«Die Liberalen müssen pointierter werden»

Die Präsidentin der Basler LDP, Patricia von Falkenstein, will ihrer Partei in der Öffentlichkeit wieder mehr Gehör verschaffen. Allenfalls auch mit «Polteri»-Methoden – solange es anständig zugeht.

Patricia von Falkenstein präsidiert in Basel die einzige LDP-Partei, die es in der Schweiz noch gibt. (Bild: Basile Bornand)

Die Präsidentin der Basler LDP, Patricia von Falkenstein, will ihrer Partei in der Öffentlichkeit wieder mehr Gehör verschaffen. Allenfalls auch mit «Polteri»-Methoden – solange es anständig zugeht.

Sie unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von den meisten anderen Politikern in hohen Funktionen: Patrica von Falkenstein sagt, was sie denkt – und kann sich ganz schnell auch ganz spontan über etwas aufregen, beispielsweise über die Linken. Sie ist keine Diplomatin, dafür aber ein ehrlicher Mensch. Und mit dieser Art will sie die Liberalen möglichst lange am Leben erhalten.

Frau von Falkenstein, Sie nehmen das Telefon mit «Falkenstein» ab –ohne das «von». Warum dieses Understatement?

Mit Understatement hat das nichts zu tun, sondern mit der Länge meines Namens. Wenn ich aber jemanden treffe, stelle ich mich als Patricia von Falkenstein vor. Das ist mein Name – und ich bin stolz darauf.

Ihren Namen kennt man inzwischen in Basel, doch über Sie als Person weiss man wenig. Frau von Falkenstein: Wer sind Sie?

(Überlegt). Ich stelle mich nicht in den Vordergrund, bin bescheiden, vielleicht auch ein wenig unsicher, wie das Frauen leider oft sind. Auch im Grossen Rat arbeite ich eher im Hintergrund, mache wenig Vorstös­se, sondern versuche, hinter den Kulissen etwas zu erreichen.

Als Parteipräsidentin können Sie sich nicht mehr verstecken.

Versteckt habe ich mich auch bisher nicht. Das Amt ist nicht ganz neu für mich, ich war ja Vizepräsidentin. Neu ist, dass ich unsere Anliegen nach aussen vertreten muss und das künftig nicht mehr mein Vorgänger Christoph Bürgenmeier tun wird.

Direkt nach der Wahl haben Sie betont, die LDP werde künftig stärker präsent sein. Durchstarten war das Schlagwort.

Das ist unser Ziel. Wir werden Vernehmlassungen nicht mehr nur intern abgeben, sondern gleichzeitig auch den Medien schicken. Und auch sonst wollen wir Stellung beziehen zu aktuellen Themen. So haben wir uns beispielsweise bereits öffentlich zur Forderung der SP, Manager sollen am 1. Mai über ihre Löhne sprechen, geäussert. Solche Aktionen schaden dem Wirtschaftsstandort.

Sie finden es also richtig, dass manche Manager unermesslich viel Geld verdienen?

Ich verstehe es nicht, finde aber, es ist Sache der Privatwirtschaft. Gleichzeitig frage ich mich schon auch: Was macht jemand mit so viel Geld?

Sie nerven sich generell oft über die SP. Deren Anspruch an den Staat gehe Ihnen auf den Geist, sagten Sie neulich. Wie wollen Sie die Linken eindämmen?

Es ist nicht unsere Absicht, die SP einzudämmen. Es braucht verschiedene Parteien – und entsprechend auch die SP. Und wie man in Basel und inzwischen auch in anderen Städten sehen kann, wählen viele Leute gerade diese Parteien …

Umso kontraproduktiver ist es, vor allem die SP zu kritisieren.

Das hängt von den Themen ab, wir gehen nicht gezielt auf die SP los.

… obwohl die Liberalen auch sehr sozial engagiert sind, die Nähe zur Christoph Merian Stiftung ist nur ein Beispiel – bloss weiss das kaum jemand. Sie könnten sich damit brüsten.

