Ecuador deportiert 122 Kubaner

Ecuador hat kubanische Migranten zurück nach Kuba deportiert. Das Ganze ist Teil eines grösseren Konflikts, der die Region seit Monaten in Atem hält.

Kubaner machen die zahlenmässig grösste Minderheit in Ecuador aus. Hier kubanische Migranten an der Grenze zwischen Costa Rica und Nicaragua.

(Bild: ESTEBAN FELIX)

Ecuador hat kubanische Migranten zurück nach Kuba deportiert. Das Ganze ist Teil eines grösseren Konflikts, der die Region seit Monaten in Atem hält.

Die Abgeschobenen gehören zu einer Gruppe von rund 600 Kubanern, die sich seit Monaten in einem provisorischen Lager in dem Park «El Arbolito» (das Bäumchen) in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito campierten. Fast täglich kam es zu Protestaktionen, bevor es den Behörden des südamerikanischen Landes schliesslich zu bunt wurde und sie die Überprüfung des Aufenthaltsstatus der Kubaner ankündigten. 

Danach war es sehr schnell gegangen. Noch am selben Tag wurden rund 150 Kubaner von der Polizei festgenommen und stundenlang in Gewahrsam gehalten – ohne Lebensmittel und Wasser und ohne Zugang zu Familienangehörigen oder Anwälten, wie Menschenrechtsaktivisten bemängelten. Kinder und jene, die Aufenthaltsgenehmigungen vorweisen konnten, wurden freigelassen; alle anderen am Folgetag Abschieberichtern vorgeführt. Diese befanden in Schnellverfahren, die oft nur wenige Minuten dauerten, über die Deportationen. Bereits am Morgen des 9. Juli wurde eine erste Gruppe Kubaner von der ecuadorianischen Luftwaffe ausgeflogen.

«Kollektive Ausweisungen»

Die Anwälte der Kubaner bemängelten, dass sie praktisch keine Zeit hatten, mit den Festgenommen vor deren Anhörungen zu sprechen. Zudem hätten einige der Abgeschobenen laufende Asylverfahren. Es handele sich nicht um Abschiebungen, sondern um «kollektive Ausweisungen», sagte ein verbitterter Juan Pablo Albán, einer der Vertreter der Kubaner. Diese seien mit Gewalt durchgesetzt worden «ohne eine rechtmässige Anweisung, allein aufgrund der blossen Annahme, dass die Kubaner sich in einer irregulären Aufenthaltssituation befänden».

Ecuadors Präsident, Rafael Correa, dagegen versicherte, dass bei den Abschiebungen die Menschenrechte respektiert worden seien. «Hier sind alle willkommen, die in diesem wundervollen Land bleiben wollen», sagte er, «aber wir werden keinen Menschenhandel unterstützen und dafür sorgen, dass Ecuador respektiert wird.» Und weiter: «Wir können nicht zulassen, dass sich das Land in eine Station des Menschenhandels verwandelt.» Darauf anspielend, dass Ecuador für viele Kubaner nur Durchgangsstation auf dem Weg in die USA sei.

5000 Kubaner wollten über Mexiko und die USA ausreisen

Die Rückführung erfolge «unter voller Erfüllung der Gesetzgebung beider Länder und der für solche Situationen gültigen internationalen Normen, mit dem Hauptziel, eine geordnete, reguläre und sichere Migration zu garantieren», hiess es in einer Erklärung der kubanischen Regierung. Sie verwies darauf, dass ihre Landsleute legal ausgereist seien und dementsprechend keine Sanktionen bei der Rückkehr zu befürchten hätten.

Vor einem Monat hatten Dutzende Kubaner begonnen, vor der mexikanischen Botschaft in Quito zu campieren. Sie forderten humanitäre Visa für Mexiko, um von dort in die USA weiterzureisen. Das Camp vor der Botschaft wurde schliesslich geräumt; in einem nahegelegenen Park neu errichtet, bevor dieses ebenfalls geräumt wurde. Schliesslich fanden die Kubaner Refugium im Parque El Arbelito im Norden Quitos.

Efraín Sánchez, Sprecher der Protestierenden, schätzte zu Beginn der Proteste gegenüber AFP, dass rund 5000 der in Ecuador befindlichen Kubaner über Mexiko in die USA ausreisen wollten.

Kubaner sassen in Costa Rica fest – wegen geschlossener Grenze

Ecuadors Aussenminister, Guillaume Long, verwies darauf, dass seine Regierung «an dieser illegalen Migration durch Menschenhandel oder die Bereitstellung von Flugzeugen (nach Mexiko; Anm. d. Red.) nicht teilnehmen kann». Auch die mexikanische Botschaft in Ecuador lehnte die Ausstellung humanitärer Visa ab und verwies auf geltende Visabestimmungen.

