Die FDP und ihr Frauen-Problem

Nach der Abstimmung über den Familienartikel ist die Stimmung in der FDP frostig. Im Zentrum der Kritik steht die Generalsekretärin der FDP Frauen.

Ärger, grosser Ärger. Parteipräsident Philipp Müller ist wütend auf die FDP Frauen. Und besonders auf Generalsekretärin Claudine Esseiva und Präsidentin Carmen Walker Späh. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Nach der Abstimmung über den Familienartikel ist die Stimmung in der FDP frostig. Im Zentrum der Kritik steht die Generalsekretärin der FDP Frauen.

Die Versöhnung sollte öffentlich stattfinden. Nach dem eher über­raschenden Nein zum Familienartikel verschickte die FDP Schweiz am Sonntag eine «Gemeinsame Medienmitteilung». Titel: «FDP und FDP Frauen kämpfen in Kantonen und Gemeinden für bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.»

Die Mitteilung war ein Versuch zu kitten, was in den Wochen vor der Abstimmung kaputt gegangen war. Ein vergeblicher Versuch: Wer wissen will, wie schlecht die Stimmung innerhalb der FDP immer noch ist, muss nur versuchen, sich von einem FDP-Mann ein Zitat autorisieren zu lassen. Zwei Na­tionalräte, die beinahe rührend sorgfältige Aussagen zum Zwist mit den FDP Frauen abgaben, zogen die Zitate später wieder zurück. Die anderen gaben sich gar nicht erst die Mühe, zitierfähig zu reden.

Die Parteileitung ist wütend

Sie zogen es vor zu motzen: Immer nur klönen würden die Frauen, diese Feministinnen! Was für eine unverschämte Kampagne! Das schadet der Partei! Abstellen! Vor allem die Esseiva! Die soll zur SP!

Versöhnung tönt anders. Die Parteileitung der FDP Schweiz ist immer noch wütend auf die FDP-Frauen. Speziell auf Präsidentin Carmen Walker Späh und Generalsekretärin Claudine Esseiva, die in den Augen der Parteiführung einen zu aktiven Abstimmungskampf für den Familienartikel geführt hatten und damit auch gegen die eigene Partei kämpften. Die Präsidentenkonferenz der FDP hatte die Nein-Parole zum Verfassungsartikel beschlossen (obwohl eine Mehrheit der Fraktion im Parlament dem Familienartikel zugestimmt hatte).

«Unmögliches Verhalten»

Bereits während der Kampagne hatte Parteipräsident Philipp Müller versucht, seine Unterorganisation auf Linie zu bringen. Wie mehrere Quellen der TagesWoche bestätigt haben, wurde Carmen Walker Späh von Müller einbestellt und auf das «unmögliche Verhalten» von Generalsekretärin Esseiva hingewiesen, das es abzustellen gelte. Die Generalsekretärin war eine der aktivsten Stimmen in der Kampagne für den Familienartikel und machte sich in verschiedenen Medien für den Verfassungszusatz stark.

Kommentieren will das Müller nicht, das seien Partei-Interna. Bereits als die TagesWoche für ein Porträt von Esseiva vor einer Woche eine Einschätzung des Präsidenten wollte, lehnte er mit dem Hinweis ab, die Generalsekretärin sei eine Angestellte der FDP.

Aussprache soll Klärung bringen

Der Zwist innerhalb der FDP ist nicht einseitig: Die FDP Frauen sind mindestens so erbost über die Parteileitung wie umgekehrt. Man habe ihnen den Mund verbieten wollen, und das in der Partei des Liberalismus, sagt eine. Das seien SVP-Methoden, eine andere. Wie die Männer wollen sich auch die Frauen nicht zitieren lassen, weil sie den Konflikt nicht noch weiter hochkochen möchten.

Eine der wenigen, die auch öffentlich etwas sagen wollen (Carmen Walker Späh und Claudine Esseiva haben eine Stellungnahme zum Streit innerhalb der Partei abgelehnt), ist Christa Markwalder. Die Berner National­rätin ist Mitglied der Geschäftsleitung der FDP Frauen und war ebenfalls in der Kampagne für den Familien­artikel aktiv. «Nachdem, was geschehen ist, besteht dringend Klärungs­bedarf.» Allerdings müsse das intern geschehen.

Am Donnerstagnachmittag (nach Redaktionsschluss der gedruckten Ausgabe) trafen sich die FDP Frauen zu einer Vorstandssitzung. An der Sitzung soll beschlossen werden, wie sich die Organisation in künftigen Konflikten mit der eigenen Partei verhalten soll. Es dürfte eine lebhafte Sitzung gewesen sein.

Quellen

Gemeinsame Medienmitteilung von FDP und FDP Frauen zum Familienartikel.

Website der FDP Frauen

Website von Claudine Esseiva.

Carmen Walker Späh, Präsidentin der FDP-Frauen, kritisiert auf «20 Minuten Online» den Werbespot der Flumserberge.

Artikel der NZZ zur Kritik der FDP-Frauen am Werbespot der Flumserberge.

Artikel von Claudine Esseiva in der «Weltwoche» zum Thema Sexismus.

Die «Nordwestschweiz» über die Einschweizerung der deutschen «Aufschrei-Debatte».

Die «Balken-Kampagne» im «Tages-Anzeiger».

Porträt von Esseiva in der Schweizer Ausgabe der «Zeit».

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 08.03.13

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