Die Suche nach den Attentätern von Paris läuft auf Hochtouren. In Gefahr sind nun auch Pariser Grossanlässe wie die Klimakonferenz und die Fussball-Europameisterschaft.
Während in Frankreich am Sonntag eine dreitägige Staatstrauer begann, suchten die Ermittler fieberhaft nach Tätern und Komplizen. In Belgien wurden sieben Verdächtige festgenommen, der Grossteil im Brüsseler Stadtteil Molenbeek. Eines der Autos, mit denen die Terroristen in Paris zirkulierten, war in Belgien gemietet worden. Nach unbestätigten Meldungen sucht die Polizei den nach ihrer Ansicht noch lebenden Mieter des schwarzen VW Polo. Acht Attentäter waren umgekommen, nachdem sie 129 Menschen getötet hatten. Am Abend erliess die Polizei einen Fahndungsaufruf gegen einen gewissen Abdeslam Salah, der ein Komplize und Bruder von zwei Attentätern sein soll.
Unklar ist nach wie vor, ob ein im Oktober nach Griechenland eingereister Flüchtling an den Attentaten beteiligt war. Sein syrischer Pass wurde bei einem der Attentäter gefunden. Jetzt werden die Fingerabdrücke verglichen. Laut dem US-News-Sender CNN sollen sie übereinstimmen.
Spurensuche in Syrien
In der französischen Stadt Chartres wurden ferner der Vater und der Bruder eines der Selbstmordattentäter festgenommen. Dessen Name wird mit Ismaël Omar Mostafaï angegeben. Der 29 Jahre alte Franzose algerischer Herkunft stammte aus einer Pariser Vorstadt und wohnte mit seiner Familie zuletzt in der Kathedralenstadt Chartres. Seine Identifizierung erfolgte durch ein Fingerstück, das die Ermittler im Pariser Konzertsaal Bataclan fanden, wo sich der Terrorist nach der Erschiessung von 89 Konzertbesuchern selber in die Luft sprengte.
Mostafaï hatte sich vor knapp zwei Jahren in Syrien aufgehalten. Er war beim französischen Geheimdienst in der Fiche «S» eingeschrieben. Darin figurieren Tausende von Salafisten und andere Islamisten. Der Staatsanwalt von Paris betont allerdings, gegen den Attentäter sei nie im Zusammenhang mit einer «terroristischen Vereinigung» ermittelt worden.
Damit begegnet er der sich mehrenden Kritik an den Ermittlungen. Nach den «Charlie Hebdo»-Anschlägen von Januar hatte Frankreich die Antiterror-Einheiten zwar massiv aufgestockt. Es wurden zusätzliche 3700 Stellen in der Polizei, den Geheimdiensten sowie der Justiz geschaffen. Zudem gab sich Frankreich ein Überwachungsgesetz, das den Pariser Ermittlern ähnlich umfassende Kompetenzen einräumt, wie sie die US-Sicherheitsagentur NSA inne hat.
Ermittler «überfordert»
Und trotzdem wurde der Terroranschlag von Freitagabend nicht vereitelt. Viele Pariser Politiker und Medien verstehen nicht, wie die Polizei – die mit solchen Anschlägen rechnen musste und rechnete – eine dermassen koordinierte, wahrscheinlich aus Syrien ferngesteuerte Kommandooperation übersehen konnte.
Der Kriminologe Alain Bauer erklärte, die Ermittler seien von den Methoden der Terrormiliz IS «überfordert». Radikalisierte Salafisten, von denen es in der Pariser und anderen Banlieues Hunderte gebe, schlüpften meist durch die Maschen ihrer «S»-Fiche. Dagegen nütze auch der nationale Notstand nichts, den Präsident François Hollande ausgerufen habe. Und offenbar vermag auch die höchste Alarmstufe des französischen Antiterrordispositivs «Vigipirate» gross angelegte Terroranschläge nicht zu verhindern.
Dieser Umstand wirft einen Schatten auf die anstehende Klimakonferenz COP21, die am 30. November in Paris beginnen und 40’000 Delegierte, Journalisten und Besucher anziehen soll. Der konservative Oppositionschef Nicolas Sarkozy fordert eine Verschiebung dieses Gipfeltreffens. Der gastgebende Präsident François Hollande will aber daran festhalten, obwohl er mit dem nationalen Notstand in Kauf nimmt, dass Kaufhäuser, Kultur- und andere Versammlungsstätten oder touristische Attraktionen in Frankreich geschlossen bleiben.
Im kommenden Sommer findet in Frankreich zudem die Fussball-Europameisterschaft statt. Die Stadien finden sich in vielen französischen Städten, die wie etwa Marseille nicht für sichere Lebensbedingungen bekannt sind.