«Die EU macht mir grosse Sorgen»

Mit der Abnahme der wirtschaftlichen Stabilität der EU steige die Gefahr sozialer Unruhen. Subjektiv verringere sich damit das Sicherheitsgefühl auch in der Schweiz, sagt Bundesrat Ueli Maurer im Interview mit der TagesWoche. Sonst aber sieht er als oberster Chef der Nachrichtendienste keine grosse Veränderung der Sicherheitslage.

Bundesrat Ueli Maurer. (Bild: Reuters/Ruben Sprich)

Mit der Abnahme der wirtschaftlichen Stabilität der EU steige die Gefahr sozialer Unruhen. Subjektiv verringere sich damit das Sicherheitsgefühl auch in der Schweiz, sagt Bundesrat Ueli Maurer im Interview mit der TagesWoche. Sonst aber sieht er als oberster Chef der Nachrichtendienste keine grosse Veränderung der Sicherheitslage der Schweiz.

«Die Schweiz ist immer noch eines der sichersten Länder der Welt.» Dies versichert der Schweizer Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP), der auch der oberste Chef der Nachrichten- und Geheimdienste ist, gegenüber der TagesWoche (Interview unten).

In ihrem Jahresbericht 2012 zum Thema «Sicherheit der Schweiz» stellen Maurers Nachrichtendienste (Inland und Ausland) allerdings fest: «Das strategische Umfeld» unseres Landes habe sich «in der Berichtsperiode verändert». Insbesondere die Schuldenkrise, in der zahlreiche EU-Länder stecken, und die Umwälzungen in arabischen Ländern beeinflussten auch die Sicherheit der Schweiz.

«Anpassungsdruck» der EU steigt

Das macht auch Maurer Sorgen. Im neusten Bericht seiner Dienste steht zum Thema EU: «Einigen Mitgliedstaaten droht die Zahlungsunfähigkeit.» Und: «Die Regierungen Europas werden durch leere Staatskassen, verschärfte soziale Spannungen und populistische Neigungen herausgefordert.»

Das wirke sich auf die Schweiz aus: «In zahlreichen Bereichen – etwa in der Finanz- und Steuerpolitik, aber auch in der Verkehrspolitik oder in der sicherheitspolitischen Kooperation  – wird deshalb der Anpassungsdruck auf unser Land generell hoch bleiben.» Darum sei auch für die Schweiz die Stabilisierung der Eurozone «zweifellos von grösster wirtschaftlicher Bedeutung».

Beruhigen konnte Maurers oberster Geheimdienstchef Markus Seiler hingegen bezüglich der Kriegsgefahr in Europa: Da betrage die «Vorwarnzeit» mindestens zehn Jahre. «Proliferation und Spionage sowie Terrorismus und Angriffe auf die Informationsinfrastruktur» nennt der Nachrichtendienst, der hierzulande gut 400 Agenten beschäftigt, zwar auch diesmal wieder als «grösste» – aber auch nur «potenzielle» Bedrohungen.

Gewaltbereite Extremisten machten zwar immer wieder Schlagzeilen, räumt der Bericht zur Sicherheitslage ein. Doch seien diese «nicht staatsgefährdend». Eine direkte dominierende Bedrohung sei für unser Land nicht auszumachen, stellte Seiler fest. Aber das Umfeld der Schweiz werde zusehends instabiler.

Herr Bundesrat Maurer, ist die Schweiz ein sicheres Land?

Ja, man kann davon ausgehen, dass die Schweiz zu den sichersten Ländern der Welt gehört.

Nimmt unsere Sicherheit ab oder zu?

Sie nimmt tendenziell eher ab, weil die Kriminalität zunimmt. Vorab in den Grenzregionen verschlechtert sich die Sicherheit.

Ihre Geheimdienste sagen, für die nächsten zehn Jahre sei sicher kein Krieg zu erwarten. Ist das so sicher?

Einen konventionellen Krieg schliessen wir ja auch im Armeebericht aus. Es gibt neuerdings andere Mittel, um einen Staat in den Grundfesten zu erschüttern, Terrorismus etwa oder Cyber-Angriffe. Da müssen wir uns sicher primär vorsehen.  

Wie schätzen Sie die Stabilität der EU ein, die uns rundum umschliesst?

Das macht mir persönlich grosse Sorgen. Mit der Abnahme der wirtschaftlichen Stabilität der EU steigt auch die Gefahr sozialer Unruhen. Das sehen wir etwa schon in Griechenland. Subjektiv verringert sich damit das Sicherheitsgefühl auch in der Schweiz.

Die Schweizer Nachrichtendienste, deren Oberster Chef sie nun sind, waren immer wieder von Skandalen erschüttert worden. Haben Sie Ihre Agenten jetzt im Griff?

Ja. Ganz klar. Wenn Sie die registrierten Daten ansprechen, haben wir da in den letzten Jahren 114 000 Pendenzen überprüft und abgebaut. Jetzt haben wir noch 16 000. Diese sollen bis Ende Jahr auch überprüft sein. Insgesamt haben wir die Zahl der registrierten Daten um zwei Drittel verringert. Das verbleibende Drittel wird  ordentlich bewirtschaftet.

Mit Gesetzesrevisionen fordern die Nachrichtendienste aber schon wieder neue Kompetenzen zur Überwachung der Leute im Land.

Die Nachrichtendienste haben gar nichts zu fordern. Im Vordergrund steht für uns die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Vorstösse aus dem Parlament fordern dazu eher mehr Mittel um insbesondere die Aktivitäten ausländischer Organisationen zu überwachen, die unser liberales Land missbrauchen könnten.

«Mehr Mittel» geht doch in Richtung einer Fichenpolizei, welche die Laute präventiv ausschnüffelt.

Nein, sicher nicht! In unserem Land herrscht Meinungsfreiheit. Wer anders denkt, darf und soll anders denken. Die Grenze liegt bei der Gewaltbereitschaft. Möglichkeiten zum Eingreifen wollen wir nur da wo Gewalt angedroht wird oder ins Spiel kommt. Wenn jemand nur anders Denkt, oder in ein anderes Land reist, muss das dem Schweizer Nachrichtendienst egal sein.   

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