Da stellt sich die Frage: Wie sollen wir unser soziales Engagement öffenlich bekannt machen? Auch in Bezug auf unsere eigenen Leistungen waren wir bisher zu bescheiden. Doch das ändern wir ja jetzt.

Bescheidenheit und Wahlen gewinnen passt nicht zusammen.

Darum werden wir aus unserem Schneckenhaus herauskommen und uns zeigen. Doch wir müssen aufpassen: Zu viel Provokation geht den Leuten auf die Nerven. Das sieht man beispielsweise bei der SVP.

Die LDP galt lange als «Partei der Intelligenz und des Reichtums». Das Image haftet ihr heute noch an. Das schafft eher eine Distanz zum Volk als umgekehrt.

Längst nicht alle unsere Mitglieder sind Leute aus dem Daig, wir haben einfach viele gute Köpfe – und ein guter Kopf muss nicht reich sein.

Zu den bekanntesten Liberalen gehören Daig-Vertreter mit Namen wie Burckhardt, Vischer, Albrecht. Dadurch heben Sie sich von den Freisinnigen ab.

Aber wir haben im Parlament auch ohne solche Namen einen Sitz zugelegt. Ich gehöre auch nicht zum Daig. Genauso wenig wie Christoph Bürgenmeier und die Eymann-Brüder.

Dennoch: Früher waren lokale Wirtschaftsführer bei der LDP. Heute kommen CEOs aus dem Ausland. Welche Legitimation hat die LDP überhaupt noch?

Die Leute wollen zu den Liberalen kommen – und nicht zur FDP. Wir haben keine Mutterpartei in Bern, bei der man sich manchmal fragen muss: Was soll das? Ich denke da an FDP-Präsident Philipp Müller, der auch mal Schimpfwörter austeilt. Solche Sorgen haben wir nicht. Und das passt den Leuten – nicht nur wegen einiger Mitglieder aus dem Daig.

Ist es nicht eher so, dass es die Basler LDP als einzige Vertreterin dieser Partei überhaupt nur deshalb noch gibt, weil sie das Grossbürgertum verkörpert?

Sicher auch. Es ist aber nicht der einzige Grund, weshalb uns manche Menschen wählen. Es ist jedoch schwierig, abschliessend zu beantworten, was uns ausmacht.

Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass Sie mit den Grossräten André Auderset und Felix Eymann auch zwei Polteri in Ihren Reihen haben. Die fallen ziemlich aus dem Rahmen.

Aber nein! Die beiden passen wunderbar ins Kleinbasel – und dort wurden sie auch gewählt, sehr gut sogar. Überhaupt darf man poltern, solange man dabei anständig bleibt.

Das wäre doch eine neue Linie: Die LDP wird zur Polteri-Partei – und macht so mehr Stimmen.

Themen wie Sauberkeit und Sicherheit brennen den Leuten unter den Nägeln, daher ist es gar nicht schlecht, laut zu werden. Poltern ist aber das falsche Wort. Richtig ist: Wir müssen pointierter werden.

Die Liberalen sind eine kleine, unabhängige Gruppe in Basel, die machen kann, was sie will und der niemand reinredet.

Hinzu kommt, dass wir Mandate verlieren würden, wenn wir uns mit der FDP zusammentun würden. Das war in allen anderen Kantonen der Fall. Bei der CVP, die weniger Sitze hat als wir, fragt auch niemand, warum sie nicht mit der EVP fusioniert. Auch bei anderen kleinen Parteien ist es kein Thema.

Vielleicht, weil nicht jedem klar ist, wofür manche dieser Parteien stehen und mit wem sie fusionieren sollten. Im Gegensatz zur LDP: Sie sind sich in praktisch allem mit der FDP einig.

Es ist trotzdem kein Thema für uns. Bloss Journalisten fragen immer wieder nach der Fusion. Ich frage zurück: Warum sollten wir, nachdem wir bei den letzten Wahlen dazugewonnen haben, mit einer Partei zusammengehen, die schweizweit alles andere als überzeugt?

