Nur wenige Schweizer Besucher der Expo in Mailand benutzen die SBB-Extrazüge. Mit vier Zügen täglich haben die SBB die Nachfrage offenbar völlig überschätzt.
Um 6.13 Uhr verlässt der Expo-Extrazug den Bahnhof Basel. In der hochmodernen Komposition samt Speisewagen und 422 Sitzplätzen gibts Platz im Überfluss. Für Pendler ist der Extrazug nicht interessant, denn Bern lässt er – aus sogenannt fahrplantechnischen Zwängen – rechts liegen.
In Brig, wo der Zug 22 Minuten fahrplanmässig herumsteht, steigen nur wenige Fahrgäste zu und im Grenzort Domodossola verabschieden sich etliche Leute wieder, aber niemand steigt mehr ein. So kommt der schwach besetzte Zug mit rund 20 Minuten Verspätung an der Endstation «Rho Fiera Expo» nördlich von Mailand an.
SBB: «Nachfrage entspricht nicht den Erwartungen»
Ausser ab Basel verkehren Expo-Extrazüge auch ab Genf, ab Zürich sind es sogar zwei, insgesamt 1500 Sitzplätzen zusätzlich bieten die SBB täglich an. Wenn nicht – wie am letzten Samstag – Heerscharen von Alphornbläsern samt Instrumenten und Anhang den Zug in Beschlag nehmen, um in Mailand einen Weltrekord zu blasen, bleiben diese zu einem grossen Teil unbesetzt. Das zeigen die Belegungssymbole im SBB Online-Fahrplan.
Und das belegen auch die SBB: «Die Nachfrage war insbesondere in den ersten Expo-Monaten nicht den Erwartungen entsprechend. Inzwischen ist bei allen Zusatzzügen eine deutliche Belegungssteigerung festzustellen», sagt Sprecherin Franziska Frey. Genauer wollen sich die SBB zum Thema nicht äussern.
Neben den Extra-Zügen machen auch die normalen EC-Züge, die via Simplon nach Mailand verkehren, bei der Expo einen ausserordentlichen Halt. Sie sind deutlich schneller und besser ausgelastet – im Gegensatz zu den Extrazügen.
Der Unterschied zwischen dem alltäglichen Zug und der Extrafahrt: Die Auslastung im 6.13 Uhr Zug ist deutlich geringer als im üblichen Zug.
120’000 Franken pro Tag kosten die Extra-Züge
Die Kosten (Personal, Strom, Rollmaterial, Trassenbenützung) für einen (Extra-)Zug belaufen sich auf etwa 40 Franken pro Streckenkilometer, schätzt ein renommierter Bahn-Experte, der aber nicht zitiert werden will. Pro Zugpaar ergibt das Kosten von rund 30’000 Franken, für alle vier macht das 120’000 Franken – pro Tag nota bene.
Zu diesen und anderen Zahlen schweigen die SBB aus «unternehmenspolitischen Gründen». Sprecherin Frey sagt nur, man habe, um die Trassen reservieren zu können, die Fahrten anderthalb Jahre vor der Expo definitiv planen müssen. Dass der Plan aufging, klingt in dieser Antwort nicht mit.
Und was passiert mit dem Verlust?
Sechs Monate dauert die Expo. Für die vier Extra-Züge ergibt das Kosten in der Grössenordnung von 20 Millionen Franken. Wie viele der Passagiere nur wegen der Extra-Züge mit der Bahn zur Expo gefahren sind, lässt sich nicht sagen. Die effektiven Mehreinnahmen bleiben folglich ebenso schwer zu beziffern. Der Fehlbetrag dürfte aber angesichts der Belegung auf jeden Fall mehrere Millionen Franken betragen.
Auf die Frage, wie stark sich die italienische Seite am Defizit beteiligt, weicht SBB-Sprecherin Frey aus: «Wie auch im normalen EC-Verkehr zwischen der Schweiz und Italien üblich werden ebenfalls die Kosten und Erträge der Extrazüge nach definierten Schlüsseln zwischen SBB und Trenitalia aufgeteilt.»
Kurz nach 20 Uhr verlässt der Zug den Bahnhof bei der Mailänder Expo. Wie auf der Hinfahrt hat es nur wenige Passagiere und mit jedem Zwischenhalt werden es ein paar weniger. Als der Zug um 00.33 Uhr in Basel ankommt, steigt vielleicht ein Dutzend Leute aus dem Zug. Das letzte Tram oder der Bus ist für die meisten Passagiere schon abgefahren.
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Mehr zur Weltausstellung in Mailand lesen Sie in unserem Dossier zum Thema: Expo Milano.