Einige US-Präsidenten stolperten in der zweiten Amtszeit über Fehler und Skandale. Wie wird Barack Obama die kommenden vier Jahre meistern? Die Chancen für Erfolge stehen für den neuen alten Präsidenten nicht schlecht.
Der eine musste frühzeitig seinen Platz räumen, weil er seine Kompetenzen deutlich überschritten und sein Amt missbraucht hatte (Richard D. Nixon). Ein anderer hatte Gelder aus geheimen Waffengeschäften zweckentfremdet und damit eine innen- wie aussenpolitische Krise ausgelöst (Ronald Reagan). Es gab einen, der eine Affäre mit seiner Praktikantin hatte und am Ende beinahe durch ein Amtsenthebungsverfahren aus dem Weissen Haus geflogen wäre (Bill Clinton) und einen, der sich in den acht Jahren im Weissen Haus den Ruf eines dumpfen Cowboys und schlechten Krisenmanagers erarbeitet hatte, von der Finanzkrise mal ganz abgesehen (George W. Bush).
All diese ehemaligen US-Präsidenten stolperten in der zweiten Amtszeit. Ginge es nach dem Gesetz der Serie, dann sähe es auch für Barack Obama nicht sehr rosig aus.
Nach zwei Amtszeiten ist Schluss
Ohne den Druck einer bevorstehenden Wiederwahl verflacht der politische Enthusiasmus meist sowieso. Denn während sich die Politiker in ihrer ersten Amtszeit noch bemühen, einen (wieder-)wählenswerten und hochmotivierten Eindruck zu hinterlassen, ist das nicht mehr ganz so wichtig wenn eine dritte Amtszeit – und das per Gesetz, dank des 22. Verfassungszusatzes – gar nicht erst zur Debatte steht.
Der Begriff der «lahmen Ente» (engl. «lame duck») kommt da schnell auf. Ein Politiker also, der sich nicht mehr sonderlich anstrengt, der immer mehr an Macht und Bedeutung verliert, wenn der potenzielle Nachfolger schon in den Startlöchern steht.
Nun kann man nicht jedem Präsidenten vorwerfen, er hätte sich in seiner zweiten Amtszeit schon gedanklich zur Ruhe gesetzt. Ronald Reagan etwa schloss die international viel gelobten Verträge über die Rüstungskontrolle zwischen der Sowjetunion und den USA erst nach seiner Wiederwahl. Oder Bill Clinton konnte in seiner zweiten Amtszeit zum ersten Mal seit 30 Jahren einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren und damit einen der wenigen innenpolitischen Siege feiern.
Fatale Fehler
Nicht alle US-Präsidenten also haben in ihrer zweiten Amtszeit versagt – und dennoch gibt es über fast jeden etwa zu sagen, das den Eindruck verstärkt, es läge ein Fluch über den vier Jahren nach der Wiederwahl. Ein gutes Beispiel ist der Republikaner Richard D. Nixon, im Jahr 1969 zum 37. Präsidenten der USA gewählt. Auch die Wiederwahl im Herbst 1972 gewann er. Knapp zwei Jahre später musste er aber aber seinen Rücktritt bekanntgeben – als bisher einziger Präsident in der Geschichte des Landes. Grund war die Watergate-Affäre. Um seine Chancen für eine zweite Amtszeit zu steigern, hatte Nixon in die Wahlkampfzentrale der Demokraten im Watergate-Gebäudekomplex in Washington einbrechen lassen, um dort Abhörwanzen zu installieren. Die Einbrecher wurden ertappt und nach langwierigen Ermittlungen des FBI wurde klar, dass dies nicht der einzige Amtsmissbrauch des Präsidenten und seines Teams war. Mit dem Rücktritt kam er einem Amtsenthebungsverfahren zuvor.
Auch sein Parteikollege Ronald Reagan hat sich wenige Jahre später nicht mit Ruhm bekleckert. Nach seiner triumphalen Wiederwahl im Jahr 1984 stolperte der Republikaner über die Iran-Contra-Affäre. Die US-Regierung hatte unter seiner Führung einen geheimen Waffendeal mit dem Iran geschlossen und die Erlöse dann rechtsgerichteten Konterrevolutionären in Nicaragua (Contras) zukommen lassen. Mit dem Geld sollten die Aufständischen die linksgerichtete Regierung bekämpfen. Damit verstiess die Regierung nicht nur gegen einen Beschluss des Kongresses, sondern wurde auch vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag für schuldig befunden.