Würden Sie fusionieren, würden Sie zusammen fast einen Viertel des Basler Parlaments stellen.

Ja, bis zu den nächsten Wahlen. Und dann? Würden wir verlieren, Mitglieder würden austreten, die Partei wechseln, zur GLP gehen, zur SVP…

Das spricht nicht für die Liberalen, dass sie sich quer durch die Parteien verteilen würden.

Weil sie nicht zur FDP wollen! Es ist schon so, dass bei den Liberalen verschiedene Gesinnungen Platz haben.

Darum würden sie zur SVP gehen? Oder gar zur SP?

Das nicht, die Grünliberalen wären da eher ein Zwischenschritt.

Noch gibt es die Liberalen – und es ist Ihre Aufgabe, die Partei auf Kurs zu halten. Mit welchen Themen werden Sie das tun? Mit Steuern, wie alle Bürgerlichen?

Bestimmt auch, gutverdienende Alleinstehende beispielsweise gingen bei den letzten Steuersenkungen vergessen. Das wollen wir ändern. Auch das Thema Unternehmens­steuer wird uns erhalten bleiben.

Im Gegensatz zum LDP-Regierungsmitglied Christoph Eymann können Sie aus dem Vollen schöpfen und Parteipolitik betreiben. Für Sie persönlich bedeutet das Präsidium auch: Sie können endlich aus dem Eymann-Schatten heraustreten.

(Lacht). Es gibt noch weitere Themen, die uns beschäftigen. Harmos zum Beispiel, die Uni, die unbedingt genug Geld erhalten muss …

Sie klingen wie eine SPlerin.

Bei der Bildung befürworte ich das Geldausgeben, ja. Der Staat muss in gewisse Bereiche investieren, aber nicht nur in Velowege und schöne Plätze. Auch für den ÖV wird viel zu viel Geld ausgegeben. Wenn es so weitergeht, bauen wir noch eine Tramlinie von Basel nach Berlin.

Da steht Ihnen ein David-gegenGoliath-Kampf bevor in Basel.

Wenn wir besser organisiert sind und auch Parteimitglieder ohne politische Ämter in die Pflicht nehmen, können wir viel erreichen. Viele Liberale haben einen grossen Rucksack zu einem bestimmten Thema. Sie sind froh, wenn man Sie um Mithilfe bittet. Ich kann ja nicht bei jedem Thema selber alles wissen.

Zumal Sie ehrenamtlich tätig sind und zwei Kinder haben.

Das schaffe ich schon, zwei ehrenamtliche Aufgaben habe ich abgegeben und meine Kinder sind im Teenager-Alter. Ausserdem arbeite ich viel zu Hause. Zwischendurch brüllt halt jemand im Hintergrund, wenn ich telefoniere – das gehört dazu. Was ich mir aber abgewöhnen sollte, ist das perfektionistische Verhalten.

Die LDP-Website könnten Sie perfektionieren. Mit Inhalten.

Wir haben Stichwörter zu unserem Programm aufgelistet – aber danke für den Tipp. Allerdings stehe ich nicht 24 Stunden pro Tag im Dienste der Partei. Es gibt auch anderes.

«Ich schliesse nicht aus, für den Regierungsrat zu kandidieren.»

Einen Regierungsrats-Posten als nächstes Ziel zum Beispiel?

Das würde vielleicht zu meiner bisherigen Karriere passen, doch das Präsidium muss nicht automatisch Sprungbrett für die Regierung sein.

Sie schliessen es aber nicht aus?

Nein. Es wäre ein interessanter Job.

Doch angenommen, Christoph Eymann würde bald zurücktreten – wen würden Sie jetzt als seinen Nachfolger sehen? Von den Jüngeren kommt nur Grossrat Conradin Cramer in Frage.

Warum muss es ein Junger sein? Ich wäre schon froh, wenn wir mehr Junge in den Grossen Rat und den Bürgerrat bringen könnten. Doch viele haben gute Jobs, Familien – und keine Zeit.

