Die ungewöhnlichste Pressekonferenz der Welt

Eine Pressekonferenz ohne Presse, dafür mit Politikern im Pyjama und Politikerinnen im Negligé: Das sind die neusten Waffen im Kampf gegen die 24-Stunden-Gesellschaft.

So in etwa könnte sie aussehen: die weltweit erste spätabendliche Pressekonferenz ohne Presse. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Eine Pressekonferenz ohne Presse, dafür mit Politikern im Pyjama und Politikerinnen im Negligé: Das sind die neusten Waffen im Kampf gegen die 24-Stunden-Gesellschaft und das neue Arbeitsgesetz.

Das regionale Komitee gegen den 24-Stunden-Arbeitstag lanciert den Abstimmungskampf gegen die Änderung des Arbeitsgesetzes mit einem speziellen Anlass: Einer Pressekonferenz am Sonntagabend um 21.30 vor dem Stücki-Areal in Basel in so genannt passender Kleidung. Was soll das? Wir fragten nach beim Organisator Patrick Dubach von der Gewerkschaft Unia.

Herr Dubach, dieser Termin ist recht kurios. Wir vermuten, dass Sie die weltweit wahrscheinlich erste Pressekonferenz veranstalten, bei der die Presse gar nicht erwünscht ist.

Das ist jetzt vielleicht etwas überspitzt ausgedrückt. Aber es ist schon so: Dieser Anlass ist für uns ein interessanter Test. Wenn nicht einmal Journalisten unsere Einladung wahrnehmen, zeigt das deutlich, wie unbeliebt und unsinnig es ist, rund um die Uhr zu arbeiten. Wenn also niemand kommt, sind wir nicht unglücklich!

In diesem Fall werden Sie sagen: Wenn nicht einmal die Journalisten, die sich Vieles gewohnt sind, so spät noch arbeiten wollen, kann man das auch sonst niemandem zumuten.

Genau – wobei es allerdings einen grossen Unterschied gibt: Bei Journalisten überlegen sich die Arbeitgeber ganz genau, ob sich Überstunden lohnen. Ganz anders bei Verkäuferinnen und Verkäufern. Die lässt man einfach immer länger arbeiten, ohne dass sie anständig dafür bezahlt werden.

Ich habe auch schon das eine oder andere Mal spätabends noch gearbeitet, ohne dass ich dafür speziell entlohnt würde. Sollte Ihre Gewerkschaft nicht vielleicht auch mir helfen?

Ich weiss, ich weiss: auch die Journalisten haben keine perfekten Arbeitsbedingungen. Aber da sind sie bei uns an der falschen Adresse. Da wenden Sie sich besser an Gewerkschaften wie Syndicom, die übrigens auch schon viel erreicht haben. Darum erhalten Journalisten wenigstens auch einen halbwegs fairen Lohn.

Ich kenne den einen oder anderen in unserer Branche, der das etwas anders beurteilt.

Wenn Sie mir einen ausgebildeten Journi zeigen, der zwischen 3’300 und 3’900 Franken verdient, dann gute Nacht. Im Detailhandel ist das allerdings üblich.

Ihre Pressekonferenz findet um 21.30 Uhr statt. Ein, zwei Stunden später haben die Zeitungen Redaktionsschluss. Da werden ein paar Arbeitnehmer erheblich in Zeitdruck geraten – ausgerechnet wegen Ihnen, einem Gewerkschafter.

Tja, so läuft das eben, wenn sich die Turboliberalisierer mehr und mehr durchsetzen. Dann wird der Stress immer grösser – für alle.

Tischen Sie wenigstens einen Apéro auf? Gerade von älteren Kollegen mit etwas Stil wird das noch sehr geschätzt.

Ein Mitternachtshäppchen wird es zwar nicht geben, aber dafür ein Geschenk: eine schöne, weisse Schlafmütze

Wir Journalisten – alles Schlafmützen. Es wird ja immer besser!

So ist das keinesfalls gemeint. Ich schätze die Journalisten und ihre Arbeit sehr. Mit dem Präsent möchten wir ihnen einfach eine kleine Freude machen, die zur späten Stunde passt.

Dafür müssen sich lange Reden anhören. Sie haben nicht weniger als neun Referenten aufgeboten. Und von diesen sind auch nicht unbedingt alle dafür bekannt, sich kurz zu fassen.

Ich weiss, was sie meinen. Aber die Redezeit ist auf drei Minuten limitiert.

Und daran werden sich alle neun halten?

Die meisten. Wobei ich mir bei der einen oder anderen Person schon meine Zweifel habe…

Schöne Aussichten.

Ja. Und ganz speziell ist, dass sich die Redner auch noch passend einkleiden werden. Zum Beispiel Frau Nationalrätin Leutenegger-Oberholzer. Ob sie dann im Pyjama, Morgenmantel oder gar Negligé kommt, das möchte ich nun wirklich ihr überlassen.

Bunderat Johann Schneider-Ammann hat sich – nicht in irgendeinem frivolen Kostüm, sondern im nüchternen Zweireiher – über das Arbeitsgesetz geäussert und die jetzige Regelung als «bizarr» bezeichnet, weil er nicht nachvollziehen kann, warum eine Tankstelle auch zwischen 1 und 5 Uhr morgens Benzin verkaufen und ein Bistro betreiben darf, die Waren im Shop aber abdecken muss.

Bizarr ist höchstens Schneider-Ammanns Argumentation. Wenn es den Tankstellenshops mit einem Ja am 22. September erlaubt wird, durchgehend ihre Waren zu verkaufen, wird es bald heissen: Ja, warum dürfen denn das nicht auch die kleinen Läden? Die Grünliberalen haben ja bereits eine entsprechende Forderung gestellt. Und irgendwann wird alles offen sein, Tag für Tag, 24 Stunden – auch die grossen Läden. Alles weitere dazu aber am Sonntagabend. Darf ich mit ihnen rechnen?

Na ja, all die Politikerinnen und Politiker im Pyjama und Negligé – ich weiss nicht so ganz recht.


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