Die Schlossgeister geweckt

Ex-Regierungsräte mischen sich selten ein. Im Kampf um die Schlösser Bottmingen und Wildenstein treten sie fast alle an – gegen die amtierende Regierung.

Blick vom Turm des Schlosses auf den Gutshof (Bild: Nils Fisch)

Ex-Regierungsräte mischen sich selten ein. Im Kampf um die Schlösser Bottmingen und Wildenstein treten sie fast alle an – gegen die amtierende Regierung.

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz: Wer aus der Baselbieter Exekutive ausscheidet, mischt sich nicht in Geschäfte der amtierenden Regierung ein. Öffentlich seine Nachfolger zu kritisieren, gilt eigentlich als unanständig. Dabei ist es nicht so, dass die amtierende ­Regierung den Kontakt zu den Vorgängern scheut – doch zum jährlichen ­gemeinsamen Essen erschienen im Dezember 2012 nur gerade zwei der zehn Pensionäre: Paul Nyffeler und Hans Fünfschilling.

Natürlich hatten die Abwesenden ihre Gründe, weshalb sie dem Mittagessen fern blieben. Bei offenem Mikro­fon will auch keiner sagen, dass er das Treffen vermied, weil der Haussegen zwischen Amtierenden und Ehemaligen schief hängt. Doch die Lust der meisten, sich in ungezwungener Atmosphäre mit den Amtsinhabern auszutauschen, hielt sich in engen Grenzen. Andere Termine waren ihnen wichtiger. Kommt hinzu, dass gleichentags der langjährige CVP-Regierungsrat Clemens Stöckli zu Grabe getragen wurde.

«Der Kanton will sein wertvollstes Kulturgut verscherbeln. Ein Stück Baselbieter Geschichte geht damit verloren.»
Ex-Regierungsrat Paul Jenni

Vor allem aber sind sich die beiden Gruppen derzeit alles andere als grün. Denn die Ehemaligen haben das ungeschriebene Gesetz gebrochen: In ­einer nie dagewesenen Phalanx treten sie an gegen die amtierende Regierung. Erich Straumann (SVP), Elsbeth Schneider (CVP), Paul Nyffeler (FDP), Peter Schmid, Eduard Belser und Paul Jenni (alle SP): Gemeinsam wollen sie verhindern, dass der Kanton die beiden Kulturgüter Schloss Bottmingen und Schloss Wildenstein aus der Hand gibt, sein «Tafelsilber verscherbelt».

Von zehn ehemaligen Regierungsräten wollen sich nur die beiden Freisinnigen Andreas Koellreuter und Hans Fünfschilling sowie der abgewählte Jörg Krähenbühl (SVP) nicht öffentlich äussern. Und Werner Spitteler (SVP) weilt irgendwo schlecht erreichbar im fernen Afrika.

«Es ist nicht nötig, Tafel­silber zu verkaufen. Die Ausgaben für Schloss Bottmingen und Wildenstein sind ein Pappenstiel.»
Ex-Regierungsrat Paul Nyffeler

Die andern kämpfen mit vereinten Kräften und einer Initiative gegen das, was von einem Verkaufsgeschäft aus dem «Entlastungspaket» übriggeblieben ist: Der Kanton soll zwei seiner drei Schlösser aufgeben und damit Unterhaltskosten von einigen Hunderttausend Franken jährlich sparen.

Dabei ist der radikale Vorschlag der Regierung, die beiden Schlösser ganz einfach zu verkaufen, zwischen politischen Bedenken, rechtlichen Sachzwängen und dem Termindruck zweier potenzieller Interessenten zu einem komplexen Konstrukt degeneriert, über das am 3. März als Gegenvorschlag zur Initiative abgestimmt werden muss. Er richtet nach Ansicht der Gegner gar noch mehr Schaden an als ein Verkauf.

«Fehlt nur noch, dass die Regierung auf die Idee kommt, wir bräuchten auch das Schloss Ebenrain nicht mehr.»
Ex-Regierungsrat Erich Straumann

Denn darin wird für Bottmingen keine und für Wildenstein eine umso konkretere «Lösung» präsentiert, die das einmalige Ensemble aus Schloss, Landgut und geschütztem Eichenhain zu zerreissen droht. Während das Schloss in eine von der Kantonalbank zu ihrem Jubiläum gegründeten Stiftung mit zehn Millionen Franken eingebracht würde, müsste das Landgut samt den Eichen, von denen einige noch vor der Entdeckung Amerikas gepflanzt wurden, an die Christoph Merian Stiftung verkauft werden. ­Dabei schlossen beide Partner von Anfang an eine Beteiligung am jeweils anderen Teil kategorisch aus.

