Heute ist Tag des Schweizer Biers. Aus diesem Grund habe ich mich auf die Reise zu meinem Lieblingsbier gemacht: Nach Appenzell, zur Brauerei Locher. Die zeigen den Bierschlössern, wo der Bartli den Most holt. Ja, fürwahr: Diese Innerrhödler sind mit allen Wassern gewaschen.
Einmal im Jahr stehen alle mündigen Appenzeller auf einen Platz, um politische Beschlüsse zu fassen. Dann stimmen sie über Sachen ab, die in ihren Gesetzen verankert oder verhindert werden sollen. Landsgemeinde heisst diese Urform der direkten Demokratie, die diesen Samstag (25. April) wieder über die Dorfbühne geht.
Zu Hunderten werden sie kommen, die Appenzeller, und hoffen, dass ihnen keine frömden Fötzel vorschreiben, was sie zu tun haben. Nicht so wie vor 25 Jahren, als man sich ein letztes Mal dagegen aussprach, dass die Frauen politisch mitbestimmen dürfen. Neumodisches Zeugs sei das. Mit ihrer Verweigerungshaltung verstiessen die Appezeller allerdings gegen die Bundesverfassung, fand zumindest das Bundesgericht, und zwang ihnen das Frauenstimmrecht auf. So lernte der Appenzeller: «Doo gets ke Zettere fö s Früüre.» Man kann nicht alles erzwingen.
Appenzell ist das Colmar der Ostschweiz.
Ja, angehörs dieser Anekdote könnte man meinen, dass man in Appenzell lauter «aalti Chläus» (rückständige Kerle) und aalti Schnopferi (alte Jammerseelen) antreffe. Doch dem ist nicht so. Die Appenzeller sind ein aufgestelltes, schlaues Völklein, die ihr Brauchtum touristisch geschickt auszuschlachten wissen und gut davon leben. Zumindest die Innerrhödler. Ihre Häuser sind herausgeputzt, die Wirtshausschilder glänzen im Sonnenlicht, ja, Appenzell ist das Colmar der Ostschweiz.
An diesem herrlichen Frühlingssonntag ist der katholische Hauptort so geschäftig, als hätte der Herrgott keinen Ruhetag einberufen. Zahlreiche Läden sind für die Touristen geöffnet. Ganz neu etwa die Flauderei, ein Flagshipstore der Goba AG. Elegant und klug hat dieser Getränkehersteller den Sprung ins neue Jahrtausend gemeistert, das zeigt allein die Aneignung der Domain www.mineralquelle.ch – und auch das Sortiment, mit Trendsoftdrinks wie dem Original Flauder (aus Holunder und Melisse) und zahlreichen Schwestergetränken. Vom chalten Kafi ganz zu schweigen.
Dass sie mit allen Wässerli gewaschen sind, das wissen wir auch, wenn wir an den Appenzeller Alpenbitter denken, diesen Jägermeister der Schweiz. Oder ans Bier, das uns so ans Herz gewachsen ist: Quöllfrisch. Noch vor 20 Jahren kannte man das Appenzeller Bier nur in den beiden Halbkantonen, heute kann man von einer der erfolgreichsten der unabhängigen Schweizer Brauereien reden. Und Appenzeller Bier wird sogar bis nach Asien verkauft. Reschpekt!
Das Geheimnis ihrer Erfolgsrezepte? Tradition und Moderne kombinieren!
Die Brauerei kann man besichtigen, was wir uns nicht entgehen lassen. Wir verlassen die Altstadt (file under: malerisch), überqueren die Sitter (in Appenzell noch eher Bach denn Fluss) und landen just vor der Locher AG. Im Hintergrund, wie aus dem Bilderbuch: der Alpstein, dessen Quellwasser fürs Bier verwendet wird.
Im Showroom der Locher AG erleben wir, wie traditionell das heutige Trendbier einst etikettiert worden war, dass Pioniergeist aber immer dazugehörte (so schaffte die Brauerei 1920 den ersten Lastwagen im ganzen Kanton an – eine Sensation für die Bauernleute!). So wird das Bio-Bier ausschliesslich aus Schweizer Bio-Hopfen hergestellt, womit die Brauerei den Nerv der bewussten Gesellschaft ganz gäbig trifft, ebenso mit ihren Labels Vollmond Bier und Leermond (alkoholfrei). Wir lernen zudem, dass nicht nur dem Appenzeller Käse ein geheimnisvolles Rezept zugrunde liegt, sondern auch den Bieren. Was da mitunter an Kräutern beigemischt wird!
Nein, rückständig scheint man hier nicht zu sein, zumindest nicht wirtschaftlich. Geschäftstüchtig und «mokber» (aufgeweckt) sind sie, verkaufen uns Städtern ihre Heimatgefühle ganz schön trendy.
Eifach schöö!
Eigentlich wollten wir auch noch in die Höhe, zum Seealpsee, den wir nur als Etikettenaufdruck des «Quöllfrisch» kennen. Aber weil wir «e chlises Spickeli», ein kleines Kind dabei haben, reicht es für diesmal. Gross gewandert wird ein andermal. Stattdessen fahren wir zur Übernachtung über die Kantonsgrenze, 20 Minuten lang (mit dem Auto), um wieder in Innerrhoden zu landen. Klingt paradox, ist aber wahr: Oberegg heisst die Gemeinde, eine Exklave, umgeben von St. Gallen und Ausserrhoden.
Hier lockt das schöne Kulturhotel Alpenhof auf 1100 Meter über Meer. St. Anton heisst die Anhöhe, die mit fantastischem Panorama betört: Auf der einen Seite der Blick zum Säntis, ja, dem Alpstein, auf Vorarlberg und gar einige Bündner Berge wie dem Piz Buin. Auf der anderen Seite kann man ins Tobel runterschauen, auf den Bodensee. Schöö, wie der Appezöller sagt. Eifach schöö.
Und sollte man genug von der Aussicht bekommen, dann kann man sich in der hauseigenen Bibliothek sattsehen. Der Nachlass des Kunstsammlers Andreas Züst ist hier greifbar, 12’000 Bücher. Wer lieber vorgelesen bekommt, der sollte sich den 30. Mai vormerken. Dann gastiert die Basler Autorin Simone Lappert im «Alpenhof» – und liest aus ihrem Debütroman «Wurfschatten».
- Anbeissen: Auf dem Landsgemeindeplatz zum Beispiel im Hotel Säntis. Chääsmaggerone mit Appenzeller Käse kosten 19 Franken. Im Preis inklusive: Erstklassige Lage.
- Anschauen: Die Altstadt von Appenzell. Und entweder die Brauerei Locher (Appenzeller Bier), die Likörfirma Appenzeller Alpenbitter oder die Schaukäserei. Alles Exportklassiker, die wir kennen.
- Ausruhen: Im Kulturhotel Alpenhof. Zimmer mit wunderbaren Blicken auf die Berge. Bei schlechtem Wetter kann man in der Bibliothek den Blick durch die Buchsammlung von Andreas Züst streifen lassen.