konnten Studien eine ­Veränderung feststellen, etwa einen Imagegewinn der Schweiz oder einen höheren Bekanntheitsgrad der vier Austragungsstädte im Ausland. Dafür kam es im Tourismus zum interessanten Phänomen, dass während der EM weniger Hotelübernachtungen verzeichnet wurden als in einem normalen Juni.

Bessere Stadien im Land

Immerhin bei der Swiss Football League fällt das Fazit eindeutig positiv aus. Pressesprecher Philippe Guggisberg spricht von einer «Stadionwelle», die das Land erfasst habe: «Es war höchste Zeit für einen solchen Impuls.» Zwar wurde nur der für Fussball praktisch ­untaugliche Zürcher Letzigrund ­explizit für die EM gebaut. Doch die Projekte in Bern und Genf erhielten zusätzlichen Schub. Und der St.-Jakob-Park wurde um fast 10’000 Plätze erweitert.

«Im Sog dieser Neubauten wurden auch kleinere Stadien wie Thun oder Luzern errichtet», sagt Guggisberg. Die Folge: Sieben von zehn Super-League-Clubs spielen die kommende Saison in modernen Stadien, was sich positiv auf den Zuschauerschnitt auswirkt. Dass die Neubauten in Genf und Neu­enburg viel zu gross und zu teuer für ihre Clubs sind, kann der Liga zwar nicht gefallen, es muss sie derzeit aber auch nicht stören.

Und wer etwas Nostalgie nach den orangen Tagen im Juni 2008 verspürt, wird vor dem Schaulager des Sportmuseums fündig. In Münchenstein steht als Relikt der Euro ein oranger Wohnwagen mit der Aufschrift «Danke viel!» Er ist eben restauriert worden.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 28.06.13

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