Die EU ist schuld! Wirklich?

Angeblich ist die Schweiz ein Schlaraffenland für Verbrecher. Und angeblich ist die EU daran schuld. Mit Zahlen lassen sich solche Vorwürfe allerdings nicht belegen. Eher das Gegenteil ist der Fall.

Gibt es tatsächlich immer mehr Einbrüche in der Schweiz, wie die SVP behauptet? Die Antwort der Statistik laut nein! (Bild: Martin Ruetschi)

Angeblich ist die Schweiz ein Schlaraffenland für Verbrecher. Und angeblich ist die EU daran schuld. Mit Zahlen lassen sich solche Vorwürfe allerdings nicht belegen. Eher das Gegenteil ist der Fall.

Für die Rechtskonservativen ist der Fall klar: Die Zahl der Delikte nimmt in der Schweiz stark zu – wegen den offenen Grenzen in Europa. Oder genauer: wegen dem Schengener Abkommen, bei dem die Schweiz seit 2009 dabei ist, auch wenn das der SVP nicht passt. Mitte Woche forderte sie im Bundesparlament eine Kündigung von «Schengen/Dublin» – ohne Erfolg. Da nützte auch die Schützenhilfe der «Weltwoche» nichts. Die Landesgrenze sei nur noch für die Ermittler ein Hindernis, aber nicht für die Verbrecher, höhnte das Blatt (online ist der ganze Text leider nicht verfügbar). Darum sei die Schweiz zum «Schlaraffenland für Verbrecher» geworden.

Mit Zahlen lässt sich diese These aber nicht belegen. Im Gegenteil: Die Zahl der Einbrüche lag in der Schweiz schon deutlich höher als im viel zitierten 2012. 1998 zum Beispiel musste die Polizei rund 83 000 entsprechenden Delikten nachgehen – rund 22 000 mehr als 2012.
Damals gab es zwar mehr Ein­brüche als in den Jahren davor; so tief wie 2009, dem ersten «Schengen»-Jahr also, war diese Zahl allerdings noch nie seit 1982 und dem Beginn der statistischen Erfassung auf Bundesebene.

Das Problem mit der Statistik

Nun gibt es allerdings auch Einschränkungen. Einheitlich erfasst wird die Kriminalstatistik von allen Kantonen erst seit 2009. Vergleiche mit den Vorjahren seien darum nur bedingt sinnvoll, heisst es beim Bundesamt für Statistik. Martin Killias, Professor am Institut für Kriminologie der Uni Zürich, weist in der «Weltwoche» zudem darauf hin, dass es früher deutlich mehr Fälle von auf­gebrochenen Münztelefonen und geknackten Billettautomaten gab, die ebenfalls als «Einbrüche» gelten. Heute kämen mehr Einbrüche in Häusern vor, was schlimmer sei.

Ein interessanter Einwand, der aber nicht unbedingt gegen Schengen spricht. Ebenso wenig wie die Einbruchsstatistik des besonders exponierten Grenzkantons Baselland, wo sich die entsprechenden Zahlen von 1997 bis 2012 laut Polizei «absolut vergleichen lassen». Ergebnis auch hier: Ende der 1990er-Jahre gab es deutlich mehr Einbrüche als 2012. «Die Grenze zu Frankreich war immer offen», sagte Sicherheitsdirektor Isaac Reber bei der Präsentation der Kriminalstatistik. Darum habe es auch immer schon Probleme mit Einbrechern gegeben, die aus dem Ausland kommen – und nach der Tat so rasch wie möglich wieder verschwinden.

Mindestens so schnell möchte auch die Grenzwache sein. Darum ist Jürg Noth, Chef des Schweizer Grenzwachtkorps, auch überzeugt vom neuen Konzept der mobilen Kontrollen, wie er im Schweizer Fernsehen sagte. Ebenso lobend äusserte er sich über die Zusammenarbeit der Länder bei der Verbrechensbekämpfung – und damit über Schengen. Und die Zahlen sprechen eher für ihn als für die Kritiker.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 19.04.13

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