Die Odyssee der «Aris»

Der Segler René Schneider hat eine Yacht von einer krisengeschüttelten griechischen Charterfirma ­gekauft – und das Schiff auf einer abenteuerlichen Reise auf den Basler Rhein gebracht.

Die Motoryacht «Aris» aus Athen hat im Basler Bootslehrer René Schneider einen neuen Kapitän gefunden – und auf dem Rhein ein neues Daheim. (Bild: Stefan Borer)

Der Segler René Schneider hat eine Yacht von einer krisengeschüttelten griechischen Charterfirma ­gekauft – und das Schiff auf einer abenteuerlichen Reise auf den Basler Rhein gebracht.

Sie hat in ihrem kurzen Leben 2000 Inseln angesteuert, wobei manche eher Steinhäufchen als Inseln waren. Sie hat Dutzende Menschen transportiert. Und Hunderte Nächte in kleinen Häfen verbracht.

Ihre Erbauer tauften sie «Aris». Alle in ihrer Gruppe trugen solche ­Namen, griechische Namen. «Aris» fiel nicht auf, sie war eine von vielen. Fünf Jahre lang. Doch jetzt – ist sie allein. Weit weg von der Ägäis, wo sie herkommt. Die «Aris» ist eine der wenigen Yachten auf dem Rhein – und die einzige hier, die den weiten Weg von Griechenland hinter sich hat.

Rau und abenteuerlich

Mit ihren zwölf Metern Länge gehört sie zu den kleineren ihrer Gattung, der Gattung der Motoryachten. Dennoch: Ihr Neuwert beträgt eine Viertelmillion Franken. Yachten sind teuer, das weiss man nicht erst seit den Promi-Fotos in «Gala» und Konsorten. Yachten sind etwas für die Oberschicht.Der Basler Segler und Bootslehrer René Schneider (56) war noch nie in der «Gala» abgebildet. Promi-Yachten könnte er sich gar nicht leisten. Die «Aris» aber, die lag in seinem Budget. Sie war sozusagen ein Schnäppchen.

Seit 30 Jahren segelt René Schneider in Griechenland. «Dort ist alles noch ursprünglich, rau und abenteuerlich», sagt er. Seit 30 Jahren chartert er bei einem Unternehmen in Athen Yachten – für sich, Segelschüler, Freunde, Interessierte. Die Besitzer der Chartergesellschaft sind seine Freunde. Und die Krise, die hat sie genauso erwischt wie die meisten Griechen. «Es ist traurig, mit anzusehen, wie der Frohsinn schwindet», sagt Schneider. Erst neulich war er wieder dort. Hat sich die Klagen der Menschen angehört. Und ein Angebot von der Charterfirma erhalten: die «Aris» zu kaufen. Denn bei ihm wisse man wenigstens, dass man das Geld erhalten würde. Er überlegte. Und sagte Ja.

Vier Flüchtlinge in der Kajüte

Vor der Krise verfügte die Flotte in Athen über 14 Schiffe. Heute sind es noch vier. Die meisten Yachten, die günstig verkauft wurden, blieben im Mittelmeer – ausser die «Aris». Die liegt jetzt im Rheinhafen in Kleinhüningen und wird für Schulungen genutzt. Auf dem Landweg kam sie in die Schweiz, transportiert von einem griechischen Unternehmen, das auf solche Transporte spezialisiert ist. Bis an die italienische Grenze verlief die Reise problemlos, der Fahrer gönnte sich zwischendurch eine Kaffeepause. Und dort muss es passiert sein: Vier Flüchtlinge aus dem Osten stiegen durch die Luke ins Schiff, versteckten sich im Hohlraum unter den Matratzen in der Kajüte und im WC-Räumchen. In der Hoffnung, in einem guten Land wieder aussteigen zu können, unbemerkt.

Die Zöllner wollten nur einen Blick in die «Aris» werfen, doch dabei blieb es nicht: Der Fahrer musste sich stundenlang erklären. Dass er nichts mit den Männern zu tun habe und im Auftrag eines Schweizers unterwegs sei. Die Flüchtlinge entlasteten den Fahrer, er durfte die Reise fortsetzen. Was mit den Männern geschah, weiss er nicht. Am nächsten Tag lag die «Aris» erstmals in einem Fluss. Ohne Salz, ohne grosse Wellen, weit weg vom Meer.

«Es ist ein merkwürdiges Gefühl, von der Krise profitiert zu haben», sagt René Schneider. Gleichzeitig weiss er: In Athen hätten seine Freunde die «Aris» kaum so rasch losbekommen – auch nicht für einen Bruchteil des Wertes, insofern wars ein gutes Geschäft.
Diesen Monat reist Schneider wieder nach Griechenland. Er hat bereits ein Schiff reserviert. Eines von den vieren. 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 15.06.12

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