Die Städte treiben die Cannabis-Legalisierung voran

Vier Schweizer Städte wollen auf nationaler Ebene das Gras-Verbot lockern. Das ist sogar realistisch und wäre der Befreiungsschlag in einer politischen Patt-Situation.

Die Städte Genf, Basel, Zürich und Bern arbeiten an einem Konzept, mit dem das Kiffen in bestimmten «Associetés» kontrolliert erlaubt sein soll. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Vier Schweizer Städte wollen auf nationaler Ebene das Gras-Verbot lockern. Das ist sogar realistisch und wäre der Befreiungsschlag in einer politischen Patt-Situation.

Gras bewegt: Das Freiheitspodium zur Drogenliberalisierung, einer Debattenreihe liberaler Geister aus der Kleinbasler FDP, war bis auf den letzten Stuhl besetzt. Trotzdem gingen bestenfalls drei Hände hoch, als in den Raum gefragt wurde, wer heute noch kifft. 

Als Jurist, Politiker oder Chefbeamter outet man sich besser nicht als Jointdreher. Kiffen ist kriminalisiert und wird von der Polizei verfolgt. Auch das Volk weiss man als Hanffreund gegen sich: 2008 bejahten zwei Drittel des Schweizer Stimmvolks das teilrevididerte Betäubungsmittelgesetz und lehnten ein Referendum dagegen ab. Damit zementierte die Schweiz den Status quo: Kiffen ist illegal.

Cannabis-Clubs

Doch in den letzten Wochen ist Bewegung in die Legalisierungsdebatte gekommen. Die Städte Genf, Basel, Zürich und Bern arbeiten an einem Konzept, mit dem das Kiffen in bestimmten «Associetés» – also in einer Art Cannabis-Vereinigung – kontrolliert erlaubt sein soll.

Die treibende Kraft dabei ist die Stadt Genf. Das Unterfangen geht in dieselbe Richtung, in die auch die Basler SP-Grossrätin Tanja Soland mit ihrem Anzug «Pilotversuch zum kontrollierten Verkauf von Cannabis» zielt. Ähnliche Vorstösse gibt es im Berner Stadtparlament.

Drei Möglichkeiten – und Änderung tut not

Grundsätzlich stehen in der Lösung der nationalen Cannabis-Frage drei Möglichkeiten zur Auswahl:

  1. Keine Legalisierung. Alles bleibt beim Alten und der Konsum von Cannabis nach Betäubungsmittelgesetz verboten. Der Status quo bleibt gewahrt.
  2. Landesweite Legalisierung: Das Betäubungsmittelgesetz wird angepasst und der Konsum von Cannabis explizit legal. Das erfordert einen gesetzgeberischen Prozess und muss über die eidgenössischen Räte (Bundesrat, Nationalrat, Ständerat) erfolgen.
  3. Sonderregelung für die Städte: Basel, Genf, Zürich und Bern haben sich bereits kurzgeschlossen, um ein Konzept für den kontrollierten Konsum von Cannabis zu präsentieren. Wird das Konzept umfassend beim Bundesamt für Gesundheit eingereicht, könnte das BAG eine Sonderbewilligung für die Durchführung erteilen. Damit wäre der Cannabis-Konsum unter bestimmten Bedingungen erlaubt.

Soll nicht alles beim Alten bleiben, wäre die Anpassung des Betäubungsmittelgesetzes die «sauberste Lösung», wie Philipp Waibel vom Basler Gesundheitsdepartement sagt. Bei Waibels Abteilung Gesundheitsdienste liegt derzeit auch der Anzug von Tanja Soland, den das Parlament vergangene Woche immer noch nicht abschreiben wollte.

