Dr. Unbequem

Der Grünliberale Gerhard Schafroth kann beim Politisieren nicht lockerlassen, gilt als forsch und detailversessen. Damit eckt der Regierungsratskandidat oft an. Annäherung an einen Rastlosen.

(Bild: Basile Bornand)

Der Grünliberale Gerhard Schafroth kann beim Politisieren nicht lockerlassen, gilt als forsch und detailversessen. Damit eckt der Regierungsratskandidat oft an. Annäherung an einen Rastlosen.

Das Hearing an der EVP-Parteiversammlung am Dienstagabend hatte noch nicht einmal richtig begonnen, da unterbrach Gerhard Schafroth den fragenden Martin ­Geisser bereits: «Lassen Sie die Uhr aber erst laufen, wenn Sie die Einführung beendet haben.» EVP-Landrat ­Geisser hatte angekündigt, dass der ­Regierungsratskandidat der GLP ­Baselland genau drei Minuten Zeit habe, sich vorzustellen. Vielleicht war Schafroths Reaktion ein Scherz, vielleicht ein lockerer Spruch, um die Aufregung abzubauen.

Wer die Medienberichte zur Ersatzwahl für den Posten des ab­tretenden Finanzdirektors Adrian Ballmer (FDP) verfolgt hat, kennt die Umschreibungen gut, die Schafroth anhaften: rechthaberisch und forsch sei er, und manchmal so detailorien­tiert, dass es schon fast pingelig wirke.

Selbst wenn Schafroth gelobt wird, folgt oft ein ernüchterndes Fazit für ihn, wie auch an der EVP-Versammlung zu hören war. «Wenn wir wirklich wollen, dass jemand dem Regierungsrat Beine macht und sich etwas ändert», sagte EVP-Landrat Alain Tüscher seinen Parteimitgliedern, «müssten wir eigentlich Schafroth zur Wahl empfehlen, aber das können wir nicht.» Am Schluss entschied sich die EVP für den SP-Kandidaten Eric Nussbaumer.

Aber warum ist das so?

«Ich frage mich das auch», sagt Schafroth, «ich habe langsam echt genug von den Vorbehalten mir gegenüber.» Es ist Dienstagabend in Basel, der 55-Jährige sitzt in der Pizzeria Flügelrad vor einer Margherita mit schwarzen Oliven.

Als bürgerlicher Mitte-Politiker müsste er gute Wahlchancen haben. Seine Fachkompetenz im Finanzbereich ist unbestritten. Schafroth ist diplomierter Steuerexperte, hat einen Doktortitel an der juristischen Fakultät der Universtität Basel erlangt und führt ein Mehrwertsteuer-Beratungsunternehmen in Zürich.

Unerbittlicher Gegner

Politisch profiliert hat er sich als unerbitt­licher Kritiker von Finanzdirektor Adrian Ballmer. Er liess keine Chance aus, um auf finanz­politische Fehler hinzuweisen. Oft mit Über­eifer: Die GLP reichte 18 Vorstösse zum Budget 2013 ein, die meisten davon stammten von Schafroth. Er zog mehr als die Hälfte wieder zurück, die Verwaltung beschäftigte der Vorstoss-Berg dennoch. «Natürlich ist das forsch», sagt er dazu, «aber es spricht doch auch gegen die mir unterstellte Rechthaberei, wenn ich davon einen grossen Teil zurückziehe.» Und dass seine Anliegen eigentlich berechtigt seien, habe er zudem von links und rechts immer wieder gehört. «Aber sie finden halt aus irgendeinem Grund jetzt gerade keine Mehrheit.»

Beim Angriff aufs Budget blieb es nicht. Die Vorlage zur Sanierung der Basellandschaftlichen Pensionskasse hält Schafroth für unbrauchbar. Mehr Schlagzeilen als seine Kritik brachte ihm aber der Versuch ein, die Präsentation an Ballmers Me­dienkonferenz mitzuverfolgen. Er wurde gemeinsam mit BDP-Land­rätin Marie-Theres Müller vor die Türe gestellt. «Dabei wäre Transparenz und der Wille der Regierung, mit dem Landrat zusammenzuarbeiten, ein fundamentaler Wert in einer Demokratie», sagt Schafroth.

