Die SVP kämpft für die Sprache – und mit ihr

In Basel soll nur noch eingebürgert werden, wer sehr gut Deutsch kann. Das fordert die SVP, die Partei der vielen Sprachartisten. Eine nicht ganz ernste Vorschau auf die Abstimmung vom 27. November über die Sprachinitiative.

In Basel soll nur noch eingebürgert werden, wer sehr gut Deutsch kann. Das fordert die SVP, die Partei der vielen Sprachartisten. Eine nicht ganz ernste Vorschau auf die Abstimmung vom 27. November über die Sprachinitiative.

SVP-Politiker werden gerne als Kulturmuffel hingestellt. Oder – noch schlimmer: als Kulturfeinde. Zu Unrecht, wie die Basler SVP nun ein für allemal beweist. Mit ihrer Sprach­initiative will die Partei erreichen, dass Ausländer nur noch eingebürgert werden, wenn sie zumindest das Sprachniveau B2 erreichen. Damit müssten sie unter anderem auch «zeitgenössische literarische Texte verstehen», wie die SVP in den Erläuterungen zur Initiative klarstellt. Das sei nötig, weil die eingebürgerten Schweizer auch öffentliche Ämter im Grossen Rat oder in der Regierung übernehmen könnten.

Nun kann man natürlich einwenden, ein Staatslenker konzentriere sich lieber aufs Wesentliche, auf Ausländerkriminalität, Kampfjets und Bankenrettungen, statt sich mit Literatur abzugeben. Sonst wird er im ganzen Polittheater noch vollends stigelisinnig.

Wenn Politik und Poesie verschmelzen

Ein Einwand, den man ernst nehmen muss. Allerdings gab es auch im Schweizer Parlament schon einzelne Sternstunden, die zeigten, wie wundervoll es sein kann, wenn Politik und Poesie zur Einheit verschmelzen. In der Debatte um den Wolf zum Beispiel. «Er muss abgeknallt werden», hätte SVP-Nationalrat Oskar Freysinger damals ganz einfach sagen und damit bei seiner Walliser Stammwählerschaft bereits einen Volltreffer landen können. Päng!

Doch das reichte ihm nicht. Freysinger wollte auch bei schöngeistigen Schwärmern punkten. Also dichtete er: «Man schob vom Green den Wolf, er spielte sehr schlecht Golf, darum riss er bald zur Strafe, im ganzen Lande Schafe…» Es waren ergreifende Worte, die er von sich gab. Worte, die auch noch beim grössten Schaf im Wolfspelz einen Jagdinstinkt wecken mussten.

Doch bei aller Schwärmerei für die SVP und ihre literarischen Knaller darf nicht verschwiegen werden, dass auch bei dieser Partei nicht immer alles ganz B2 ist. Der abgewählte St. Galler Nationalrat Elmar Bigger etwa ist ein Politiker, der schon mal Mühe hat, die «Hauptinhalte komplexer Texte und Aussagen zu konkreten und abstrakten Themen zu verstehen», wie es auf diesem Sprachniveau verlangt wird.

«Why muss we take in charge the criminal foreigner?»

Bei der Diskussion um die Volksinitiative Jugend und Musik beispielsweise kam Bigger alles ganz Spanisch vor. «Ich weiss, dass es das Dümmste ist, wenn ich Ihnen eine Frage stelle. Musik ist Kultur. Was für Musik ist Kultur, Musik in Englisch oder in der Muttersprache? Diese Frage möchte ich beantwortet haben», sagte er damals. Wahrscheinlich hätte er es tatsächlich lieber sein lassen. Denn die Antwort wird ihn nur noch mehr verwirrt haben: Kultur sei alles, was die Menschen zusammenbringe. Also nicht nur Hudigägeler, sondern auch Musik aus dem englischsprachigen Raum. Ja, sogar Jazz und so verrückte Dinge.

Fast verrückter ist nur, dass es selbst auf der Facebook-Seite der schweizerischsten aller Schweizer Parteien, also der SVP, schon erste Einträge auf Englisch gibt. «Sorry if I write in English it’s because mine Deutsch is horrible. Seriously why muss we take in charge the criminal foreigner ?! (…) It seems logical that they muss go back in them own country!», schreibt dort Nicolas B.

Kein generelles Sprachproblem

Das wird die ewigen SVP-Gegner wahrscheinlich freuen. Siehst du, werden sie sagen, von den einbürgerungswilligen Ausländern verlangen die SVPler einwandfreies Deutsch, selber haben sie aber Mühe damit. Doch Vorsicht! Den SVP-Freunden ein generelles Sprachproblem anzudichten, wäre bös. Bei den meisten wird einem bald klar, was sie sagen wollten; das Gleiche wie die Parteispitze, grammatikalisch ein wenig eigenwilliger ausgedrückt (auf der Strasse «jeden tag gewalt taten durch balkanesen» und in Medien nur «linke schweis­se gegen svp»).

Um bei B2 durchzukommen, müsste der eine oder andere wahrscheinlich schon auch noch etwas Glück in Anspruch nehmen. Mike K. zum Beispiel, der sich in einem Beitrag direkt an einen Türken wendet und ihn fragt: «Warum gehst du nicht in Dein Heimatland zurück und bekämpfst: 1) Ehrenmord, Gleichberichtigung zwischen Mann und Frau, Zwangsheirat, Mensch­recht etc.»

So schlimm wie Ehrenmord?

Momoll, eine interessante Aussage. Im Rahmen eines Einbürgerungsverfahrens wäre sie sogar sehr interessant. Nicht nur aus sprachlichen Gründen. Sondern auch inhaltlich. Soll einer tatsächlich Schweizer werden, der Gleichberichtigung von Mann und Frau, Menschrecht oder wie das auch immer heisst mit Ehrenmord gleichsetzt? Diese Frage müssten sich die Schweizermacher wohl stellen. Zumindest die SVP wäre in diesen Punkten wohl etwas grosszügiger. Hauptsache, die Sprache ist B2.

Quellen

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18/11/11

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