Die Federvieh-Fehde an der Missionsstrasse

Seit Jahren hält Gabrielle Chiarello auf ihrem Grundstück Hühner und Hähne. Fast ebenso lang kämpft ein genervter Anrainer gegen das Krähen und Gegacker. Nun verfügten Basels Behörden die Entfernung der Tiere. Ende Juli läuft die Gnadenfrist ab.

(Bild: Nils Fisch)

Seit Jahren hält Gabrielle Chiarello auf ihrem Grundstück Hühner und Hähne. Fast ebenso lang kämpft ein genervter Anrainer gegen das Krähen und Gegacker. Nun verfügten Basels Behörden die Entfernung der Tiere. Ende Juli läuft die Gnadenfrist ab.

Für Gabrielle Chiarello ist es vorbei. Sie hat den über zehn Jahre andauernden Streit mit ihrem Nachbarn verloren. Zum Verhängnis wurden der Besitzerin der Liegenschaft an der Basler Missionsstrasse 66 drei Hähne. Hätte sie diese nicht gekauft, wäre der Konflikt nicht vor Kurzem zu ihren Ungunsten eskaliert. Doch Chiarello konnte nicht anders. Sie sei eine Triebtäterin, wie sie selber sagt. «Wenn ich Güggel sehe, kann ich einfach nicht widerstehen.»

Angefangen hatte alles im Jahr 2001, als sich Chiarello zum 45. Geburtstag selber einen Hahn und drei Hennen kaufte – seit ihrer Kindheit hatte sie davon geträumt.

Doch kaum waren die Tiere in ihrem 150 Quadratmeter grossen idyllischen Garten platziert, nervten sich schon die ersten Nachbarn über das Gekrähe. Besonders störte die Landstimmung mitten in der Stadt einen Bewohner der benachbarten Liegenschaft, der sich bei der Polizei meldete.

Es folgte ein Rechsstreit, der die bald 60-jährige Chiarello bis vor das Strafgericht brachte  – dort wurde sie allerdings von der «Lärmbelästigung durch einen Hahn» freigesprochen. Doch der Nachbar liess nicht locker. Nach langem Hin und Her musste sie 2007 auf Anweisung des Bau- und Gastgewerbeinspektorats (BGI) ihren Hühnerstall und das Freigehege doch noch entfernen. Chiarello wanderte anschliessend nach Indien aus und kehrte erst 2011 wieder nach Basel zurück.

Trotz Verbot neue Hühner

Im Sommer vor einem Jahr kaufte sich die ehemalige Lehrerin trotz Verbot wieder acht Hühner – und einen kleinen Hahn. Eine Beschwerde desselben entnervten Nachbars beim BGI liess nicht lange auf sich warten.

In Absprache mit dem Beschwerdeführer und Chiarello wurde vom BGI letzten September eine Verfügung erlassen, dass die Liegenschaftsbesitzerin zwar acht bis zehn Hühner halten dürfe, jedoch keinen Hahn. Und sollten in Zukunft weitere Lärmüberschreitungen festgestellt werden, so müsse Chiarello ihre Hühnerzucht komplett aufgeben.

Vergangenen Mai war es dann soweit. Beim BGI ging erneut eine Beschwerde des Nachbars ein. Er beklagte sich darüber, dass die Anzahl der Hühner auf über zehn aufgestockt worden sei und sich Gabrielle Chiarello wieder einen Hahn angeschafft habe. Der Hahn und die Hühner würden bereits frühmorgens für einen unzumutbaren Lärm sorgen.

Das BGI führte daraufhin einen Augenschein vor Ort durch und stellte fest, dass Chiarello rund zehn Hühner und drei kleine Hähne besitzt. Auf Anweisung des BGI muss Chiarello nun bis Ende Juli ihren Hühnerstall und das Freigehege entfernen.

«Sie besitzen momentan drei Hähne. Dies stellt eine klare Übertretung der verfügten Massnahme dar», heisst es in der Verfügung des BGI, die der TagesWoche vorliegt. Und: «Die einvernehmliche Lösung war ein Entgegenkommen, welche mit Auflagen verknüpft war. Diese wurden von Ihnen zugegebenermassen nicht eingehalten.» Rund 800 Franken kostet Chiarello diese Verfügung.

Der lauteste Hahn wurde geschlachtet

Gabrielle Chiarello ist sich bewusst, dass sie «selber schuld» an der Situation ist. Sie spricht von einem «Notkauf». Sie habe im Frühling Zwerghühner erworben und die Verkäuferin habe auf den Kauf der Hähne bestanden. «Das Haus des Nachbarn wird momentan vollständig saniert. Bereits um 7 Uhr hört man den Presslufthammer, deshalb ging ich leider davon aus, dass die Hähne kein Problem für den Nachbarn sein würden, zumal sie erst um sechs Uhr früh Töne von sich geben.»

Mit ihrem Nachbarn spricht Chiarello seit langem nicht mehr, sie empfindet nichts als Antipathie für ihn.

Sie bedauert, dass sie ihren Hühnerstall nun wieder aufgeben muss. Sie findet den Entscheid unverhältnismässig, zumal Hunde ja immer bellen dürften. «Es war so toll, sich selber versorgen zu können. Es ist ein sehr unterhaltsames und schönes Hobby», sagt sie. Schade sei der Entscheid auch, weil die Hühner regelmässig von einer Bewohnerin des «Wohnwerks» versorgt würden.

Mit ihrem Nachbarn spricht Chiarello seit langem nicht mehr, sie empfindet nichts als Antipathie für ihn. «Ich verstehe ihn einfach nicht. Alle haben Freude an meinen Hühnern, nur er regt sich darüber auf.»

Gnadenfrist läuft in einer Woche ab

Nichts Gutes über Chiarello zu berichten hat der klagende Nachbar, der anonym bleiben möchte: «Sie ist egozentrisch und hat sich nicht an die Abmachung gehalten, obwohl wir ihr entgegengekommen sind.» Er freue sich über die neuste Verfügung des BGI. «Es wäre schrecklich gewesen, wenn wir nicht recht bekommen hätten», sagt er.

Es sei zudem nicht so, dass er der einzige Nachbar sei, der sich über die Hühnerhaltung nerve. «Teilweise war es schon um 3 Uhr früh sehr laut. Es stimmt also nicht, dass der Lärm erst um 6 Uhr beginnt.»  

Was Chiarello mit den Hühnern macht, weiss sie noch nicht. Einen Hahn hat sie inzwischen aber schon geschlachtet, weil dieser wirklich laut gewesen sei. Obwohl die Gnadenfrist für ihre Hühner in einer Woche abläuft, sagt Chiarello: «Ich lasse mich jetzt sicher nicht hetzen.» Eine Fortsetzung des Nachbarschaftsstreits an der Missionsstrasse ist somit nicht ausgeschlossen.

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