Dass er auch bei der PK-Sanierung nicht lockerlässt, hat für ihn einen inhaltlichen Grund: «Es geht um vier Milliarden Franken, über ein derart wichtiges Geschäft dürfen wir keine Entscheidungen treffen, wenn wir die Folgen der Entscheide nicht wirklich abschätzen können.» Und bei der PK-Vorlage habe er trotz seiner Ausbildung und mehrerer Hundert Stunden, die er ins Geschäft investiert habe, nicht den Eindruck, dass die Folgen wirklich abschätzbar seien. Zwischen den Zeilen klingt das nach: Und wenn ich das nicht kann, wer dann?

«Ich bin mir ein Umfeld gewohnt, das mir folgen kann.»

Dass Schafroth sich als Finanzexperte positioniert, ist einerseits Wahlkampf. Er weiss, dass die kleine GLP nur eine Chance hat, wenn sie mit Kompetenz überzeugt. Andererseits sind die Finanzen tatsächlich einfach sein Thema. «Ich kann viele Kompromisse eingehen, aber nicht bei der Erarbeitung der sachlicher Grundlagen eines Geschäfts. Die müssen einfach sitzen, da bin ich hartnäckig – und das gilt insbesondere bei der sehr wichtigen Pensionskassenvorlage.»

Für ihn kommt deshalb auch nur die Finanzdirektion infrage – und zwar jetzt. An den Gesamterneuerungswahlen 2015, bei der er womöglich bessere Chancen hätte, will er gar nicht mehr unbedingt antreten. «Wir haben jetzt Finanzprobleme, wir brauchen jetzt die Lösung.» Und er ist überzeugt, dass er der richtige Mann dafür sei. «Wenn die Probleme jetzt richtig gelöst werden, ist 2015 nicht mehr so wichtig.» Schafroth setzt damit alles auf eine Karte. Sein Unternehmen gibt er auf. Ein Wiedereinstieg nach zweieinhalb Jahren sei kaum realistisch, sagt er.

Die Pizza ist längst kalt, die Hauptfrage aber noch nicht geklärt. «Es beschäftigt mich, warum die Leute oft meine fachliche Einschätzung teilen, aber gleichzeitig sagen, ich sei nicht wählbar.» Einen möglichen Grund sieht der 55-Jährige in seiner Grundhaltung. Was er nicht versteht, kann er nicht akzeptieren. Schon als kleines Kind habe er mit seiner Neugier die Geduld seiner ­Eltern strapaziert. Nun liegt sein ­Fokus auf politischen Fragen, an Hartnäckigkeit hat er nicht verloren.

Wie eine Dampfwalze

Dass er kein einfaches Gegenüber ist, weiss Schafroth. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und scheut den Konflikt nicht. «Wenn ich überzeugt bin, dass ich recht habe, lasse ich so lange nicht locker, bis mein Gegenüber mich mit besseren Argumenten überzeugt.» Er steht lieber alleine mit seiner Meinung da, als dass er einen Entscheid trifft, der für ihn sachlich falsch ist. Er weiss aber auch, dass er Fehler gemacht hat – beim Aufbau der GLP beispielsweise. «Ich bin vielen Leuten auf den Schlips getreten, habe Sachen falsch angepackt. Ich würde heute vieles anders machen.» In der Partei gab es lange Zeit Ärger, die Präsidenten wechselten mehrfach, GLP-Mitgründer Fabienne und Daniel Ballmer wechselten gar zur FDP.

«Es braucht Goodwill einem Typ gegenüber, den man nicht immer versteht.»

Wer sich mit Schafroth unterhält, versteht schnell, warum seine Art oft aneckt: Der Mann verlangt viel und am besten alles gleich. Er spricht und denkt schnell, oft überrollt er damit die Leute wie eine Dampfwalze, sagt er selbst. «Ich bin mir ein Umfeld gewohnt, das mir folgen kann.» Seine Frau Marion Schafroth, sie ist FDP-Stadträtin in Liestal, und seine beiden Söhne liefern sich zu Hause manchmal regelrechte Redeschlachten. «Sie sollten mal sehen, wie schnell das geht und mit wie viel Witz und Ironie.»

Nicht alle seine Politikerkollegen scheinen seinen Humor zu verstehen oder ertragen seine Hartnäckigkeit, wenn er alles nochmals, nochmals und nochmals diskutieren will. Schafroth hat dafür sogar ein bisschen Verständnis: «Es braucht Goodwill einem Typ gegenüber, den man nicht immer versteht.» Die Pizza Margherita hat Gerhard Schafroth an diesem Abend nicht ganz aufgegessen und noch viel mehr erzählt. Und allen Vorurteilen zum Trotz: Er kann durchaus angenehm sein und ernährt sich nicht nur von Zahlen und Vorstössen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 25.01.13

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