Die Nacht der Langen Messer – eine kleine Kulturgeschichte

Heute Abend ist in Bern die «Nacht der langen Messer» vor der Bundesratswahl angesagt. Der Begriff wird dafür
in der Schweiz erst seit 1983 verwendet. Die Formel stammt aus England, wo sie 1135 erstmals als «Night of the Long Knives» auftauchte.

Otto Stich (SP) nimmt 1983 die Wahl an und wird Bundesrat: Der erste grosse Verrat bei Schweizer Bundesratswahlen (Bild: Keystone)

Heute Abend ist in Bern die «Nacht der langen Messer» vor der Bundesratswahl angesagt. Der Begriff wird dafür
in der Schweiz erst seit 1983 verwendet. Die Formel stammt aus England, wo sie 1135 ein Historiker erstmals als «Night of the Long Knives» prägte.

Die Dienstagnacht vor der Bundesratswahl wird in der Schweiz jetzt regelmässig als «Nacht der langen Messer» bezeichnet. Aber auch noch nicht lange. Erstmals wurde der Begriff 1983 gebraucht, als bürgerlich-patriarchale Abgeordnete der Bundesversammlung die Wahl der ersten Frau in den Bundesrat verhindern wollten: Sie telefonierten in der ganzen Schweiz herum SP-Politikern vom rechten Flügel der Partei, die sie als Alternative gegen die offizielle SP-Kandidatin, die Züricherin Lilian Uchtenhagen ins Rennen schicken wollten.

Mehrere Angefragte – auch der damalige Präsident des Gewerkschaftsbundes, Fritz Reimann – sagten dankend bis empört ab. Schliesslich zeigte sich der frühere SP-Nationalrat Otto Stich (SO) zur wilden Kandidatur bereit und wurde dann auch gewählt. Doch die bürgerlichen Messerwetzer hatten sich verrechnet: Otto Stich machte in der Landesregierung jahrelang konsequent und erfolgreich linke Politik. Er wurde zu einem der beliebtesten Bundesräte.

Von den Kelten bis zur IRA

Der Begriff «Nacht der langen Messer» (in der Intrigen gegen die Favoriten geschmiedet und diese dann noch vor dem Morgengrauen abgestochen werden) ist jedoch viel älter. Erstmals brauchte ihn der englische Historiker Geoffrey of Monmouth 1135 in seiner «Historia Regnum Britanniae» für die Beschreibung des Massackers angelsächsischer Einwanderer an einheimischen, keltischen Adeligen, das sich um 450 bei Salisbury ereignet hatte. Von Monmouth prägte damals als erster die Formulierung «Night of the Long Knives».

Später wurde der Begriff dann für zahlreiche andere blutige oder politische Massaker verwendet: Etwa für die Ermordung der SA-Führung durch Hitlers Schergen 1934, den sogenannten «Röhm-Putsch», oder für die rabiate Kabinettsumbildung durch den englischen Ministerpräsidenten Harold Macmillan 1962, der in einer Nacht gleich sieben Minister fristlos «feuerte». Noch später wurde 1992 von «Night of the Long Knives» gesprochen, als die IRA in Nordirland eine ihrer Untergruppen, die in den Drogenhandel verwickelt war, kurzerhand liquidierte.

Heute Nacht kaum Überraschungen

Anders als etwa 2007 vor der Abwahl Christoph Blochers aus dem Bundesrat, dürfte die heute Abend beginnenden «Nacht der langen Messer» in Bern indes kaum Überraschungen zeitigen: Alle vier Kandidaten sind bekannt – auch die zwei Sprengkandidaten der SVP, mit denen sie morgen zuerst  Eveline Widmer-Schlupf, dann die freisinnigen Bundesräte und später vielleicht gar den vakanten Sitz der SP angreifen will. So geht es heute Abend und morgen früh, wenn die letzten Fraktionssitzungen angesagt sind, bloss noch um Strategien und um die Überzeugung möglicher wankelmütiger Wahlberechtigter unter den insgesamt 245 Mitgliedern der Bundesversammlung.

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