Der Trainer geht, diverse Spieler sind auf dem Absprung: Borussia Dortmund tritt am Samstag im Cupfinal wohl das letzte Mal mit dem Überfall-Fussball der erfolgreichen Vergangenheit an. Der VFL Wolfsburg nährt die Hoffnung auf einen offenen Schlagabtausch.
Selbstverständlich ist so eine Reise zum Pokalfinale nach Berlin für alle Fussballer eine unvergessliche Sache, aber für Borussia Dortmund ist die Fahrt in die Hauptstadt nicht nur wegen der Aussicht auf einen Titel etwas ganz besonderes. Es ist so etwas wie eine Rückkehr zum Zenit. 2012 fegte der BVB den FC Bayern mit 5:2 aus dem Olympiastadion, gewann das Doulbe aus Meisterschaft und Pokal, rückblickend war jener Frühlingsabend der Höhepunkt der sieben Dortmunder Jahre von Trainer Jürgen Klopp. Der brillanteste Moment einer denkwürdigen Mannschaft, die im kommenden Sommer endgültig neu erfunden wird.
In diesem Tagen steht das Dortmunder Kollektiv aber nur selten im Mittelpunkt. Alles dreht sich um Klopp und seinen Abschied: Das letzte Spiel im Westfalenstadion, sein wirklich letzte Partie als BVB-Trainer in Berlin, ein letztes Abschlusstraining, vermutlich wird auch jemand den letzten Toilettengang dieses Trainers in seiner Amtszeit protokollieren. In dieser Hysterie geht unter, dass mit Klopp auch eine wunderbare Mannschaft in den Geschichtsbüchern verschwinden wird.
Natürlich werden einige Spieler bleiben, gerade erst hat Neven Subotic seinen Vertrag verlängert, Mats Hummels wurde für den Neubeginn begeistert, gemeinsam mit Marco Reus, Pierre-Emerick Aubameyang und Henrikh Mkhitaryan werden sie das Gerüst der Zukunft bilden. Viele andere dürften aber noch gehen, und die Spielweise wird sich auch ändern unter dem neuen Trainer Thomas Tuchel. Noch ist das endgültige Ausmass der Umbauarbeiten schwer zu bemessen, einen «Kaderumbruch» sehe er nicht, sagt Sportdirektor Michael Zorc, «die eine oder andere Veränderung» werde es aber geben. Und tatsächlich zeichnen sich einschneidende Neuerungen ab.
Zwei, die sicher zum letzten Mal auflaufen am Samstag: Trainer Jürgen Klopp und Sebastian Kehl. (Bild: INA FASSBENDER)
Torhüter Roman Weidenfeller wird den Klub sehr wahrscheinlich verlassen, schon im Pokalfinale könnte Mitchell Langerak im Tor stehen. Dass Ilkay Gündogan einen neuen Verein sucht, ist bekannt, Sebastian Kehl beendet seine Karriere, und bei Leuten wie Kevin Grosskreutz, Lukasz Piszczek, Marcel Schmelzer, Matthias Ginter, Ciro Immobile, Adrian Ramos, Milos Jojic oder Jakub Blaszczykowski wären spontane Wechsel in den kommenden Wochen keine echte Überraschung mehr. Längst bastelt Tuchel am BVB der Zukunft.
Kommt Bürki vom SC Freiburg?
Als Gündogan-Nachfolger wurde Gonzalo Castro von Bayer Leverkusen ins Revier geholt, der 19-jährige Mittelfeldspieler Julian Weigel ist in dieser Wochen für 2,5 Millionen Euro vom TSV 1860 München verpflichtet worden, und Sebastian Kehl könnte von Johannes Geis (Mainz 05) oder Youri Tielemans (RSC Anderlecht) ersetzte werden. Ausserdem befasst sich Tuchel sich mit Namen wie Roman Bürki (SC Freiburg), Pierre-Emil Höjbjerg (Bayern München), Abdul Raman Baba (FC Augsburg) und sicher noch einigen mehr. Dem BVB blickt einer ereignisreichen Sommerpause entgegen.
Jenseits solcher ungeklärten Personalfragen steht aber fest, dass die Kultur des Dortmunder Spiels überarbeitet wird. «Wir werden einige Vollgas-Veranstaltungen ablaufen lassen, Rasenschach wird es bei mir nie geben», hatte Klopp bei seinem Dienstantritt vor sieben Jahren versprochen. Und er hat wahrlich Wort gehalten. Dieser Stil wird bald Thomas Tuchels superflexibler und etwas rationalerer Spielweise weichen. Auch Klopp hatte ja in der Hinrunde versucht, das Spiel des BVB in diese Richtung weiter zu entwickeln, was spektakulär misslang.
Der VFL Wolfsburg nährt die Hoffnungen auf einen guten Abend
In der viel erfolgreicheren Rückserie spielte der BVB wieder fast ausschliesslich im alten 4-2-3-1-System und mit der Vollgas-Attitüde der grossen Zeit. Hans-Joachim Watzke erwiderte in einem «Kicker»-Interview auf die These, der Dortmunder Fussball entwickle sich nicht weiter, dass dieser Vorwurf mit der «Aufholjagd in der Rückrunde ein Stück weit relativiert» worden sei. Man kann das aber auch anders sehen: Die vergangenen Monate waren eine Rückbesinnung auf die Wurzeln des alten BVB-Fussballs. Eine Neuauflage des hoch intensiven, begeisternden Umschalt-, Lauf- und Pressingspiels, das 2012 beim 5:2 im Pokalfinale gegen die Bayern seinen Höhepunkt erlebte.
Nun wird es zum letzten mal diese magische Verbindung des Trainers Klopp, seines bevorzugten Stils und der schwarz-gelben Helden der vergangenen Jahre zu sehen geben. Und der VfL Wolfsburg ist ein günstiger Gegner für eine letzte späte Blüte. Gegen die Niedersachsen, so glaubt man beim BVB, könnte ein offenes Spiel zustande kommen. Und das wäre eine gute Voraussetzung für einen finalen Höhepunkt des Vollgasfussballs klopp’scher Prägung.