Halbkantone auf Abwegen: Warum Baselland und Basel-Stadt auseinanderdriften

Vor einem Jahr beschworen Baselbieter und Basel-Städter die «vertiefte Partnerschaft». Heute stehen die Halbkantone vor einer tiefen Sinnkrise. Wie ist es dazu gekommen?

Zwischen den beiden Halbkantonen herrscht dicke Luft – dabei wirbeln die gemeinsamen Staatsverträge durcheinander.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Vor einem Jahr beschworen Baselbieter und Basel-Städter die «vertiefte Partnerschaft». Heute stehen die Halbkantone vor einer tiefen Sinnkrise. Wie ist es dazu gekommen?

Es gibt etwas, das die beiden Basel wie nichts anderes verbindet: verbrannte Leichen. Als eine der ersten interkantonalen Vereinbarungen wurde 1949 der «Vertrag über die Kremation von Leichen» abgeschlossen. Der Vertrag regelt, dass Verstorbene aus dem Baselbiet in der Stadt kremiert werden können.

Heute ist der Vertrag einer von über 90 finanzwirksamen Staatsverträgen, die Stadt und Land verbinden. Darunter sind Verträge, die den freien Eintritt von Baselbieter Schulklassen in den Zoo Basel gewährleisten oder den gemeinsamen Forstdienst sicherstellen – alles partnerschaftlich gut geregelt. 

Wenig von der Partnerschaft übrig

Nun kratzen Baselbieter Politiker an dieser Partnerschaft. Berauscht von einer euphorischen Protesthaltung attackierte der Landrat einen Grundpfeiler der städtisch-ländlichen Zusammenarbeit: den Universitätsvertrag. 

Die Stadt zeigt sich brüskiert. Damit hatte niemand gerechnet. Noch vor einem Jahr hiess das politische Motto «vertiefte Partnerschaft». Damals hatte die Baselbieter Bevölkerung die Initiative zur Fusionsprüfung abgelehnt. Die Alternative sei eine vertiefte Partnerschaft, die «weiter gehen soll, als die bisherigen Bemühungen», schrieb die Liestaler Regierung.

Von diesem Vorhaben ist nichts übrig geblieben. Im Gegenteil: Zwischen Stadt und Land tun sich Risse auf. Am deutlichsten zeigen sich diese in folgenden Punkten:

  • Universitätsvertrag: Im Zuge von Sparmassnahmen hat die Baselbieter Regierung angekündigt, den jährlichen Beitrag an die Universität Basel um 25 Millionen Franken zu kürzen. Die beiden Regierungen müssen deshalb die Beiträge neu verhandeln. Sofern sie zu keinem Ergebnis kommen, könnte der Vertrag von Baselland gekündigt werden. Das würde dazu führen, dass die Universität liquidiert und deren Besitztümer aufgeteilt werden – das Ende der Universität, wie wir sie kennen.
     
  • Spitalplanung: Seit Jahren ringen die beiden Halbkantone um eine gemeinsame Spitalplanung. Die Gesundheitskosten in Baselland steigen dramatisch, Abhilfe könnte eine gemeinsame Spitalgruppe mit Basel-Stadt schaffen. Nun knüpft Basel-Stadt die Verhandlungen über den Universitätsvertrag an die Spitalplanung. Die städtische Regierung will erst eine gemeinsame Spitalgruppe beschliessen, «wenn eine Trägerschaft der Universität paritätisch und mit nachhaltiger Finanzierung gesichert ist».
     
  • Kulturvertrag: Gespart wird auch bei der Kulturförderung. Und zwar verhältnismässig heftig. So will die Baselbieter Regierung den Gesamtbetrag aus dem Kulturvertrag, über den die kulturellen Zentrumsleistungen in der Stadt mitfinanziert werden, von heute knapp 10 auf 5 Millionen Franken halbieren. Für viele der 16 betroffenen Kulturinstitutionen würde dies das Aus bedeuten.
     