Der Staat als Arbeitgeber kommt Parlamentariern entgegen – oft mehr als die Privatwirtschaft.

Bei uns finden sich kaum Staatsangestellte. Generell arbeiten eher wenig Bürgerliche bei der Verwaltung.

Logisch, der Staat ist Ihr Feind.

Der Staat ist nicht unser Feind. Es braucht den Staat. Bloss muss er das tun, was nötig ist – und nicht mehr. Er soll regulieren, aber nicht alles. Diskussionen um das Velofahren auf dem Trottoir beispielsweise gehen doch zu weit! Es gibt Grenzen.

In Ihrem letztem Vorstoss vor einem Jahr verlangten Sie Massnahmen zur Verbesserung des Verhaltens von Velofahrern. Wer, wenn nicht der Staat, sollte solche Regeln festsetzen?

Ich wollte eine Ergänzung von bestehenden Programmen erreichen. Polizisten besuchen Schulen sowieso, da fände ich es wichtig, den Kindern auch beizubringen, was beim Velofahren erlaubt ist und was nicht. Velo­fahrer, welche die Freie Strasse hinauffahren, nerven mich masslos. Selber fahre ich auch gern Velo. Aber auch da geht es um Anstand.

Konsequent sind Sie nicht gerade. Als Präsidentin des Vereins für Kinderbetreuung hängen Sie auch am Tropf des Staates.

Das ist so, doch ich arbeite dort etliche Stunden ehrenamtlich. Der Verein leistet eine wichtige Arbeit im Bereich der Prävention. So fallen spätere Kosten teilweise weg.

Die Revision des Asylgesetzes dürfte Sie auch beschäftigen.

Muss die Schweiz jeden, der einreist, aufnehmen? Nein! Poltern hin oder her. Ausländer, die für Jobs gebraucht werden, sollen einreisen dürfen. Wer ohne Asylgrund und ohne Aussicht auf eine Stelle kommt, hat hier nichts verloren.

Lassen Sie uns noch persönlich werden. Wie ist es für Sie, immer als Mutter von Christoph Eymanns Kinder wahrgenommen zu werden, während er einfach «nur» Regierungsrat ist?

Das ist kein Problem, er ist ja Regierungsrat. Ich nehme das mit Humor. Als ich im Verfassungsrat für ihn nachgerückt bin, dachten viele, ich hätte das Amt übernommen, weil wir seinerzeit ein Paar waren. Solche Dinge bringen mich zum Lachen.

Inzwischen sind Sie längst getrennt, aber immer noch Thema.

Viele Leute irritiert es, dass wir so gut miteinander auskommen. Für mich ist das völlig normal, mit zwei Kindern sollte man gut auskommen.

Es ist ein typischer Filmstoff.

Muss es darum ein Rosenkrieg sein?

Nein.

Sehen Sie (lacht herzlich).

Patricia von Falkenstein

Die 52-jährige Juristin sitzt seit 2006 für die Liberal-demokratische Partei (LDP) im Grossen Rat, wo sie unter anderem Mitglied der Finanzkommission ist. Bereits vor der Wahl zur Grossrätin war Patricia von Falkenstein als Verfassungsrätin politisch tätig. 2008 wurde sie zur Vizepräsidentin der LDP gewählt, drei Jahre später übernahm sie zudem die Führung des Parteisekretariats.
Vor gut einer Woche wurde sie als Nachfolgerin von Christoph Bürgenmeier zur LDP-Präsidentin gewählt.Patricia von Falkenstein hat viele ehrenamtliche Ämter inne und engagiert sich vor allem im Kinder- und Familienbereich. Sie macht gern Sport, reist und liest gern. Ausserdem sammelt sie Weihnachtsbaum-Broschen und Adventskalender.Ihre Kinder sind 13 und 17 Jahre alt. Deren Vater ist LDP-Regierungsrat Christoph Eymann.www.patriciavonfalkenstein.ch

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 10.05.13

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