Ecopop schadet der Entwicklungshilfe

Die Ecopop-Initiative sieht vor, dass zehn Prozent der Schweizer Entwicklungshilfegelder für freiwillige Familienplanung eingesetzt werden, um das Bevölkerungswachstum zu kontrollieren. Die Ausrichtung der Initiative ist aber zu einseitig und würde viel Schaden anrichten.

Zwar nichts zu beissen auf dem Tisch, dafür erhalten sie einen Pariser serviert: So sieht Illustrator Domo Löw die Ecopop-Initiative. (Bild: Domo Löw)

Die Ecopop-Initiative sieht vor, dass zehn Prozent der Schweizer Entwicklungshilfegelder für freiwillige Familienplanung eingesetzt werden, um das Bevölkerungswachstum zu kontrollieren. Die Ausrichtung der Initiative ist aber zu einseitig und würde viel Schaden anrichten.

Darf man eigentlich Geschenke zurückweisen? Mit dieser Frage müssen sich zurzeit Schweizer Entwicklungsorganisationen, die im Gesundheitsbereich tätig sind, auseinandersetzen. Freiwillige Familienplanung ist ein Ansatz, den sie anwenden, um die Gesundheit von Frauen zu stärken.

Und nun also dieses Angebot, das im zweiten Teil der Ecopop-Initiative daherkommt: Zehn Prozent der Schweizer Entwicklungshilfegelder sollen in Zukunft in diesen Gesundheitsbereich investiert werden. Darf man so ein Geschenk zurückweisen? Seit dem Trojanischen Krieg wissen wir, dass man ein Geschenk manchmal besser zurückweist, damit es keine weitreichenden Schäden hinterlässt.

Die Ecopop-Initiative unterläuft die Ziele der freiwilligen Familienplanung.

Das Problem liegt im weltanschaulichen Hintergrund der Initiative. Er unterläuft die Ziele der freiwilligen Familienplanung. Der Verein Ecopop formierte sich Anfang der 1970er-Jahre im Kontext des damaligen Überbevölkerungsdiskurses.

Von vielen Zeitgenossen weltweit wurde die steigende Bevölkerungszahl angesichts der beschränkten Ressourcen als die grösste Bedrohung für die Menschheit gesehen. Das Schlagwort der Bevölkerungsexplosion in Entwicklungsländern machte die Runde. Um diese einzudämmen, brauchte es in dieser Wahrnehmung die Bevölkerungspolitik – und Bevölkerungspolitik meinte Bevölkerungskontrolle.

Martin Leschhorn Strebel (1969) ist Geschäftsführer von Medicus Mundi Schweiz, einem Netzwerk von 46 Schweizer Organisationen, die sich in Gesundheitsprogrammen weltweit für das Recht auf Gesundheit engagieren.

In den Weltbevölkerungskonferenzen der 1970er-Jahre wurde zwar das Recht auf freie Wahl der Anzahl Kinder postuliert. Doch erst mit der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo 1994 fand der eigentliche Paradigmenwechsel statt, der auch für die Befreiung vom Überbevölkerungsdiskurs der 1970er-Jahre steht.

Frauenrechte müssen gestärkt werden

Es wurde endlich erkannt, dass das individuelle Recht auf Zugang zu Familienplanungs-Dienstleistungen nur umgesetzt werden kann, wenn Frauen in ihren sozialen und ökonomischen Rechten gestärkt werden.

Freiwillige Familienplanung wird seitdem in der Entwicklungszusammenarbeit viel umfassender verstanden. Manfred Zahorka vom Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut fasste dies kürzlich gegenüber der NZZ so zusammen: «Die Zeiten, als man einem Mann ein Kofferradio schenkte, wenn er sich sterilisieren liess, sind nun vorbei.»

Mädchen wird zu oft das Recht auf Bildung verweigert, um frei über den Zeitpunkt des ersten Kindes entscheiden zu können.

Entscheidend ist, dass entgegen dem Ecopop-Ansatz Familienplanung nicht mehr als Bevölkerungskontrolle verstanden wird, weil dies dem auf individuellen Rechten beruhenden Ansatz zuwiderläuft. Freiwillige Familienplanung ist heute eingebettet in umfassende Gesundheitsdienstleistungen der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Und diese sind idealerweise Teil einer qualitativ guten Gesundheitsversorgung in einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem sich Männer, Frauen und Kinder sozial, kulturell und wirtschaftlich entfalten können.

Dieser umfassende Ansatz scheitert noch viel zu oft an den Realitäten in den Entwicklungsländern. Die für die sexuelle und reproduktive Gesundheit so entscheidende Gruppe der Jugendlichen wird durch zu wenig auf sie ausgerichtete Gesundheitsdienstleistungen abgewiesen.

Abhängige Frauen

Mädchen wird zu oft das Recht auf Bildung verweigert, um überhaupt frei über Lebensplanung und den Zeitpunkt des ersten Kindes entscheiden zu können. Männer sind zu stark in patriarchalen Strukturen verhaftet – und Frauen sind wirtschaftlich zu stark von ihren Männern abhängig.

Die Gesundheitszusammenarbeit der Schweizer Organisationen setzt denn auch genau hier an – die Basler Organisation Iamaneh Schweiz in Burkina Faso etwa: In dem westafrikanischen Land benutzen lediglich 15 Prozent der Frauen eine Verhütungsmethode, jede Frau bringt im Schnitt sechs Kinder zur Welt, Sexualaufklärung ist ein Tabu und Teenagerschwangerschaften sind folglich weit verbreitet.

Die Schweiz würde sich bei einer Annahme der Initiative in der Entwicklungszusammenarbeit isolieren.

Iamaneh unterstützt ihre Partnerorganisation Ammie dabei, einen umfassenden Ansatz umzusetzen. Dazu gehören durchaus klassische Elemente der freiwilligen Familienplanung wie die Sicherstellung des Zugangs zu Aufklärung und Verhütungsmitteln.

Doch für sich alleine genommen, macht dies keinen Sinn: Ammie bietet psychosoziale Unterstützung an, baut für die Frauen einkommensfördernde Aktivitäten auf und bindet heranwachsende Männer in die Sensibilisierungsarbeit ein.

Wenn nun die Ecopop-Initiative in der Verfassung festschreiben möchte, dass zehn Prozent der Schweizer Entwicklungsgelder auf die isolierte Massnahme der Familienplanung fokussiert werden, unterläuft sie damit den umfassenden Ansatz, wie ihn Iamaneh und weitere Schweizer Organisationen, aber auch die offizielle Schweizer Entwicklungszusammenarbeit pflegen – und wie er auch international als zielführend anerkannt wird.

Die Schweiz würde sich bei einer Annahme der Initiative in der Entwicklungszusammenarbeit isolieren. Schlimmer noch: Die einseitige Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit aufgrund eines Verfassungsauftrages, der die Bevölkerungskontrolle zum Ziel hat, würde die Schweizer Entwicklungspolitik als dermassen interessengeleitet instrumentalisieren, dass sie international diskreditiert würde.

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