  • U-Abo: Der Tarifverbund Nordwestschweiz ist eine wesentliche Errungenschaft der städtisch-ländlichen Zusammenarbeit. Damit wurde das U-Abo möglich gemacht. Nun stellt die Baselbieter Regierung das U-Abo in Frage, indem etwa 15 Millionen Franken pro Jahr gekürzt werden sollen. Baselbieter müssten so mehr für den öffentlichen Verkehr bezahlen, was die Kooperation mit Basel-Stadt gefährdet.
     
  • Lehrplan 21: Hier isoliert sich Baselland, indem der neue Lehrplan nur mit Vorbehalten umgesetzt werden soll. Der Landrat will den Unterricht in Sammelfächern (zum Beispiel: «Räume, Zeiten, Gesellschaften») verhindern. Im Februar entscheidet die Baselbieter Stimmbevölkerung darüber. Mit einem Ja begäbe sich der Landkanton auf eine «Bildungsinsel». In Basel-Stadt wird derweil bereits in Sammelfächern unterrichtet, in Solothurn und Aargau ist die Umsetzung noch unklar.

Der Landrat ist mehrheitlich beseelt von der Überzeugung, dass diese Problemfelder bereinigt werden können. Von Krise oder Isolation ist keine Rede. Der Präsident der SVP Baselland, Oskar Kämpfer, sagt, es seien ganz normale Verhandlungen zwischen zwei Partnern: «Die Kooperation mit Basel-Stadt ist wichtig, aber auch andere Partner wie Solothurn oder Aargau sind für uns zentral.»

Aus der linken Ratshälfte klingt es anders. Dort breitet sich Unbehagen aus. Die Gefahr einer Entfremdung zwischen den beiden Kantonen sei gross, sagt Regula Meschberger, Co-Präsidentin der SP Baselland. «Dass die beiden Halbkantone auf Distanz gehen – diese Tendenz hat sich in den letzten Monaten verstärkt.»

Streit war nicht absehbar

Zwei Dinge spielten dabei eine entscheidende Rolle: die Wahlen im vergangenen Februar und die Sparmassnahmen der Regierung.

Am 8. Februar rückten die Regierung und der Landrat nach rechts. Und im Juli gab die Liestaler Regierung umfassende Sparmassnahmen bekannt. Der Landkanton will bis 2019 insgesamt rund 190 Millionen Franken sparen. Es verwundert nicht, dass dabei Bruchstellen entstehen, ein derartiger Streit zwischen Stadt und Land war jedoch nicht absehbar.

Einst Vernetzung, heute Abschottung

Es war vielmehr zu erwarten, dass sich die Halbkantone nach der abgelehnten Fusion näherkommen. So war es schon einmal geschehen, als Baselland und Basel-Stadt 1969 über die Wiedervereinigung abstimmten. Auch damals sagte Baselland deutlich Nein, im Nachgang der Abstimmung wurde jedoch die Partnerschaft aufgegleist, die die Halbkantone bis heute verbindet. 1975 kam der Universitätsvertrag zustande, 1978 der Tarifverbund und 1997 der Kulturvertrag. «Nach der Ablehnung der Wiedervereinigung kam die Partnerschaft erst in Schwung, heute geschieht das Gegenteil», sagt Meschberger.

Der Unterschied zwischen 1969 und heute sei die wirtschaftliche Situation, erklärt Klaus Kirchmayr, Initiator der Fusionsprüfung. «Damals waren wir in einer Boom-Phase, der globale Trend ging hin zu Vernetzung, Austausch über Grenzen hinweg. Heute stagniert die Wirtschaft im Baselland, der Trend geht hin zur Abschottung.»

Leichen wieder selbst verbrennen

So vollzieht sich im Baselbiet, was auch in der Schweiz, in Europa geschieht: In Krisenzeiten werden Mauern hochgezogen. Die Beteiligten igeln sich ein, statt gemeinsame Lösungen zu finden. Ganz nach der Devise: Lieber alleine, unabhängig untergehen, als den Partner um Hilfe bitten.

Eine Partnerschaft, die höhere Bildung ermöglicht, den Verkehr erleichtert und unzählige Bereiche vereinfacht, bleibt dabei auf der Strecke. Und am Ende muss Baselland seine Leichen selbst verbrennen.

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