Mit dem eigenhändigem Umbau setzen die Irrsinn-Macher ein Zeichen gegen die allgemeine Schwarzmalerei. Die Geschichte der Bar und des Umbaus macht dem Namen alle Ehre – und bleibt einzigartig.
Nach acht Monaten Umbau prangert der Betonmischer wieder prominent über der Theke – neben weiteren Trinkspezialitäten des Hauses wie dem Dead Nazi oder der Sauren Zunge. Die Karte haben die beiden Macher Pascal Scherer und Michel Löffler zur Wiedereröffnung der Irrsinn Bar am Freitag* bewusst nicht verändert.
«Unsere Gäste sollen sich in den neuen Gefilden gleich heimisch fühlen», sagt Scherer. «Home is where your drink is», so das Credo – ansonsten aber blieb beim Bar-Umbau nach sechs Jahren kein Stein auf dem anderen.
Verrückter als gedacht
«Wir haben mehr rausgerissen als wir anfangs wollten», resümiert Löffler die erste Phase. Eine falsche Decke, stinkende Sanitäranlagen, vier Bodenschichten sowie die alte Küche – die Verrücktheiten der Vorgängerjahre hätten sich als grösser als gedacht herausgestellt und die ursprünglich auf Oktober angesetzte Wiedereröffnung des neuen Irrsinns verzögert.
Scherer: «All die Gäste, die vor dem Umbau meinten, es ist doch schön hier, hätten das Resultat der letzten vierzig Jahre sehen sollen: alles vergammelt, verfault und die verrosteten WC-Abflussrohre leckten nur nicht, weil sie innen mit fünf Zentimetern Fäkalschlacke gedichtet waren.»
Löffler ergänzt die Schaudergeschichte: «Das war anscheinend selbst dem Ungeziefer zu hässlich. Nicht einen toten Käfer haben wir beim Rausrupfen gefunden.»
Darum haben die beiden ihre Lokalität bis auf die Grundmauern ausgehöhlt. Eigenhändig. Für den gelernten Zimmermann Löffler sind Baustellen nichts Ungewohntes, für den einstigen Bürogummi Scherer war es Neuland: «Ich habe mich über die acht Monate vom Schnupperstift zum Lehrling hochgearbeitet.»
Die DIY-Haltung der beiden passt zum Geist der Bar, ist sie doch erste Adresse für viele Punks und Metaller aus der alternativen Szene. Dass es den beiden Drink-Liebhabern gelang, ihr Publikum von Bier auf Drinks zu trimmen, überrascht deshalb umso mehr.
«Das brauchte gut zwei Jahre», sagt Spirituosen-Missionar Scherer, der dafür szenefreundliche Eigenkreationen wie die oben erwähnten schuf. Damit sich weiterhin «grosse schwere Metaller mit pinkem Getränk in spitzen Martini-Gläsern zuprosten», haben sie für das neue Interieur darauf geachtet, «dass es ja nicht chic wird.»
Es durfte einfach nicht chic werden. Der erste Blick verrät: gelungen. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Die beiden Innenarchitektinnen von Furger & Dillier sind selber Stammgäste. Entgegen dem Farbtrend der Basler Elektro-Tempel und Szenebars, die fast unisono in fancy Schwarz gehalten sind, setzt der Irrsinn auf Blutwurstrot in Glanzlack. Mit 32 hängenden DDR-Baulampen an gebogenen Armierungseisen, stellenweise unverputzten Wänden, selbst gezimmerten Tischplatten aus unbehandelten Schaltafeln und geräuchertem Eichenparkett verpassten sie dem neuen Irrsinn den schäbigen Chic einer schönen Punkrock-Kneipe.
Der Barraum wirkt ohne die herausgerissene Grotto-Decke luftiger und wurde um eine loungige Tischchen-Terrasse erweitert. Die grössten Änderungen sind jedoch der neue Eingang sowie das geräumige Fumoir, wo einst die Küche des Vorgängerbetriebs gammelte. Dort lädt nun das neue Schmuckstück des Irrsinns – die gemäss Angaben der Betreiber «wohl längste Ledercouch Basels» – zum gemütlichen Abhängen. Wer es sportlich mag, findet im Fumoir auch einen Töggelikasten.
Armierungseisen, Schaltafeltische, Eichenparkett, blutwurstrote Wände – die Irsinn Bar wurde nicht nur umgebaut. Der «Bau» ist auch präsent. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Damit setzt der Irrsinn ein weiteres antizyklisches Zeichen. Ist der gute alte Kicker mittlerweile aus fast allen Basler Bars verbannt. Scherer: «Ohne den Kasten geht es nicht. Der begleitet mich seit meiner ersten Bar», dem Gleis 13 auf dem ehemaligen Nt-Areal. Das war 2006. Keeper und Kasten feiern mit der Neueröffnung diesen Freitag auch ihr 10-jähriges Barjubiläum.
Partys und Konzerte wie im ehemaligen Gleis 13 sind im Barraum des Irrsinn wegen der Lärmemissionen leider noch immer nicht möglich. Auch die schummrigen Kellerdiscos im sogenannten «Loch» sind bis auf weiteres gestrichen, da der Raum seit der Räumung zwar doppelt so gross ist, derzeit jedoch als Werkstatt dient.
Noch ist «das Loch» eine Werkstatt, aber eher früher als später soll es wieder zur Kellerdisco werden. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Irgendwann wird auch das Loch wieder belebt. Gemäss Löffler lieber früher als später. Doch Scherer winkt ab. Er will nun endlich das verstaubte Gnägi ablegen und seinem eigentlichen Handwerk nachgehen: feine Getränke mixen. Eine Sorge hat er aber: «Da wird anfangs wohl einiges Glas brechen, da meine Motorik nun auf Bau nicht Bar getrimmt ist.»
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*Freitag, 16. Dezember, 19 Uhr, Neueröffnung Irrsinn Bar, Rebgasse 43 (zurück nach oben)