Eigene Quelle, eigenes Bier

Martin Klotz führt mit seiner Frau das Restaurant Alte Brennerei in Nuglar. Er ist einer von vielen Mikro-Brauern – aber einer der wenigen Wirte, die ihr Bier selber brauen.

Martin Klotz braut in der «Alten Brennerei» in Nuglar sein «Schwarzbuebe-Bier». (Bild: Stefan Bohrer)

Martin Klotz führt mit seiner Frau das Restaurant Alte Brennerei in Nuglar. Er ist einer von vielen Mikro-Brauern – aber einer der wenigen Wirte, die ihr Bier selber brauen.

Schuld ist das Wasser. Die Gemeinde Nuglar bezieht es seit einigen Jahren nicht mehr aus der Ergolz, sondern aus eigener Quelle. Das ist gut fürs Bier, dachte sich Martin Klotz – und wurde zum Brauer. Darum – und weil er fand, der Region fehle seit der Schliessung der Ziegelhof-Brauerei in Liestal ein gutes Bier.

Seit vier Jahren hat die Gegend nun ein neues eigenes Bier. Das «Schwarzbuebe-Bier», benannt nach dem Schwarzbubenland, wo die Basler Martin Klotz (55) und seine Frau Susanna Keller (55) leben. Und wo sie kaum mehr wegkommen vor lauter Arbeit. Aus der Schnapsbrennerei, die sie einst kauften, um Platz und Zeit für sich zu haben, wurde ein Bed & Breakfast, ein Restaurant – und eine Brauerei. Das kostet Zeit.

Wichtigstes Instrument: Braupaddel

Von den 350 registrierten Brauereien in der Schweiz produziert mehr als ein Drittel weniger als 1000 Hektoliter im Jahr und gilt daher als Mikro-Brauerei. Mit 56 Betrieben ist die Region Nordwestschweiz überdurchschnittlich brau­freudig. Wie viele der regionalen Betriebe unter «Mikro» fallen, ist schwer zu sagen: Wer mehr als 400 Liter im Jahr für den Eigenkonsum braut oder es an Dritte weitergibt, ist biersteuerpflichtig – die Bandbreite innerhalb dieser Betriebe geht von «Mikro» bis Feldschlösschen. Im Gegensatz zu anderen Steuern handle es sich um moderate Beträge, sagt Patrick Richner von der Oberzolldirektion. Weshalb sich davon kaum jemand abschrecken liesse: «Die Biervielfalt lebt mehr denn je.» Es würden ständig neue Brauereien entstehen.

Die «Alte Brennerei» im solothurnischen Nuglar entspricht also dem Zeitgeist. Dieser Zeitgeist ist eine anspruchsvolle Sache.
Um trinkbares Bier herzustellen, reicht es nicht, aus dem Bauch heraus ein Gebräu aus Hefe und Malz zu zaubern. Die Braukunst ist eine exakte. Mit einer «Gersten­suppe» fängt es an. Im Fall von Martin Klotz sieht das so aus: Mit einem Braupaddel, einem Ruder vergleichbar, rührt er gleichmässig in einer umgebauten Wäschezuber aus Kupfer.

Die Suppe besteht aus verschiedenen Malzsorten, die er zuvor eingemaischt hat. Sie darf ja nicht anhocken. Aus der Masse entstehen am Ende etwa 250 Liter Bier. Klotz steht da und rührt und rührt und rührt. «Wie das Rumpelstilzli», sagt er. Und zitiert: «Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind. Ach wie gut, dass niemand weiss, dass ich Rumpelstilzchen heiss.»

«Unser Bier» legte den Teppich

Was Klotz noch von Hand tut, besorgen sonst vielerorts Maschinen. Zwischendurch lässt er das Paddel mit einer Hand los und steckt mit der anderen einen Thermometer in die Brühe. Je nach Temperatur legt er eine Pause ein. Die Temperatur hat Einfluss auf die Enzyme und später auf Schaum und Würze. «Der Brauer macht die Würze, die Hefe das Bier», sagt er. Das Rühren ist erst der Anfang. Später filtert er die Brühe, siebt sie, gibt Hopfen und Hefe dazu – und lässt das Bier gären. Richtige Temperatur, richtige Dauer, richtiger Ort. Klotz hat die Rezepte seiner Biere im Kopf. Das war nicht immer so.

Wie für die meisten Mikro-Brauer der Region begann auch für ihn alles bei «Unser Bier». Dort besuchte er einst einen Braukurs. Dort sei «der Teppich gelegt» worden für seine jetzige Tätigkeit, sagt er. Eine Tätigkeit, die zum Beruf wurde. Martin Klotz war früher Sozialarbeiter und Fotograf, seine Frau Krankenschwester. Seit der Eröffnung von Restaurant und Brauerei sind sie Vollzeitwirte. Auch sie könnte das Rumpelstilzchen zitieren, passenderweise den Part mit dem Backen: Hier wird praktisch alles selber zubereitet.

Noch braut Martin Klotz vor allem für die eigene Beiz. Ziel ist es, etwa zehn weitere Restaurants und Open ­Airs zu beliefern. Trotz des übermächtigen Feldschlösschen-Konzerns ist er guter Dinge, das Ziel zu erreichen. Wichtig sei der Austausch mit anderen Brauereien. «Wir spielen mit offenen Karten, erzählen uns von unseren Plänen.» So entstehe keine Konkurrenz. Im Sommer führen fünf Mikro-Brauereien einen Regiobrauerei-Tag für die Bevölkerung durch. Als weitere Publikumsaktionen wird Klotz in der «Alten Brennerei» eine Schaubrauerei eröffnen. Bis es so weit ist, wird aber noch viel Bier durch die ehemaligen Wäschezuber fliessen: Bis zu 70 Hekto­liter produziert er pro Jahr. «Ich kann nur noch an Bier denken», sagt er. Und rührt und rührt. Wie das Rumpelstilzchen – nur ein bisschen häufiger.

 

Die kleinsten «Brauereien» befinden sich in Gefängnissen. Dort wird illegal das Knast-Bier «Tschang» gebraut:

1,5-Liter-Pet-Flasche zu vier Fünfteln mit Wasser füllen. 25 Würfel­zucker einrühren. 3,5 Schnitten ­altes Brot hineinbröseln (= Hefe). Das Gebinde verschliessen und auf ­einen Heizkörper (30 Grad) legen.

Nach zwei Tagen beginnt der ­Gärprozess: Die Hefe frisst Zucker, die Umwandlung in Alkohol beginnt. Die entstehende Kohlen­säure baut Druck in der Flasche auf – von jetzt an täglich Druck ablassen!

Nach acht Tagen ist die Haupt­gärung vorbei und der Druck konstant. Gegen Ende der Gärung nicht allen Druck rauslassen, sonst hat das Bier zu wenig Kohlensäure.

Es folgt die Reifung: Das Gebräu an einem dunklen Ort, ohne Durchzug, zwei bis drei Wochen ­reifen lassen.

Das Bier nicht schütteln und kühl servieren. Man trinkt «Tschang» nicht wegen des ­Geschmacks, sondern wegen der Wirkung – diese erstaunt auch bestandene Biertrinker.

(Das Rezept stammt von Martin Klotz)

 

 

Quellen

Alte Brauerei

Regiobrauerei-Tag 2012 (Reservierungen online erst via Alte Brennerei möglich)

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.03.12

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