Die 8-Millionen-Metropole Bagdad wird zum ersten Mal von einer Bürgermeisterin regiert. Zekra Alwach steht vor einer Herkulesaufgabe. Prekäre Sicherheit, Korruption und massive Budgetkürzungen sind nur einige der Herausforderungen.
Bagdad sei ein Traum, die schönste Stadt der Welt. Bagdad sei schöner als New York und Dubai, hatte vor bald einem Jahr zum Spott der lokalen Medien der damalige Bürgermeister der irakischen Hauptstadt Naim Aboub verkündet. Vor wenigen Tagen hat Regierungschef Haidar al-Abadi Aboub «im öffentlichen Interesse» wegen Unfähigkeit entlassen.
Premier Abadi hat sich zum Verdruss einiger Politiker auch über alle politischen Quotenspiele hinweggesetzt und mit Zekra Alwach überraschend eine nicht parteigebundene Frau in dieses wichtige Amt berufen. Bei Intellektuellen, Künstlern und in der Zivilgesellschaft wurde diese Ernennung mit viel Lob bedacht.
Zekra Alwach ist Zivilingenieurin mit Doktorwürde und war bis jetzt als Generaldirektorin im Ministerium für Höhere Bildung zuständig für Bauprojekte. Dort hatte sie sich einen Namen als kompetente, integere Managerin gemacht, die auch grosse Vorhaben zügig umsetzen konnte. Der einflussreiche Bildungsminister Hussein al-Sharistani soll sich denn auch für ihre Beförderung stark gemacht haben.
Eines von wenigen Bilder, die es von Zekra Alwach gibt. Aber das sollte sich bald ändern.
Am Sonntag hat die parteilose Technokratin ihr neues Amt angetreten. Die «Amina» von Bagdad ist direkt dem Regierungschef unterstellt und bekleidet den Rang einer Ministerin. Als Erstes versprach Alwach für Sauberkeit in der 8-Millionen-Metropole zu sorgen und das Abfallproblem zu lösen. Als Nächstes will sie die ins Stocken geratenen Projekte fertigstellen.
Das wird aber nicht einfach sein, denn im Januar musste die Stadtverwaltung bekannt geben, dass das Investitionsbudget um 70 Prozent gekürzt werden muss. Wegen des drastisch gefallenen Ölpreises ist der Irak zum Sparen gezwungen, und das bekommt auch die Hauptstadt zu spüren. Zudem wird die neue Bürgermeisterin gegen die grassierende Korruption vorgehen müssen. Auf dem neusten Index der korruptesten Länder von Transparency International steht das Zweistromland auf Platz 170 von 175 untersuchten Staaten.
Wegen des drastisch gefallenen Ölpreises ist der Irak zum Sparen gezwungen, und das bekommt auch die Hauptstadt zu spüren.
Auch zwölf Jahre nach dem Sturz von Diktator Saddam Hussein ist Bagdad von Krieg und Krisen gezeichnet. Die Infrastruktur ist in einem lamentablen Zustand, stundenlange Stromausfälle sind immer noch die Regel. Neue Restaurants und ein paar glitzernde Shopping Malls machen noch lange kein Dubai.
Erst vor zwei Wochen ist nach über zehn Jahren die nächtliche Ausgangssperre aufgehoben worden, um der Stadt, die von Hunderten von Betonschutzmauern verunstaltet ist, ein Stück Normalität zurückzugeben. Es ist vor allem die prekäre Sicherheit, die eine normale Entwicklung unmöglich macht. Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass ein tödlicher Bombenanschlag die Einwohner aufschreckt. Nicht selten sind die blutigen Attacken ganz gezielt gegen Regierungseinrichtungen und Politiker gerichtet.
Frauenrechte bedroht
Alwach, die die einzige Bürgermeisterin in einer der Hauptstädte der Arabischen Liga ist, muss sich zudem in einer männlich geprägten Kultur durchsetzen. Irak galt einst als eines der fortschrittlichsten Länder der Region in Bezug auf die Rechte der Frauen. Das Zivilgesetzbuch war eines der progressivsten, aber noch unter Saddam Hussein begann eine Gegenbewegung. Religiöse und tribalistische Traditionen bekamen mehr Gewicht. Nach dem Sturz der Diktatur waren Bürgerkrieg und das Erstarken religiöser Parteien dafür verantwortlich, dass Frauen in der Öffentlichkeit weniger sichtbar waren.
Irak galt einst als eines der fortschrittlichsten Länder der Region in Bezug auf die Rechte der Frauen.
Nach den neusten Zahlen der UN sind ein Viertel der Irakerinnen Analphabetinnen und nur 14 Prozent haben eine Stelle oder suchen eine Arbeit. Das Wahlgesetz garantiert den Frauen zwar einen Viertel der Parlamentssitze, aber in der Regierung gibt es dennoch nur zwei Ministerinnen. Für Politikerinnen in der Öffentlichkeit gibt es eine neue Bedrohung. Die Dschihadisten des Islamischen Staates (IS) haben in den von ihnen beherrschten Gebieten in der Region von Mosul gezielt Frauen umgebracht, die bei den letzten Wahlen als Kandidatinnen angetreten waren.