Glücklicher Clinton
Oder Bill Clinton, einst beliebt wie kaum ein anderer Politiker im Land. Er fiel tief, nachdem seine sexuelle Beziehung zu einer Praktikantin im Weissen Haus ans Licht gekommen war. Clinton stritt die Affäre mit Monica Lewinsky anfangs zwar ab, musste sie unter dem Druck der Öffentlichkeit schliesslich aber doch eingestehen. Beinahe wäre er über das gegen ihn eingeleitete Amtsenthebungsverfahren gestürzt, bleib dann aber auf seinem Posten. Für viele Experten ist es immer noch ein Rätsel, wie er diese Krise politisch überleben konnte.
Und natürlich George W. Bush. Er drückte sich in seiner zweiten Amtszeit selbst den Stempel eines schlechten Krisenmanagers auf. Nach dem verheehrenden Hurrikan Katrina vor der Küste Louisianas im Jahr 2005 dauerte es Tage, bis die Hilfsmassnahmen anliefen. Bushs Regierung hatte die Lage komplett falsch eingeschätzt, die Entscheidungen kamen zu spät, waren ineffektiv und kosteten den Präsidenten viele Zustimmungspunkte. Dazu kamen die Immobilienblase, die weltweite Finanzkrise, die grossen Schulden des Landes – als Bush 2008 aus dem Amt ging hatte er einen Grossteil seiner Popularität verloren.
Die Gefahr besteht also, dass auch von Barack Obamas Politik am Ende nicht viel bleiben wird ausser dem grossen Enthusiasmus und der weltweiten Hoffnung nach seiner ersten Wahl 2008. Das kann passieren, wenn Obama – durch die Wiederwahl in seinem Selbstvertrauen und Machtbewusstsein gestärkt – agiert, als würden für ihn andere Gesetze gelten. Wenn er Widerstände ignoriert und das Land mit Überheblichkeit führt. Alles schon da gewesen.
Die zweite Amtszeit könnte ihm auch dabei helfen, etwas zu hinterlassen, was über die Geschichtsbücher hinaus von Belang ist.
Viel Ärger am Hals
Möglichkeiten dazu hätte der amtierende Präsident genug. Vielleicht bekommt er die desolate Haushaltslage der Vereinigten Staaten in den Griff und schafft in Bezug auf die Schuldenobergrenze und Steuererhöhungen eine echte Einigung mit den Republikanern. Oder aber er hilft dabei, den schleppenden Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern wieder in Gang zu bringen und die Lage im Nahen Osten zu stabilisieren.
Er könnte dafür sorgen, dass der Kongress endlich die für eine Reduzierung der Treibhausgase notwendigen Gesetze absegnet. Und dass die Waffengesetze in den USA so verschärft werden, dass Amokläufe schwieriger umzusetzen sein werden. Einen ersten Schhritt dazu hat der Präsident vergangene Woche getan, als er konkrete Pläne zur Eindämmung der Waffengewalt präsentierte.
Obama könnte eine Reform der Immigrationsgesetze auf den Weg bringen oder das Wahlsystem reformieren – und damit ein Vermächtnis hinterlassen, das grösser sein wird, als seine Niederlagen.
Zu lösende Aufgaben gibt es genug. Und die Ausgangslage für Obama ist nicht schlecht. Die politischen Gegner haben am Wahltag im vergangenen November ein ziemliches Debakel erlebt und sind geschwächt. Sie haben weitaus deutlicher verloren, als es die Umfragen und Wahlstrategen aus den eigenen Reihen vermutet hätten.
Der teuerste Wahlkampf in der Geschichte der USA hat den Republikanern am Ende vor allem eines gebracht: Einen angeknacksten Stolz und eine Mannschaft, die an den Folgen der Wahlschlappe und der inneren Zerissenheit in der Partei wohl noch eine Weile zu laborieren hat. Diese Schwäche seiner Gegner könnte der Präsident für sich und seine Vorhaben nutzen.