Die Kommunistische Partei Chinas hat die Führungsspitze neu bestellt. Xi Jinping wurde zum Chef gewählt und dürfte damit auch für den Posten als Staatschef gesetzt sein. Die sieben Neuen im Überblick.
Xi Jinping (Bild: jason Lee)
Xi Jinping, 59, ist neuer Generalsekretär und als Vorsitzender Zentralen Militärkomission auch oberster Befehlshaber über die Streitkräfte. Chinas künftiger Präsident wird seit gut einem Jahr von der westlichen Welt genauer in Augenschein genommen. Der Konsens vieler Beobachter: Sonderlich viel bekannt ist über einen der bald mächtigsten Männer der Welt eher nicht. Xi ist ein Prinzling und entstammt altem Parteiadel. Sein Vater ist Xi Zhongxun, ein Weggefährte Maos, ehemaliger Vize-Regierungschef der Volksrepublik und Architekt von Chinas Sonderwirtschaftszonen in den 80er Jahren. Als Xi Jinpings Ziehväter innerhalb der Partei gelten zum einen der früherer Staatspräsident Jiang Zemin, der noch immer im Hintergrund kräftig in Chinas Politik mitmischt, sowie der frühere Vize-Präsident des Landes, Zeng Qinghong. Marktwirtschaft und Bekämpfung der Korruption gehörten bislang zu den Belangen, für die er sich politisch am stärksten eingesetzt hat. Ihm selbst bescheinigte eine US-Diplomatendepeche einmal, dass er wohl nicht bestechlich sei. In seiner zweiten Ehe ist Xi, der sowohl einen Abschluss in Chemie-Ingenieurswesen als auch in (marxistischen) Rechtswissenschaften hat, mit der populären wie attraktiven Sängerin Peng Liyuan verheiratet. Peng Liyuan bekleidet wiederum gegenwärtig einen hohen Posten im Musikkorps der Volksbefreiungsarmee. Die einzige Tochter von Xi Jinping ist Xi Mingze. Seit zwei Jahren studiert die junge Frau unter einem Pseudonym in Harvard – glaubt man taiwanesischen Presseberichten, dann soll sie dabei stets unter der Aufsicht eines Bodyguards stehen und sogar das FBI mit für ihre Sicherheit Sorge tragen.
Li Keqiang, 57, hat einen Jura-Bachelor-Abschluss, einen Doktor in Wirtschaftswissenschaften und ist verheiratet mit Cheng Hong, einer Professorin für englische Sprache und Literatur. Die Tochter des Paares hat einen Abschluss an der Peking Universität. Gegenwärtig soll sie, ohne dass dies bestätigt ist, an einer US-Universität eingeschrieben sein. Li wird Nachfolger des Regierungschefs Wen Jiabao. Manche Kritiker haben dem bis zuletzt innerhalb der Partei entgegen gesetzt, dass Li Keqiang zu schwach für ein solches Amt sei und er lieber den Vorsitz beim Nationalenvolkskongress übernehmen solle. Thematisch stehen bei Li, der als Regierungschef vor allem für die Wirtschaftspolitik des Landes verantwortlich sein wird, vor allem eine stärkere Förderung der erneuerbaren Energien, ein Ausbau der allgemeinen Gesundheitsversorgung und ein Angleich bei der Entwicklung der verschiedenen Teile des Riesenreiches im Mittelpunkt.
Wang Qishan, 64, war in den Verhandlungen der Parteispitzen schon zeitweilig als künftiger Premier des Landes gehandelt worden. Der studierte Historiker machte Karriere im Finanzsektor des Landes. Ab den 90er Jahren bekleidete er verschiedene Führungsposten der bei Bank of China sowie der China Construction Bank. Genau wie Xi Jinping zählt auch Wang zur Gruppe der Prinzlinge, sein Stiefvater ist das ehemalige Mitglied des Politbüros, Yao Yilin. In China wird Wang genre als „Chef der Feuerwehr bezeichnet. Er gilt als routinierter Krisen-Manager. Auch vor dem Hintergrund seiner Karriere ist es zu sehen, dass er sich immer wieder für eine Liberalisierung des chinesischen Finanzsystems eingesetzt hat. Wang soll künftig der internen Disziplin-Kommission der Partei vorstehen. Er ist der Mann, der also das gewaltige Korruptionsprobem der Partei in den Griff bekommen muss. Innerhalb der komplizierten Hierarchie der kommunistischen Partei kommt er damit auf Rang sieben.