Die vermeintlich rein buchhalterische Transaktion Wildensteins wird damit nicht nur für jene Akteure im Initiativkomitee zum Frevel, die sich vor noch nicht einmal zwanzig Jahren an vorderster Front für den Kauf und damit den Schutz des kulturhistorischen Kleinods eingesetzt hatten.

«In der jetzigen Regierung zählt wenig, was über den Tag hinaus geht. Die Schlösser sollen in öffent­licher Hand bleiben.»
Ex-Regierungsrat Peter Schmid

Denn viele davon hat der Staat nicht aufzuweisen: Von den rund dreihundert Gebäuden in Kantonsbesitz sind le­dig­lich 23 als Kulturdenkmäler einzustufen, und unter diesen finden sich gerade mal drei Schlösser: Neben der Höhenburg Wildenstein und dem Wasserschloss Bottmingen besitzt der Kanton als Vorzeigeobjekt einzig den Landsitz Ebenrain in Sissach.

Diesen hat der Kanton ebenso wie das Bottminger Schloss in einer Zeit gekauft, als das kulturelle Erbe trotz wirtschaftlich heikler Lage hoch im Kurs stand. Der Übernahme des Ebenrains stimmte der Landrat 1951 einstimmig, derjenigen von Schloss Bottmingen 1957 ohne Gegenstimme zu. Bedenken über die Folgekosten gab es gemäss Protokoll schon ­damals, sie wurden aber angesichts der historischen Bedeutung der Objekte von den Mahnern selbst hintangestellt. Pragmatischer argumentierte das Parlament 1994, als der Kanton unter Baudirektor Eduard Belser Schloss und Landgut Wildenstein kaufte. Die Rede war damals von einer «einmaligen Chance», «einem beeindruckenden Kulturgut» und einer «Angelegenheit von Herz und Verstand».

«Ich habe mich nie mehr eingemischt. Aber hier geht es um Herzblut und darum, etwas kommenden Generationen zu erhalten.»
Ex-Regierungsrätin Elsbeth Schneide

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Das ist sie für all die abgetretenen Regierungsräte geblieben, und nach deren Angaben für viele eingefleischte Baselbieter mit historischem Interesse auch. Das scheint die amtierende Regierung nicht zu begreifen.

Und umgekehrt: «Ich verstehe nicht, was die ganze Übung soll. Wir wären nie auf die Idee gekommen, Bottmingen und Wildenstein zur Disposition zu stellen», sagt etwa alt Regierungsrat Peter Schmid. Es geht um mehr als Tagespolitik, es geht um eine Grundhaltung, ein völlig anderes Selbstverständnis der Ehemaligen: Für sie gehörte das Bewahren eines kulturhistorischen Erbes genauso zu den Aufgaben des Kantons wie das Tagesgeschäft.

«Wie sollen wir Kultur unterstützen, wenn uns nicht einmal die Schlösser Bottmingen und Wildenstein etwas wert sind?»
Ex-Regierungsrat Eduard Belser

Dass sich daran nichts geändert habe, wurden auch die Landratsmitglieder nicht müde zu betonen, die im Dezember der Regierung mit dem Wildenstein-Split als Gegenvorschlag zur ­Initiative zustimmten. Dennoch ver­passte der Antrag die 4/5-Mehrheit, welche einen Urnengang noch hätte verhindern können. Jetzt muss sich die Regierung in einem Abstimmungskampf mit einer formidablen Gegnerschaft messen, die ihr punkto Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung mindestens das Wasser reichen kann und nicht nur das Dossier, sondern vor allem auch dessen Vorgeschichte aus dem Effeff kennt.

Dass darob in der Verwaltung in Liestal die Rede von den «Schlossgeistern» die Runde machen soll, welche die Vergangenheit nicht ruhen lassen können, wie es die «bz» kolportierte – das dürfte der Teilnehmerzahl am nächsten Regierungsratsessen im Dezember 2013 nicht zuträglich sein.

Quellen

Protokolle der Landratssitzungen zum Kauf des Ebenrain, 1951

Protokolle der Landratsentscheidung zum Kauf von Schloss Bottmingen, 1957

Protokoll der Landratssitzung zum Kauf des Schlosses Wildenstein, Mai 1994 (PDF)

Protokoll der landratssitzung vom 13. Dezember 2012 zum Gegenvorschlag zur Schloss-Initiative (PDF)

Freunde Schloss Wildenstein

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18.01.13

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