Die perfekte Show

Der Basler Sicherheitsdirektor bricht nach 100 Tagen im Amt sein Schweigen. Handlungsbedarf sieht er bei den Einbrüchen und Haftplätzen. Den Polizeikorps will Dürr nicht weiter ausbauen, dafür mehr Frauen und Migranten im Korps.

Endlich 100 Tage im Amt, endlich redet er über alles: Baschi Dürr (Bild: Hans-Jörg Walter)

Der Basler Sicherheitsdirektor bricht nach 100 Tagen im Amt sein Schweigen. Handlungsbedarf sieht er bei den Einbrüchen und Haftplätzen. Das Polizeikorps will Dürr nicht weiter ausbauen, dafür mehr Frauen und Migranten im Korps.

Politik hat für den neuen Justiz- und Sicherheitsdirektor Baschi Dürr bekanntlich «mit Wirkung zu tun», wie er im Wahlkampf gegenüber der TagesWoche sagte. Und Dürr scheint keinen Aufwand zu scheuen, in eine perfekte Wirkung zu investieren. Makellos präsentierte sich der Regierungsrat der Basler Freisinnigen heute Donnerstag vor den Medien und brach somit nach 100 Tagen im Amt sein bisher ziemlich inkonsequentes Schweigen (Unterlagen dazu auf der Rückseite des Artikels). Er muss den Ablauf dieser Medienkonferenz ein paar Mal in seinem Kopf durchgespielt haben. Jedes Wort sass, jede Bewegung passte, dazwischen grinste er, ja, sogar kleine Witze machte er zwischendurch. Vor allem aber zeigte sich Dürr äusserst souverän und dossierfest.

Der 36-jährige Neoliberale scheint beim Staatsapparat angekommen zu sein. «Ich habe gut angefangen, fühle mich sehr wohl im Amt und gut aufgenommen», sagte er. Rund 20 Abteilungen besuchte er in den letzten drei Monaten und stellte dabei fest, dass das Departement zwar gut strukturiert sei, aber auch «überadministriert und überkontrolliert». Seinen sieben Bereichsleitern (beispielsweise Polizeikommandant Gerhard Lips oder dem Leiter der Staatsanwaltschaft Alberto Fabbri), die ebenfalls alle vor Ort waren, hat er deshalb bei Anstellungen oder Beschaffungen mehr Verantwortung gegeben – ganz nach dem Motto «Weniger Kontrollen, mehr Führung». Es gehe ihm dabei um ein Klima des gegenseitigen Vertrauens, sagte Dürr.

Mit Spannung erwartet wurden Dürrs Aussagen zum Thema Sicherheit. Er will wieder mehr Nüchternheit in die politische Debatte bringen. «Ich fühle mich persönlich sicher in dieser Stadt. Unmittelbar nach dem Einbruch fühlte ich mich natürlich unsicher.» Aber das Thema Sicherheit sei kein Monolith – es gebe verschiedene Formen von Sicherheit und Unsicherheit, sagte er. Wegkommen will das jüngste Regierungsmitglied von der «politischen Statistikdiskussion». Es gebe einen Haufen Zahlen zur Sicherheitsentwicklung und je nachdem, welche Zahlen man nehme, könne man bestimmte Positionen unter- oder widerlegen. «Natürlich brauchen wir statistisches Material, aber nicht, um damit zu politisieren, sondern vielmehr, um zu entscheiden, was wir daraus machen – als Führungsinstrument der Polizei.»

Frauen und Migranten gesucht

Ein Problem für Dürr stellen die Vermögensdelikte dar, die vergangenes Jahr um 29 Prozent zugenommen haben – namentlich Einbrüche (plus 64 Prozent) und Raub (plus 23 Prozent). Der Schwerpunkt der Polizisten liegt derzeit deshalb bei Einbrüchen. Die Zahl der Verhaftungen sei stark gestiegen, so Dürr. Waren es letztes Jahr pro Woche im Schnitt 30 Verhaftungen, sind es derzeit wöchentlich 47. Ein Erfolg, der Probleme bringt. Regelmässig müssten Leute in den Polizeiposten untergebracht werden, da das Untersuchungsgefängnis Waaghof zu 120 Prozent überbelegt sei. Dringendster Handlunsbedarf sieht Dürr denn auch bei den Haftplätzen. So wurden im April drei Militärarrestzellen umgenutzt (6 Plätze), eine weitere Station mit neun Plätzen soll ab 2014 folgen. Zudem steht ein Entscheid über einen zusätzlichen Ausbau um 23 Plätze im Waaghof kurz bevor.

Vor rund zwei Jahren beschloss die Regierung, den Polizeibestand um 45 zu erhöhen. Die ersten 14 Personen davon haben laut Dürr in diesen Tagen ihre Arbeit aufgenommen und werden bis auf Weiteres ihr Augenmerk ebenfalls auf Raub und Einbrüche legen. Bis 2015 müssen zudem jährlich rund 50 Polizisten rekrutiert werden, um die übliche Fluktuationen von Pensionierten aufzufangen. Im Visier hat er dabei vor allem Frauen und Migranten. «Ich finde es es sehr gut, dass wir einer der wenigen Kantone sind, die Migranten im Korps aufnehmen, und habe wenig Verständnis dafür, dass andere Kantone das nicht machen. Bei der Rekrutierung von Frauen und Migranten müssen wir vorwärtsmachen.»

Dürr machte sehr deutlich, dass ein weiterer Ausbau, wie ihn der Polizeibeamten-Verband und die SVP immer wieder fordern, für ihn nicht in Frage kommt. «Wir sind dazu operationell nicht in der Lage. Der Soll-Bestand soll nicht weiter ausgebaut werden, ehe wir nicht bewiesen haben, dass wir das Beste mit dem bestehenden Ausbau herausgeholt haben.»

Strafanzeigen sollen elektronisch möglich sein

Nach dem quantitativen Ausbau will Dürr eine qualitative Verbesserung sehen. Handlungsbedarf sieht er etwa bei der administrativen Arbeit der «Schugger». Er will, dass diese künftig 50 Prozent weniger Schreibarbeit erledigen müssen. «Es werden bei einem normalen Einbruch teilweise Aufsätze geschrieben. Das könnte man effizienter machen.» Zudem denkt Dürr über die Einführung einer elektronischen Strafanzeige nach. Überhaupt will er bis 2016, wenn die Kantonspolizei Basel-Stadt 200 Jahre alt wird, einen «Innovationssprung» sehen. Die Polizei soll wieder sichtbarer werden. Dazu gehört etwa das ambitiöse Ziel, dass bis 2014 jeder in der Bevölkerung wissen soll, welcher Polizist bei der Community Policing oder der Prävention für ein Anliegen zuständig ist.

«Erfolge sind an der Front zu erzielen. Wir müssen jeden Tag besser werden.» Dürr wiederholte diese Aussage immer wieder, auch nach dem offiziellen Teil der Medienkonferenz, ehe er nach Hause ging und sich seiner Wäschen widmete. Seinen halben Waschtag hat er vom Freitag auf den Donnerstagnachmittag verlegt.

Der Dürr sucht noch ein Bild

Im Büro von Baschi Dürr hängt immer noch kein Bild. In der Sammlung des Kunstkredites wurde er nicht fündig. Deshalb will er nun einen Nachwuchs-Wettbewerb zum Thema «Sicherheit – zwischen Staat, Gesellschaft und Gemeinschaft» ausschreiben. 10 000 Franken darf das Bild kosten. Natürlich nicht auf Staatskosten. «Das werde ich selber bezahlen», sagt er. 

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