SP-Präsident Martin Lüchinger denkt an Abschied. Als heisse Anwärter auf den Posten gelten Anwalt Christian von Wartburg und Juso-Präsidentin Sarah Wyss.
Der Zeitpunkt für einen Rücktritt wäre perfekt: Die SP gewann bei den Grossratswahlen einen Sitz, der Wähleranteil stieg um 2,5 auf 30,7 Prozent. Die SP ist wieder im Aufwind. Parteipräsident Martin Lüchinger darf sich als Sieger fühlen. Für den Umweltingenieur ist der Erfolg ein Befreiungsschlag, nachdem die Partei bei den Nationalratswahlen 2011 ganze 6,6 Prozent verloren hatte und Lüchinger seit Amtsantritt Anfang 2009 turbulente Zeiten erleben musste.
Der zurückhaltende 56-Jährige stand seit Tag eins unter Druck und besonderer Beobachtung seiner Genossen. Vorgeworfen wurde ihm ein schwacher Führungsstil. Nur ein Jahr nach Amtsantritt versuchten mehrere Parteikollegen sogar, Lüchinger vom Thron zu stossen.
Aber das spielt alles keine Rolle mehr. Lüchinger befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Präsidenten-Karriere. Geht er jetzt, wird er unter dem Strich als erfolgreicher SP-Chef in Erinnerung bleiben. Ob er das tun wird, steht demnächst fest: «Ich werde mir bis Ende Jahr in aller Ruhe meine Gedanken zu meiner Zukunft und der Partei machen und dazu Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen führen.» Mehr will er momentan nicht sagen.
«Guschti, Guschti, Guschti»
In der SP macht man sich allerdings bereits Gedanken um seine Nachfolge. Hartnäckig an der Spitze der Anwärter auf den Posten halten sich zwei Namen: Christian von Wartburg und Sarah Wyss.
Von Wartburg ist seit 2006 in der Basler SP. Der 45-jährige Strafverteidiger rückte erst einen Monat vor den Wahlen im Oktober 2012 in den Grossen Rat nach. Um seine Wiederwahl musste er entsprechend zittern. Mit 5061 Stimmen und auf dem letzten Platz wurde er im Wahlkreis Grossbasel West schliesslich doch gewählt – nur 20 Stimmen weniger und es wäre danebengegangen. Seinen Sieg feierte von Wartburg umso ausgelassener bis in die frühen Morgenstunden in der Friends Bar.
Gross aufgefallen ist Christian von Wartburg, der mit dem Baselbieter SP-Ständerat Claude Janiak ein Advokaturbüro betreibt, in der Partei bis vor Kurzem nicht. In den vergangenen Monaten hat sich «Guschti», wie er genannt wird, aber immer mehr zur starken Figur in der SP entwickelt. «Guschti, Guschti, Guschti» – egal mit wem man spricht, sein Name fällt. Er scheint seine Parteifreunde zu begeistern.
Ideal wäre von Wartburg als Parteichef für seine Anhänger wegen seiner humorvollen Art, seiner Frische und weil er noch unbelastet ist («er hat noch keine Feinde»). Ihm traut man in der SP eine grosse Akzeptanz zu. Auf die Frage, ob er bei einem Rücktritt Lüchingers Interesse am Amt haben würde, sagt von Wartburg: «Ich möchte nichts ausschliessen, und eine Anfrage der Partei wäre natürlich eine grosse Ehre. Es ist aber nicht so, dass ich darauf hinarbeiten würde.»
Sarah Wyss schielt aufs Amt
Zur Debatte fürs Präsidium steht auch die 24-jährige Sarah Wyss. Sie hofft jedoch, dass Lüchinger bis auf Weiteres im Amt bleibt. «Martin Lüchinger hat trotz massiver Kritik nicht so viel falsch gemacht. Er kann ruhig noch weitermachen.»
Aber wohl nur bis zu ihrem Studienabschluss, denn sie bringt sich dezent in Position: «Ich bin momentan glücklich mit meinem Amt als Juso-Präsidentin. Mein Studienabschluss im Juni und die Juso gehen dem SP-Präsidium vor. Aber ich sage nicht Nein, das Präsidium finde ich prinzipiell verlockend», sagt die Bald-Grossrätin.
Die wilde Sarah Wyss als Präsidentin der grössten Basler Partei? Für manche ihrer Genossen ist dieser Schritt zu gewagt und zu früh. Sie solle sich zuerst im Grossen Rat einleben – und ein bisschen zur Ruhe kommen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 07.12.12