Die Verwandlung des Guy Parmelin

Der frisch gewählte SVP-Bundesrat vertrat bislang harte Positionen in der Migrations- und Energiepolitik. Erste Anzeichen auf eine Verwandlung hat er bereits gezeigt.

Guy Parmelin während der Medienkonferenz nach den Bunderatswahlen. Schafft der Waadtländer die Verwandlung vom SVP-Hardliner zum kompromissbereiten Amtskollegen?

(Bild: PETER KLAUNZER)

Der frisch gewählte SVP-Bundesrat vertrat bislang harte Positionen in der Migrations- und Energiepolitik. Erste Anzeichen auf eine Verwandlung hat er bereits gezeigt.

Es war die Verwandlung des Guy Parmelin. Mit langen Schritten stapfte der frisch gewählte Bundesrat nach der Wahl aus dem Parlamentssaal. Die in rot-weiss gekleideten Weibel geleiteten Parmelin in das Zimmer, wo die übrigen sechs Bundesräte auf ihn warteten. Den Blick richtet Parmelin immer wieder nach unten, als ob er so seine Gedanken sammeln würde, um die Bedeutung dieses Moments begreifen zu können.

Vor zwei Monaten hätte kaum jemand damit gerechnet, dass der Waadtländer Weinbauer Bundesrat wird – vermutlich nicht einmal er selbst. Nun hat er den grossen Sprung geschafft, vom SVP-Hinterbänkler ins höchste politische Amt.

 

Damit muss sich Parmelin auch vom Hardliner zum kompromissbereiten Amtskollegen verwandeln. Denn er politisierte bislang streng auf SVP-Parteilinie. Nur in ein einzelnen Punkten, beispielsweise bei der Präimplantationsdiagnostik, wich er vom Kurs ab.

Harte Haltung in der Ausländerpolitik 

So war Parmelin etwa das Westschweizer Gesicht der Anti-Zuwanderungsinitiative der SVP. Er bekannte sich jedoch vor und nach dem 9. Februar 2014 zum bilateralen Weg. Als Vertreter der Genfersee-Region weiss Parmelin um den Wert von Grenzgängerinnen und Grenzgängern.

Im Vorfeld der Abstimmung schrieb Parmelin in einem Gastbeitrag für «24 Heures», der Bundesrat singe das naiv optimistische Lied «Tout va très bien, Madame la Marquise», wenn es um die Zuwanderung gehe. Dabei müsse man sich heute Gedanken machen «und nicht erst, wenn eine Krise von grösserem Ausmass über das Land kommt».

 

Bei der Ausschaffungsinitiative war Parmelin ebenfalls im Ja-Komitee. Die schwarzen Schafe beschäftigten damals das ganze Land. Im Kantonsparlament in Lausanne wurden die Plakate angeprangert. Parmelin verteidigte die SVP-Kampagne gegenüber «Le Temps»: «Wer heute Aufmerksamkeit auf sich ziehen will, muss manchmal übertreiben.»

Auf die Frage, ob er einer gemässigten Linie überdrüssig sei und darum eine härtere Positionen einnehme, sagte Parmelin: «Was die Sicherheit angeht, haben sich meine Positionen vielleicht verhärtet und das akzeptiere ich. Aber wenn sich Probleme zeigen, darf man nicht wegschauen.» Das war 2007.

Parmelins Nein zur Minarett-Initiative

2009 zählte Parmelin hingegen zu jener Minderheit in der SVP-Fraktion, welche die Minarett-Initiative ablehnte. Nach Annahme der Vorlage sagte Parmelin gegenüber «Le Temps», man müsse «den Ausländern erklären, dass Muslime immer noch das Recht haben werden, ihre Religion in der Schweiz auszuleben». Der Verfassungstext sei indes weniger schlimm, als es die Gegner der Initiative im Vorfeld hätten Glauben machen wollen.

Vor drei Monaten stimmte Parmelin dann wie fast alle SVP-Nationalräte für ein Asylmoratorium, das die Volkspartei forderte, und welches das Recht auf Asyl temporär ausser Kraft setzen sollte. Dass Parmelin weit rechts steht, daraus macht er kein Geheimnis. Gegenüber der NZZ sagte er vor der Wahl: «Das ist so, dazu stehe ich.»

Auswertung der Smartvote-Fragen.

Auswertung der Smartvote-Fragen. (Bild: Screenshot Smarvote)

Die Auswertung seiner Smartvote-Antworten verdeutlicht den Kurs des Waadtländers. Auch in Energiefragen tickt Parmelin konservativ. Den Atomausstieg, wie ihn der Bundesrat nach dem Reaktorunglück in Fukushima skizzierte, bezeichnete Parmelin 2011 als «irrationalen Entscheid».

Doris Leuthard habe ihre «Ideen» für die Energiewende, sagte Parmelin in der Sendung RTS-«Infrarouge» mit süffisantem Unterton. Dabei sei an der Atomenergie nichts auszusetzen. Das Ziel, die Atomenergie durch erneuerbare Energien zu ersetzen sei komplett unrealistisch.

Naturfreunde für Atomstrom zuversichtlich: Mit Guy Parmelin hat ein realistischer Atomfreund im Bundesrat Einzug gehalten

Posted by Alex Baur on Mittwoch, 9. Dezember 2015

Bislang ist es Energieministerin Doris Leuthard gelungen, mit der Energiestrategie 2050 Ansätze einer Energiewende voranzutreiben. Von dieser Strategie wird nach der definitiven Behandlung im Parlament wenig übrig bleiben. Und mit Parmelin wird im Bundesrat eine Mehrheit für die Energieprojekte der CVP-Bundesrätin kaum möglich sein.

Am Freitag verteilt der Bundesrat die Departemente. Möglich, dass die Bisherigen in ihren Departementen bleiben und Parmelin somit das Finanzdepartement von Eveline Widmer-Schlumpf übernimmt. Möglich ist jedoch auch, dass eine Rochade stattfindet und Parmelin das Justiz- (EJPD) oder Verteidigungsdepartement übernimmt.

Konziliante Töne

Im EJPD müsste Parmelin auch die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative übernehmen, wo das Zauberwort nun Schutzklausel heisst. Mit Hardliner-Positionen wird Parmelin in diesem Departement nicht vorankommen.

Dass Parmelin auch anders kann, zeigte er jedoch bei seinem ersten Auftritt nach der Wahl. An der Medienkonferenz danach sagte er etwa zur Masseneinwanderungsinitiative: «Als Parlamentarier hatte ich zu dieser Frage diese oder jene Position, doch ab sofort habe ich eine andere Rolle und zuerst die Entscheidungen des Gesamtbundesrates zu berücksichtigen.»

Nun denn: Der Gang vom Parlament in den Bundesrat zeigt bereits Wirkung.

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