Basler Regierung würde «eine Liberalisierung begrüssen»

Die Position einer nationalen Gesetzesrevision vertritt auch die Basler Regierung. Die Regierung bezog in ihrer Antwort auf Solands Vorstoss klar Stellung für eine Liberalisierung:

«Die Forderung einer Regulierung der Cannabis-Abgabe sollte indessen auf Bundesebene und im Rahmen des Betäubungsmittelgesetzes entschieden werden. Der Regierungsrat würde in diesem Rahmen eine Liberalisierung begrüssen.» (Auszug aus der Antwort des Regierungsrats vom 9. Dezember 2014).

Die Anpassung des Betäubungsmittelgesetzes dürfte allerdings schwierig werden; der nationale Stadt-Land-Graben in der Cannabis-Frage ist nach wie vor ausgeprägt. So war auch der Kanton Bern bereits gespalten: Wollte die Stadt Bern in Richtung Cannabis-Legalisierung etwas unternehmen, blockierte der überwiegend ländlich geprägte Kanton im Parlament das Unterfangen.

Die Gesetzesanpassung wäre also ein sehr langer Weg. Bei den Positionen von Stadt (tendenziell pro) und Land (contra) ist eine Liberalisierung auf dem parlamentarischen Weg kaum möglich. Eine Vorlage würde in den eidgenössischen Räten noch während Jahren durchfallen.

Bundesamt für Gesundheit wartet auf Konzept der Städte

Also behelfen sich die Städte anders. Genf erwog bereits, sogenannte Social Clubs für den kontrollierten Verkauf und Konsum zu schaffen. Das Projekt erhielt viel Öffentlichkeit, wird aber vom BAG noch nicht qualifiziert. Aus dem einen schlichten Grund: «Dem BAG liegt kein detailliertes Konzept des Kantons Genf vor», wie Sprecherin Catherine Cossy auf Anfrage schreibt. 

Weiter teilt das BAG mit: «Die Projektskizze nach dem Vorbild der Cannabis Social Clubs von Spanien lässt in der dem BAG vorliegenden Version keine abschliessende Beurteilung der Gesetzeskonformität zu, nach bisherigem Kenntnisstand ist diese jedoch nicht gegeben.»

Arbeitsgruppe der Städte treibt Sonderregelung voran

Düster sieht es deswegen nicht aus, wie die «Basellandschaftliche Zeitung» schreibt – im Gegenteil. Denn die Städte treiben das Projekt unter der Federführung von Genf weiter voran. Hat das BAG erst ein entsprechendes Konzept vorliegen, kann das Bundesamt tatsächlich ein Präjudiz schaffen und den Weg für eine Teil-Liberalisierung ebnen.

Die Arbeitsgruppe der Städte arbeitet deshalb weiter an diesem Modellkonzept, das dem BAG unterbreitet werden soll. «Das geht aber nicht von heute auf morgen. Zu viele Fragen sind noch unbeantwortet», sagt Waibel. Wenn die Arbeitsgruppe der Städte Aussicht auf Erfolg haben will, muss sie ein gemeinsames Konzept entwickeln, das auch von den kantonalen und städtischen Entscheidungsträgern mitgetragen wird. 

Noch zwei bis drei intensive Jahre

Entsprechend gibt es auch kein kategorisches Nein seitens des BAG: «Ob ein Spielraum besteht, lässt sich, solange kein detailliertes Konzept vorliegt, nicht abschliessend beantworten», schreibt BAG-Sprecherin Cossy der TagesWoche. Übersetzt heisst das: Bringen die Städte ein tragfähiges Konzept, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass der Bund grünes Licht für eine Sonderregelung gibt. 

Aber auch Waibel lässt sich nicht tiefer in die Karten blicken: «In den nächsten drei Jahren wird sich noch vieles abspielen.» Etwa so lange bleibt auch der Anzug von Tanja Soland hängig. Die nächste Antwort der Regierung muss innert einer Frist von zwei Jahren erfolgen.

Beim Druck, den die Städte derzeit aufbauen, ist es allerdings gut möglich, dass die Beantwortung der Cannabis-Frage anders ausfallen wird als heute – und der Anzug zur Zufriedenheit der Antragstellerin endlich abgeschrieben wird.

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