Die neue «Vogel Gryff»-Fähre wassert am 25. August. Für die Fährleute gab es vergangene Woche letzte Instruktionen.
Zehn Fährimänner, eine Fähre und kein Rhein. Der Anblick war nicht alltäglich vergangene Woche vor dem Bethesda-Spital. Aufgebockt auf der Wiese, weit weg von ihrem Ziel im Klingental, versetzte die neue «Vogel Gryff» nicht nur die Patienten des Spitals ins Staunen, sondern auch ihre zukünftigen Steuermänner. Ein Fährimaa nach dem anderen stieg die provisorische Treppe hoch, auf den Lippen immer den gleichen Satz: «Die ist ja viel grösser als die alte!»
Länger, breiter, höher: Die neue Fähre erinnert tatsächlich nur noch in ihrer Form an die «Vogel Gryff», die die vergangenen 30 Jahre über den Rhein setzte. Unter dem strahlenden Weiss des Rumpfes und der goldbraunen Holzverkleidung der Kabine versteckt sich glasfaserverstärkter Kunststoff. Der Fähriverein hätte gerne ein Holzboot gehabt, die Auflagen der Behörden waren aber ohne Kunststoff nicht zu erfüllen. Vorschriften, Normen und Gesetze der Behörden haben das Gefährt in die Moderne gezwungen. Das Material ist dabei nicht die einzige Änderung im Vergleich zur Vorgängerin, die ihr Rentenalter als mobiler Spielwagen bei der Robi-Spiel-Aktion verbringt.
Um sie mit den Neuerungen vertraut zu machen, baten Erbauer Kurt Helbling und Markus Manz, technischer Verantwortlicher der Stiftung Basler Fähren, die Fährleute zu einer letzten Instruktion vor dem grossen Moment am Samstag (13.30 Uhr). Die neue «Vogel Gryff» wird dann am Gierseil befestigt, getauft und zum ersten Mal mit Passagieren über den Rhein gleiten.
USB-Anschluss fürs Handy
Instruktionen standen bei der Trockenübung aber nicht im Vordergrund. Wichtiger für die neun Fährmänner und Fährfrau Rosie van Polfliet war das Erforschen und sinnliche Kennenlernen ihres künftigen Bootes. Sie streichelten den Rumpf, klopften gegen die Holzverkleidungen, klappten die Bänke herab und wieder herauf. Knipsten die dimmbaren LED-Spots an, staunten über das Platzangebot für 35 Passagiere und über das eingebaute Radio. «Das ist ja der Hammer», sagte ein Fährmann verzückt, «der hat ja sogar einen CD-Wechsler und vier Boxen!»
Bootsbauer Kurt Helbling erzählte stolz von den Solarpanels auf dem Dach, die die Fähre «eigentlich komplett von externem Strom» unabhängig machen. Die Fährleute hörten zu, nickten und fragten: «Was passiert mit der Petroleum-Heizung, wenn der Kanister leer ist?» «Das Flammen-Symbol am Steuerpult erlischt, ihr seht es also», erklärte Helbing und erntete auch für diese Neuerung die obligaten «Ahhs» und «Ohhs». «Das Boot hat auch einen USB-Anschluss, um das Handy zu laden», erzählte der sichtlich stolze Bootsbauer weiter, «und ein Horn hat die Fähre natürlich auch.» Ein ziemlich lautes, wie der Praxis-Test eindrücklich bewies.
Kein neues Fasnachtssujet
Während Urs Helbling erzählte, erklärte und zeigte, montierte sein Sohn den letzten Handlauf. Die Fähre ist eigentlich fertig, aber eben nur eigentlich. Noch immer sind Kleinstarbeiten zu erledigen und nachträgliche Wünsche zu realisieren. Das Steuerruder fehlt, eine Anker, zwei Ruder für den Notfall. «Und, und, und …», wie Helbling sagt, «aber das wird alles pünktlich fertig sein.» Für den Bootsbauer aus dem St. Gallischen Jona ist die 380 000 Franken teure Fähre kein Gewinngeschäft. So sagt er jedenfalls. Über ein Jahr lang haben seine Angestellten und er daran gearbeitet. Für die Firma war es die erste Fähre, vor allem für die Vorarbeiten fielen Kosten an, die erst durch weitere Aufträge amortisiert werden. «Und es gibt ja noch einige Fähren, die in die Jahre gekommen sind», sagt Helbling. Er ist überzeugt, dass er bei späteren Bestellungen berücksichtigt werden wird. «Alles andere wäre eine äusserst negative Überraschung.»
Markus Manz von den Basler Fähren hat jedenfalls nur lobende Worte für die Zusammenarbeit gefunden. Die Investition, die durch Legate, Sponsoren, Mitgliederbeiträge und den Lotteriefonds finanziert ist, habe sich gelohnt. «Diese Fähre hält mindestens 50 Jahre.» Und damit fast doppelt so lange wie die bisherigen Holzboote.
Und auch Fährimaa und Pächter Urs Zimmerli ist mit dem Ergebnis zufrieden. Er war bereits mit dem Boot auf dem Rhein und sagt: «Die Fähre ist schön, liegt und treibt gut im Wasser. Alles tiptop.» Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall, wenn eine Fähre ersetzt werden musste. «Die St.-Alban-Fähre ist am Anfang weder richtig getrieben, noch hat sonst etwas gepasst», sagt Zimmerli, «sie musste laufend überarbeitet werden.» Ganz zu schweigen vom Aufschrei, den es gab wegen der Optik. Die Glas-konstruktion schaffte es gar zum Fasnachtssujet. Die neue «Vogel Gryff» sollte davon verschont bleiben.
Die Region ist in Festlaune: Gefeiert wird nicht nur im Klingental die neue Fähre, sondern auch in der Stadt beim Klosterbergfest sowie Augst beim Römerfest. Alle drei Feste beginnen am Freitagabend und enden am Sonntag.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 17.08.12