Das Volk wählt am 28. Oktober nicht nur eine neue Regierung, sondern auch ein neues Parlament. Was haben die Parteien in den vergangenen vier Jahren erreicht? Eine Bilanz.
Wer in diesen Tagen in Basel von den Wahlen spricht, meint meistens die Regierungsratswahlen. Kein Thema sind die drei bisherigen SP-Regierungsräte Eva Herzog, Hans-Peter Wessels und Christoph Brutschin. Und auch über Christoph Eymann (LDP) und Carlo Conti (CVP) redet man nicht. Sie alle gelten als wiedergewählt.
Aber: Wer wird den Sitz des scheidenden Sicherheitsdirektors Hanspeter Gass (FDP) erben? Und wer kann, falls überhaupt möglich, den verträumten Regierungspräsidenten Guy Morin (Grüne) vom Thron stossen? Glatzkopf Baschi Dürr (FDP)? Der sich plötzlich um die Sicherheit sorgende Christophe Haller? Einer der beiden gesitteten SVP-Männer Lorenz Nägelin und Patrick Hafner? Oder vielleicht der etwas jung wirkende und unterschätzte GLP-Kandidat Emmanuel Ullmann?
Dass am 28. Oktober auch noch das Parlament neu gewählt wird, geht im Lärm um die Regierungsratskandidaten unter. Zu Unrecht. Denn wichtiger als die Frage, ob Baschi Dürr mit Christophe Haller oder mit Guy Morin in der Regierung sitzt, sind die Machtverhältnisse im Grossen Rat. Zumal das letzte Wort zu einem Thema meistens das 100-köpfige Parlament hat (manchmal auch das Volk) – und nicht die Regierung.
Vieles hängt von der GLP ab
Insgesamt 507 Männer und 262 Frauen wollen von 2013 bis 2017 ins Basler Parlament. Die FDP, die LDP, die SP, das Grüne Bündnis und die CVP schicken je 99 Kandidaten ins Rennen. Erstmals nehmen die Piratenpartei und die BDP an den Grossratswahlen teil, im Wahlkreis Kleinbasel feiern die Listen «Für Basel» und «Freistaat Unteres Kleinbasel» Premiere, in Grossbasel West die Liste «Deine Wahl».
Das Durchschnittsalter der Kandidierenden beträgt 46 Jahre. Die grösste Berufsgruppe der Kandidierenden bilden Unternehmensberater, Anwälte und Treuhänder.
Derzeit besetzt die SP 32 Sitze im Grossen Rat, die SVP und das Grüne Bündnis je 14, die FDP 11. CVP und LDP kommen auf je 9 Sitze, die GLP auf 6 und EVP/DSP auf 5. Sie alle wollen nach den Wahlen in rund drei Wochen ihre Sitze mindestens halten – und im besten Falle ein paar dazugewinnen. Die FDP etwa strebt vier neue Grossratsmandate an, die SP ebenfalls.
Mit den jetzigen Machtverhältnissen sind weder die Rot-Grünen (zusammen 46 Sitze) noch die Bürgerlichen (insgesamt 43 Sitze) zufrieden. Grund dafür sind die Mitteparteien GLP und EVP, die seit rund vier Jahren das Zünglein an der Waage spielen und die grossen Parteien bei Sachgeschäften von ihnen abhängig machen. Allen voran scheinen die Grünliberalen ihre Machtposition zu geniessen.
FDP-Parteipräsident und Bald-Nationalrat Daniel Stolz sagte zum Wahlkampfstart: «Es braucht zum roten Block dringender denn je ein starkes Gegengewicht.» Denn die letzte Legislatur sei aus Sicht der FDP «im grossen Ganzen» zwar erfolgreich gewesen, viele Erfolge seien aber wegen den Mitteparteien wie der GLP brüchig und oft nur sehr knapp zustande gekommen.
Schwierig sei es mit den Grünliberalen, weil sie oft selbst innerhalb der Fraktion uneinig seien. Mühe mit der GLP haben auch die Sozialdemokraten: «Das Parlament ist bürgerlich dominiert. Damit ist es schwierig, Vorlagen im Grossen Rat durchzubringen», sagte Fraktionschefin Tanja Soland an einer Medienkonferenz.
Vorstösse im Fokus
Zu den wichtigsten Geschäften in den letzten vier Jahren im Parlament zählten die Auslagerung der Spitäler, das am Schuss vom Volk abgelehnte Ausländerstimmrecht, die Gegenvorschläge zur Familiengarten-Initiative und zur Städte-Initiative, die Parkraumbewirtschaftung oder der Beitritt zum Harmos-Konkordat.
Doch für was haben sich SP, SVP, FDP, LDP, GLP, CVP, EVP und das Grüne Bündnis sonst noch eingesetzt? Was haben sie abseits der grossen Regierungsratsvorlagen, bei denen Erfolg und Durchbruch meistens nur schwer einer Partei zugeordnet werden können, erreicht? Wo haben sie ihre Akzente gesetzt?
Die TagesWoche hat versucht, die Arbeit der acht Parteien in den vergangenen vier Jahren im Parlament unter die Lupe zu nehmen (siehe auch Seite 19). Keine einfache Aufgabe, gerade wenn man die grossen Geschäfte ausblendet.
Fokussiert haben wir uns hauptsächlich auf Initiativen und Vorstösse, die nun umgesetzt werden oder es noch werden sollen. Themen, die es in Basel nur gibt, weil sie aus der Küche der entsprechenden Parteien stammen. Ob sie gut oder schlecht sind, sei dahingestellt.
Hier finden Sie die Bilanz der acht Parteien im Grossen Rat.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 05.10.12