Die wohltuende Züchtigung des strengen Vaters

Gewalttätige Schwulenhasser drängen zurück an die Macht. Und die Gesellschaft von heute empfängt die starken Männer aus der Vergangenheit mit offenen Armen.

So weit sind wir gekommen: Lieber zurück unter die Knute als auf in die Zukunft.

Gewalttätige Schwulenhasser drängen zurück an die Macht. Und die Gesellschaft von heute empfängt die starken Männer aus der Vergangenheit mit offenen Armen.

Erinnert ihr euch an die tyrannischen Väter aus Büchern, Biografien und Filmen? An eure eigenen Väter vielleicht oder eure Grossväter? Männer, die ihren Söhnen sagten, sie sollen keine Pussys sein, die Angst vor deren «Verschwulung» hatten. Väter, die ihre Söhne anschrien und schlugen. Die Spitzenleistungen von ihnen verlangten und ihnen einbleuten, dass sie nur gut genug seien, wenn sie besser seien als die anderen. Die über die Nachbarn fluchten, über Ausländer, über die Medien und die verkommene Jugend.

Die Väter, die gleichzeitig soffen und ihre Frau schlugen und unfähig waren, Empathie zu zeigen oder zu ertragen.

Diese Väter sind zurück – auf allen Ebenen. Nachdem wir uns die letzten Jahrzehnte mühsam von diesen Rabenvätern emanzipiert haben, nachdem wir in Therapien und Selbstfindungsprozessen langsam zu Menschen wurden, die sich trotz der Schinderei in der Kindheit und Jugend zu besseren Männern und zu erträglichen Kollegen entwickelt haben; nachdem wir uns unter Aufwendung aller Kräfte in diesem Zustand zu halten suchen, während viele Kumpels sich für den einfacheren Weg entschieden haben – nämlich zu werden wie ihre Väter. Nach all dem haben sich die altmodischen Männer wieder in Macht­positionen geschummelt.

Gut erzogen und hetero

Auf den Philippinen wütet Rodrigo Duterte: Er ruft zur Hetzjagd gegen Drogendealer. Tausende wurden seit seinem Amtsantritt ermordet. Die Opfer sind meist junge Kleinkriminelle. Die missratenen Söhne der gestrengen Väter.

Dann ist da Jair Bolsonaro. Der 62-jährige Diktatur-Nostalgiker droht 2018 Brasiliens Präsident zu werden. Er befürwortet Folter, ist offen homophob und rassistisch. Auf die Frage, was er tun würde, wenn eines seiner Kinder homo­sexuell wäre oder einen Schwarzen heiraten würde, antwortet er, das könne nicht passieren, weil diese gut erzogen seien.

Das erinnert an Tschetscheniens Präsidenten Kadyrow, der, auf die Foltercamps für Homosexuelle angesprochen, erwidert, diese gebe es nicht, weil es in Tschetschenien keine Schwulen gebe. Gestützt wird Kadyrow von Putin, quasi der Prototyp des scheinbar starken Mannes. Der Krieger, der echte Mann, der strenge Vater. Trump wirkt dagegen wie ein Würstchen. Aber auch er ist ein Sohn seines ­Vaters und trägt Werte in die Welt, die wir tot glaubten: das Recht des Stärkeren, den engen Fokus auf das eigene Gärtchen, das Belästigen von Frauen, der Mythos des faulen, kriminellen Ausländers, das Verherrlichen von Waffengewalt und Folter.

Die Gesellschaft sehnt sich zurück nach den guten ­alten Zeiten, die es nie gab, und ist blind für eine rosige Zukunft, die es geben könnte.

Diese Weltbilder gehen oft einher mit dem Bekenntnis zu einer Religion, die ebenfalls dominiert ist von gewaltverherrlichenden, homophoben Männern. Und das hat Folgen: Wenn Vater Staat ein fanatischer Pseudo-Moralist ist, wird seine Tochter – die Demokratie – unterdrückt werden, vielleicht sogar verstossen.

Wisst ihr noch, wie wir von zu Hause ausgezogen sind? Als wir die religiösen, starren und traumatisierenden Weltbilder unserer Väter und Grossväter hinter uns gelassen haben und losgezogen sind in die freie Welt? Das Gefühl der Erlösung vom Denken in Schwarz und Weiss, der Erlösung von der Sünde, weil es sie nicht gibt. Die Erlösung von der Gleichsetzung von Schwäche und Schuld. Die Entdeckung unzähliger Möglichkeiten. Das Umarmen der Toleranz und die Freude am Zulassen neuer Lebensentwürfe.

Ein gespenstisches Spektakel

Anscheinend haben wir uns zu früh ­gefreut. Denn die moderne Gesellschaft scheint überfordert mit ihren Möglichkeiten und sehnt sich zurück nach der strengen Hand des Vaters. Diese Gesellschaft lässt sich lieber von einem Pseudo-Rambo die Pussy grabben als mit einem schwulen, schwarzen Zwitterwesen in eine bessere Zukunft zu fliegen. Sie sehnt sich zurück nach den guten ­alten Zeiten, die es nie gab, und ist blind für eine rosige Zukunft, die es geben könnte.

Und so kehrt der verlorene Sohn zurück zum Vater. Dass er vorher auf der ­Suche, aber glücklich war, vergisst er unter den wohltuenden Züchtigungen des Vaters. Und so müssen wir zusehen, wie viele ­unserer Mitmenschen die strengen Väter zurück an die Macht holen. Dass das nur kurz gut gehen kann und dann bald in einer Katastrophe endet, wissen wir aus Erfahrung. Wir werden degradiert zu ungläubigen Zaungästen dieses gespenstischen Spektakels, das immer näher rückt.

Wir müssen Kinder zeugen

Ennet der Grenze will ein Alexander Deutschland in ein Gauland verwandeln und in der Schweiz beweist ein Andreas Glarner, was passiert, wenn der Sohn die verschrobenen Ansichten des Vaters radikaler in die Welt trägt als dieser selbst. Es passt ins Bild, dass auch Terroristen streng erzogene Söhne und streng erziehende Väter sind. Heute müssen wir froh sein um die französischen Macrons und die österreichischen Kurzen. Diese Mustersöhne sind zwar für den Sozialstaat verheerend, aber immerhin treten sie nicht offen menschenverachtend auf.

Sie enttäuschen den strengen Vater ein wenig mit ihrem verweichlichten Auftreten gegenüber Schwulen und Frauen, aber zumindest haben sie es zu etwas gebracht. Haben Manieren, tragen Anzüge, sind diszipliniert – da kann man ein Auge zudrücken, wenn sie diesen an den Haaren herbeigezogenen Klimawandel für bare Münze nehmen…

Dass ein Macron so gefeiert wird, weil er das kleinste aller Übel ist, heisst für uns: Wir müssen schleunigst Kinder zeugen und danach dafür sorgen, dass sie nicht mit irgendwelchen abstrusen Lehren indoktriniert werden. Freie Geister der Welt, vermehret euch!

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