Dabei war die Krise um in Zentralamerika festsitzende kubanische Migranten, die über Ecuador auf dem Landweg versuchten in die USA zu gelangen, zwischenzeitlich genau so entschärft worden. Nachdem Mitte November Nicaragua seine Grenze für Kubaner geschlossen hatte und rund 7000 kubanische Migranten plötzlich im Nachbarland Costa Rica festsassen einigten sich die zentralamerikanischen Staaten darauf, die Kubaner per Luftbrücke nach Mexiko auszufliegen, von wo sie in die USA gelangten. Anfang des Jahres waren auf diese Weise zudem 3000 Kubaner aus Panama ausgeflogen worden. Aber schon damals hatte es geheissen, es handele sich um eine Massnahme, eine «aussergewöhnliche Situation» zu lösen, sie sei keineswegs ein «Präzedenzfall» für künftiges Vorgehen.

Kubaner gelten in USA als Flüchtlinge

Ecuador wiederum hatte zum 1. Dezember 2015 die Visumpflicht für Kubaner wieder eingeführt. Diese war 2008 abgeschafft worden. Schätzungen zufolge waren zwischen 2008 und 2015 rund 50’000 Kubaner in das südamerikanische Land eingereist, wo sie heute eine der zahlenmässig grössten Minderheiten stellen. Rund 30 Prozent besitzen wohl keinen regulären Aufenthaltstitel.

Kern der Migrationskrise ist allerdings die unterschiedliche Behandlung kubanischer Migranten gegenüber denen anderer Nationen durch die US-Einwanderungspolitik. Erstere werden als politische Flüchtlinge eingestuft und erhalten grosszügige Aufenthaltsgenehmigungen, während Migranten aus den zentralamerikanischen Staaten nicht selten abgeschoben oder in die Illegalität gedrängt werden. Dabei unterscheiden sich die Auswanderungsmotive der Kubaner – in der Regel wirtschaftliche Gründe – kaum von denen der zentralamerikanischen Migranten.

Flüchtlinge dürfen nur über Landweg in USA einreisen

Seit der vor anderthalb Jahr begonnenen Annäherung zwischen den USA und Kuba ist die Zahl ausreisender Kubaner indes sprunghaft angestiegen – nicht nur über den Landweg, auch über die Strasse von Florida versuchen jedes Jahr Tausende Kubaner in die USA zu gelangen. Allein seit dem vergangenen Wochenende sind mindestens 60 Kubaner, die über das Meer geflüchtet waren, an der Küste Floridas gelandet. Viele befürchten eine baldige Aufhebung des «Cuban Adjustment Acts» und damit ein Ende der US-amerikanischen Vorzugsbehandlung für kubanische Migranten.

Mit dem 1966 verabschiedeten Gesetz gewähren die USA allen «Flüchtlingen» aus Kuba Asyl. Bereits nach einem Jahr können sie die US-Staatsbürgerschaft beantragen. Im Jahr 1996 wurde diese Regelung durch die sogenannte «Wet foot, dry foot»-Bestimmung eingeschränkt. Demnach kommen nur noch Kubaner, die «trockenen Fusses» US-Territorium erreichen, in den Genuss dieser Regelung.

Kuba macht wiederholt diese speziell für Kubaner geltende US-Einwanderungspolitik sowie das 2006 vom damalige US-Präsidenten George W. Bush erlassene «Cuban Medical Professional Parole Program» (CMPP), wonach «desertierte» kubanische Ärzte und Mediziner umstandslos in die USA einreisen dürfen und Aufenthaltsgenehmigungen erhalten, für die Krise in Zentralamerika und Ecuador verantwortlich.

Druck auf US-Regierung wächst

«Die Politisierung der Einwanderungspolitik der Vereinigten Staaten gegenüber Kuba muss sich ändern; sie muss aufhören, eine illegale, unsichere und ungeordnete Auswanderung anzufachen», so ein Mantra der kubanischen Regierung.

Vergangene Woche erst waren Vertreter Kubas und der USA zu regelmässig stattfindenden Migrationsgesprächen zusammengekommen. Diese wurden zwar als positiv bewertet, in der Sache brachten sie aber keinen Durchbruch. Kubas Regierung verurteilte die US-Politik in einem Statement im Anschluss an die Gespräche erneut scharf und forderte eine Änderung der speziell für Kubaner geltenden US-Einwanderungspolitik. Sie entspräche nicht dem Geist der Annäherung.

Andererseits ist die Debatte um die Abschaffung oder Beibehaltung des Cuban Adjustment Acts schon längst keine bilaterale zwischen den USA und Kuba mehr sondern eine multilaterale. Das zeigen auch die Abschiebungen aus Ecuador. Und der Druck auf die US-Regierung, nicht nur aus Havanna, sondern auch aus Quito und den zentralamerikanischen Staaten wächst.

Nächster Artikel