Liu Yunshan, 65, hat im Gegensatz zu vielen anderen Mitgliedern der sogenannten fünften Generation der angehenden Partei- und Staatsführer Chinas keinen prominenten Vater, durch den sich Führungsansprüche ergeben. Zugleich ist er wohl jener Politiker, der Chinas Auswirkung in den vergangenen Jahren entscheidend mitbestimmt hat. In jungen Jahren hat er als Lehrer in den Gebieten der inneren Mongolei gearbeitet und sich ab den 80er Jahren in der Kommunistischen Jugendliga verdient gemacht. Politische Ämter hat er vor allem innerhalb von Chinas Propaganda-Abteilung bekleidet. Seit 2002 steht er dem Propaganda-Ministerium als Leiter vor. Beobachtern zufolge hat Liu dabei längst nicht nur die offizielle Parteilinie umgesetzt, sondern hat wohl sehr wesentlich die Propaganda- und harte Zensur-Politik der vergangenen Jahre selbst mitbestimmt. Li soll als Leiter des Sekretariats der Zentralkomitees den ideologischen Kurs Chinas bestimmen.
Yu Zhengsheng, 67, setzte sich am Ende gegen Li Yuanchao durch. Der Sekretär der kommunistischen Partei in Shanghai triumphierte über den Sohn des ehemaligen Bürgermeisters der Stadt. Die Familie von Yu ist stark mit Chinas politischer Geschichte verwoben. Viele Verwandte waren Aristokraten, dienten als Beamte in den letzten Jahren der Qing-Dynastie. Bei den politischen Unruhen in der Zeit Maos kamen etliche Mitglieder seiner Familie ums Leben. Sein Großonkel war früher Verteidigungsminister auf Taiwan. Sein Vater war zeitweilig mit Maos dritter Frau verheiratet und Bürgermeister von Tianjin. Yu gilt Beobachtern zwar als Konservativer, jedoch zugleich auch als sehr flexibel, wenn es darum geht, mit Krisen oder auch zum Beispiel Massenprotesten umzugehen. Yu könne den Menschen zu hören, zitiert etwa die South China Morning Post die Einschätzung von Ma Guoxian, einem Politikexperten aus Shanghai. „Er ist nicht wie andere konservative Führer damit aufgewachsen, dass er die Leute zwingt, seine Meinung zu übernehmen.“ Er wird künftig wohl der Politischen Konsultativkonferenz Chinas vorstehen, einem Gremium, mit dessen Hilfe Massenorganisationen und nationale Minderheiten Mitspracherecht bekommen sollen.
Zhang Dejiang, 60, gelangte vor allem als Partei-Sekretär, in den wirtschaftlich florierenden Provinzen Zhejiang und Guangdong zu Ansehen. Kritiker halten ihm indes vor, Vertreter einer ultrakonservativen Linie zu sein. Nach dem Sturz des Politstars Bo Xilai ist er zum neuen Parteisekretär in Chongqing ernannt worden. Zhang ist ein weiterer Prinzling. Sein Vater war ein hohes Mitglied der Volksbefreiungsarmee. Wie viele andere chinesische Politiker hat Zhang einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften – erworben hat er diesen allerdings weder an einer chinesischen noch an einer westlichen Elite-Universität, sondern an der Kim-Il-Sung-Universität in Nordkoreas Hauptstadt Pyongyang Anfang der 80er Jahre. Er wird künftig den Posten des Vorsitzendes des Nationalen Volkskongresses einnehmen.
Zhang Gaoli, 66, ist der Mann, der künftig neben Li im hohen Maße über Chinas Wirtschaftspolitik bestimmt. Er hat an der Universität der südchinesischen Stadt Xiamen Wirtschaftswissenschaften studiert, Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre verschiedene Posten in Chinas Ölindustrie bekleidet. Seit 2007 steht er der Partei in Tianjin vor. Vor allem um die wirtschaftliche Entwicklung der Provinz Guangdong, die bis heute einer der wirtschaftlich stärksten in der gesamten Volksrepublik und so etwas wie die Fabrik-Provinz der gesamten Welt ist, hat er sich verdient gemacht. Kritiker halten Zhang einen sehr aggressiven Politikstil vor. Taiwanesische Medien berichten zudem über zahlreiche Fälle von Korruption und dass es viele Beschwerden über Zhang Gaoli bei einer parteiinternen Kommission gegeben haben soll, die sich um das Einhalten der Disziplin innerhalb der KPCh kümmert. Zhang soll neben der Rolle des Wirtschaftsministers auch Vize-Premier im „Reich der Mitte“ werden.
Till H. Lorenz