Bald steht die nächste Baselworld an und es werden wieder gravierende Verletzungen des Gesamtarbeitsvertrages erwartet. Messe, Gewerkschaften und Kontrolleure kämpfen aber noch immer mit den Folgen der diesjährigen Ausgabe.
In seltener Einigkeit informierten am Dienstagnachmittag Vertreter der Messe Schweiz (MCH), der Gewerkschaften und der Kontrollinstanzen sowie des Basler Amtes für Wirtschaft und Arbeit (AWA) über ihre Erfahrungen im Kampf gegen Verletzungen des Gesamtarbeitsvertrages im Messestandbau – namentlich an der diesjährigen Ausgabe der Baselworld. Obwohl die vertretenen Organisationen ganz eigene Ziele verfolgen, kommen alle zum gleichen Schluss: Eine wirkungsvolle Kontrolle und Durchsetzung dieses Gesamtarbeitsvertrages ist nicht möglich. Die Verzweiflung ist gross.
Seit dem Juni 2012 sind Messestandbauer dem GAV der Schreiner unterstellt, dieser sieht beispielsweise Mindestlöhne vor. Umgangen werden diese Anforderungen von den meist ausländischen Arbeitskräften und ausführenden Betrieben durch eine angebliche Selbstständigkeit. So gibt beispielsweise ein Standbauer aus Polen an, selbstständig zu sein, obwohl er von einem Subunternehmen angestellt ist. Diese «Scheinselbstständigkeit» aufzudecken und zu ahnden, ist Aufgabe der Kontrollinstanzen, beispielsweise der Paritätischen Kommission (PK) für das Schreinergewerbe Basel-Stadt.
Kein Geld für Kontrollen
Deren Präsident, Gaston Schweizer, spricht deutliche Worte: «Dieser GAV ist für die Messestandbauer komplett ungeeignet. Gehen Sie mal auf eine solche Baustelle, dort finden Sie kaum einen Schreiner.» Weil er mit seiner PK die Baselworld 2013 intensiv kontrolliert hatte, kommen andere Baustellen zu kurz. Denn Schweizer gehen Geld und Ressoucen für weitere Kontrollen aus. Er weiss noch nicht, wie und ob er die Kontrollen an der kommenden Baselworld überhaupt finanzieren kann.
Im Februar wurde der Öffentlichkeit noch eine Lösung für dieses Problem präsentiert. Damals unterzeichneten die Gewerkschaften, die PK und die MCH eine Vereinbarung welche auch finanzielle Beiträge seitens der MCH enthielt. Damit sollten zusätzliche Kontrollen ermöglicht werden. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) stufte eine solche Zahlung allerdings als unzulässig ein. «Dieses Geld floss nie», erklärt Schweizer und steht damit wieder vor dem gleichen Problem.
Frustriert ist auch Hansueli Scheidegger, Co-Leiter der Unia Nordwestschweiz. «Die nächste Messe steht vor der Tür und wir haben noch nicht einmal die Kontrollen der letzten Ausgabe abgeschlossen», sagt er. Angesichts der langwierigen Untersuchungen müsse man davon ausgehen, dass «auch nächstes Jahr die gleichen fehlbaren Standbaufirmen mit den gleichen Bedingungen ans Werk gehen.»
Die vorläufige Bilanz der Kontrollen an der Baselworld 2013 zeigt tatsächlich ein düsteres Bild. Im Durchschnitt sei den kontrollierten und als scheinselbstständig taxierten Standbauern ein Drittel ihres Gehaltes vorenthalten worden, sagt Scheidegger. Auf die gesamte Baselworld hochgerechnet ergebe dies eine Summe von 3,8 Millionen Franken um die die betroffenen Arbeiter geprellt wurden.
Messe sieht sich ungerechtfertigt im Fokus
Und schliesslich ärgert sich auch Ulrich Vischer, Verwaltungsratspräsident der MCH. Ihn stört, dass die Gewerkschaften und Kontrollinstanzen die Baselworld zur «Kampfplattform» gegen das Problem der Scheinselbstständigkeit erhoben haben. Vischer hält diese Fokussierung auf die Baselworld angesichts deren volkswirtschaftlicher Bedeutung für die Region ungerechtfertigt. Ausserdem zeige das Beispiel Baselworld, wie wenig sich der GAV der Schreiner auf die Messestandbauer anwenden lasse.
Da die finanzielle Beteiligung der MCH an den Kontrollen vom SECO abgelehnt wurde, will sich die Messe künftig auf andere Weise an den Kontrollen beteiligen. So sind strenge Zutrittskontrollen zu den Baustellen geplant, wie Vischer ausführt. «Jeder Standbauer muss sich mit einem Badge an- und abmelden, wenn er auf der Baustelle arbeiten will.» Dies erleichtert es beispielsweise dem AWA, zu überprüfen ob die Arbeitszeiten eingehalten werden.
Es ist also die Verzweiflung, die die Anwesenden eint. Trotz allem versucht Vischer, ein wenig Zuversicht zu versprühen: «Wir wollen weiterhin in der gemeinsamen Arbeitsgruppe eine nachhaltige Zukunftslösung erarbeiten.» Aber auch diese Arbeitsgruppe steht unter einem schlechten Stern. Hansueli Scheidegger von der Unia ist nämlich mit dem Leiter dieser Arbeitsgruppe, dem Juristen Heinrich Koller, nicht einverstanden. «Herr Koller ist nicht das, was ich mir unter einem neutralen Moderator vorstelle.»