Die Haie aus der Diaspora

Zum ersten Mal überhaupt nimmt Kap Verde an einer Endrunde eines Fussballturniers teil. Und schon hat sich das Team aus dem Kleinstaat für die Viertelfinals des Afrika Cup qualifiziert. Ein Geheimnis des Erfolgs: Trainer Antunes hat viele Spieler aufgeboten, die fern der Heimat in Europa aufgewachsen sind.

Cape Verde head coach Lucio Antunes, runs with their country's flag after winning against Angola during their African Cup of Nations Group A soccer match, in Port Elizabeth, South Africa, Sunday, Jan. 27, 2013. (AP Photo/Schalk van Zuydam) (Bild: AP Photo/Schalk van Zuydam)

Zum ersten Mal überhaupt nimmt Kap Verde an einer Endrunde eines Fussballturniers teil. Und schon hat sich das Team aus dem Kleinstaat für die Viertelfinals des Afrika Cup qualifiziert. Ein Geheimnis des Erfolgs: Trainer Antunes hat viele Spieler aufgeboten, die fern der Heimat in Europa aufgewachsen sind.

Für die einen war es ein Eröffnungsspiel zum vergessen. Die Erwartungen an die Gastgeber aus Südafrika waren fast so riesig wie Soccer City gewesen, das monumentale Stadion zwischen Johannesburg und Soweto.

Doch dann weinte der Himmel, der Spielfluss ertrank und die Bafana Bafana schienen gegen einen vermeintlich inferioren Gegner kaum zwei halbwegs vernünftige Pässe aneinander reihen zu können. Nach dem 0:0 war die Bereitschaft am Kap gross, alle gute Hoffnung fahren zu lassen. Schliesslich erlebt der Fussball des Afrika-Cup-Gewinners von 1996 seit vielen Jahren einen beispiellosen Niedergang.

Die Viertelfinals am Afrika Cup

Am Samstag treffen Ghana und Kap Verde im ersten Viertelfinal des Afrika Cup aufeinander (16 Uhr MEZ). Es ist das einzige Spiel, das nicht live auf Eurosport gezeigt wird sondern bloss auf Eurosport 2. Am Samstag um 19.30 Uhr spielt in Durban Gastgeber Südafrika gegen Mali. Am Sonntag stehen die Partien Elfenbeinküste–Nigeria (16 Uhr) und Burkina Faso–Togo (19.30 Uhr) auf dem Programm.

Doch dann kam alles ganz anders. Südafrika ist die Viertelfinal-Qualifikation gelungen, auch wenn es dazu ein spätes Tor von Siyabonga Sangweni in der 86. Minute zum 2:2-Endstand im Spiel gegen Marokko brauchte. Und vielleicht hatte man an diesem verregneten 19. Januar gar nicht so schlecht gespielt, sondern der Gegner war einfach viel besser gewesen, als man es ihm zugetraut hätte.

So etwas wie einen Star hat Kap Verde auch

Dieser Gegner hiess Kap Verde. Der winzige Inselstaat, 460 Kilometer westlich von Senegal im Atlantik gelegen, hat sich in seinen drei Gruppenspielen zur grossen Überraschung des Turniers gemausert. Das Team spielt solide, hat robuste Verteidiger und weiter vorne in der Kreativabteilung ein paar Ballvirtuosen, die mit Schnelligkeit und Spielstärke den gegenwärtigen Höhenflug des Teams erst ermöglichten.

So etwas wie einen Star gibt es auch. Er heisst Ryan Mendes und ist beim französischen Erstligisten OSC Lille unter Vertrag, wo er jedoch nur selten zum Einsatz kommt. Ebenfalls bescheiden verlief die bisherige Karriere des Luís Carlos Almada Soares mit dem vielversprechenden Übernamen «Platini». Er hat von seinem Archipel auf ein anderes gewechselt und spielt für den portugiesischen Zweitligisten Santa Clara auf den Azoren.

Wenn der ökonomische Fachbegriff «Momentum» auf den Fussball anwendbar ist, dann erleben die Kicker von den Kapverden zur Zeit exakt diese Beschleunigung eines bestehenden Aufwärtstrends. Ihr rasanter Lauf vom 182. auf den ungefähr 60. Platz in der Weltrangliste der Fifa begann mit ihrer ersten Qualifikation für eine Endrunde überhaupt.

In der Qualifikation wurde Superstar Eto’o ausgeschaltet

Die «Blauen Haie» hatten in der Qualifikation die Kameruner um Superstar Samuel Eto’o ausgeschaltet. Es war eine Sensation, die nicht zuletzt auf eine schon länger andauernde Unpässlichkeit im Gefüge des nominell übermächtigen afrikanischen Fussballriesen zurückzuführen war.

Doch das Aussenseiterdasein bietet Vorteile, die, geschickt ausgenützt, schon manchen Koloss auf tönernen Füssen niedergestreckt haben. Seit dem Unentschieden im Eröffnungsspiel gegen Südafrika hat Kap Verde seinen Ritt ungebremst fortgesetzt. In der Partie gegen Marokko musste die Mannschaft erst spät den Ausgleich hinnehmen. Und gegen Angola sicherte der Siegtreffer zum 2:1 in der 90. Minute durch Héldon die Qualifikation für die Viertelfinals.

Der Jubel war immens. Die Spieler von Trainer Luís Antunes, der im richtigen Leben bei der Flugsicherung auf der kapverdischen Hauptinsel Praia arbeitet, verwandelten die  spröde Umgebung der Pressekonferenz in ein Partylokal. Sie tanzten auf den Stühlen, und Antunes sang ein kreolisches Lied in die Mikrofone der verdutzten Medienschaffenden.

Antunes suchte sich seine Spieler im Ausland zusammen

Antunes ist zwar der erste Fan seiner Mannschaft, aber er ist kein Clown. Nur aus den Besten der etwas mehr als 500’000 Bewohner des Archipels ist kein kompetitives Team zusammenzustellen, das war ihm klar. Aber die kapverdische Diaspora ist um ein Mehrfaches grösser. Also rekrutierte er seine Spieler in ganz Europa.

Dort spielen auch einige, die er bestimmt gerne aufgeboten hätte, die jedoch bereits an die Teams ihrer neuen Heimatländer verloren sind. Einen Nani von Manchester United zum Beispiel, der nun für Portugal aufläuft. Oder auch den Schweizer Gelson Fernandes. Dessen Cousin Cabral, beim FC Basel im defensiven Mittelfeld beschäftigt, hatte zwar ein Aufgebot erhalten, verzichtete aber freiwillig, um sich mit den Baslern auf die Rückrunde vorzubereiten.

Da der kapverdische Verband über zu wenig Mittel verfügt, um dem Coach Geschäftsreisen nach Portugal, Frankreich oder gar nach Rumänien zu finanzieren, war dieser gezwungen seine Kandidaten hauptsächlich per Videostudium ausfindig zu machen. Seine Auswahl scheint trotzdem mehr als gelungen.

Mit dem Essen kommt der Appetit, sagen sich die Insulaner. Am Samstag werden die mittlerweile sehr hungrigen «Haie» alles daran setzen, nach Ghanas «schwarzen Sternen» zu schnappen. Auch wenn diese nach menschlichem Ermessen etwas gar hoch hängen dürften. Doch wer schon gegen Löwen, Antilopen und sonstige grosse Tiere bestehen konnte, der traut sich auch das Unmögliche zu und holt ein Paar Sterne vom Himmel.

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