Jetzt setzen sie alle auch im Asylbereich auf Wettbewerb. Das könnte teuer werden für Bund, Kantone und Gemeinden.
Der kriminelle Asylbewerber ist ein beliebtes Thema in der Politik und in den Medien. Wenn dagegen Asylsuchende vernachlässigt werden, wird das in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen. Selbst Gesetzesverstösse nimmt man den Behörden nicht krumm – so zum Beispiel beim Betrieb der sieben Bundeszentren für insgesamt 4500 Aylsuchende.
Der Auftrag hätte seit 1996 eigentlich öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Das Bundesamt für Migration (BFM) schanzt den Job aber bis heute der privaten Dienstleistungsfirma ORS zu, die das finanziell teilweise recht intransparente Geschäft mit den Flüchtlingen als Erste entdeckt hat. Es war ein Gewohnheitsrecht und ein Unrecht, auf das der Bündner SVP-Nationalrat Heinz Brand 2011 in einer Interpellation ohne viel Aufhebens aufmerksam machte. Der Bundesrat gab ihm recht, nun wird der Betrieb der sieben Zentren bis Mitte Jahr ausgeschrieben, wie das Bundesamt für Migration auf Anfrage der TagesWoche ankündigt. Die «qualitativen Anforderungen» würden derzeit noch «evaluiert».
Bund setzt auf Wettbewerb
Es sind Aussagen, die bei den einen Hoffnungen wecken und bei den anderen Ängste. Brand setzt darauf, dass der Wettbewerb für bessere Leistungen und tiefere Preise sorgen werde, wie er gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagte.
Noch mehr sparen geht nicht, ist dagegen Amnesty International überzeugt. Weitere Kostensenkungen würden automatisch zu Abstrichen bei der Betreuung und den Anforderungen an das Personal führen, sagte Denise Graf, Sprecherin von Amnesty International, kürzlich Radio SRF.
Beim Bundesamt für Migration hört man offenbar eher auf die Hoffnungen als auf die Bedenken, auch wenn das so niemand offiziell bestätigen will. BFM-Sprecherin Sibylle Siegwart geht aber immerhin so weit, von einem «marktgerechten Preis» zu sprechen. Gleichzeitig sagt auch sie, dass die «Öffnung des Marktes» zu einer «optimalen» Betreuungsqualität führen werde.
Klingt gut. Fragt sich bloss, ob der Wettbewerb die grossen Erwartungen auch tatsächlich erfüllen kann. Die Erfahrungen in den Kantonen deuten eher in die andere Richtung. Beispiel Baselland: Dort haben bereits über 30 Gemeinden verschiedene private Firmen für die Betreuung der Asylsuchenden engagiert. Wobei Betreuung zumindest in einem Teil dieser Dörfer vielleicht etwas viel gesagt ist.
Dort sind die Asyl-Unternehmen in den Unterkünften nur ein- bis zweimal während ein bis zwei Stunden pro Woche präsent, wie EVP-Landrätin Elisabeth Augstburger in einem Postulat moniert. Die übrige Zeit würden die Asylsuchenden alleine gelassen.
Viel verändern wird Augstburgers Vorstoss allerdings kaum, weil eine bessere Betreuung eben auch teurer wäre. Die Mehrkosten möchte aber niemand tragen, weder beim Kanton noch in den Gemeinden.
Kontroverse um Hilfswerke
Elisabeth Augstburger hält das für einen Fehler, weil die menschlichen und zwischenmenschlichen Probleme in den Unterkünften eskalieren, wenn sie nicht frühzeitig gelöst werden. «Dann kommt die Polizei, was einiges mehr kostet als eine gute Betreuung», sagt sie.
Das Engagement privater Firmen beurteilt sie darum grundsätzlich kritisch. Genau gleich wie die Basler Flüchtlingshelferin Anni Lanz: «Die Betreuung von Menschen braucht Zeit. Man kann und darf sie nicht immer weiter beschleunigen, als wäre es eine Fliessbandarbeit.» Darum dürfe der Profit nicht im Vorderung stehen, sagt sie. Und darum müsse diese Arbeit Hilfswerken überlassen werden.
Zu viel Mitleid
Eine Forderung, die das BFM nicht weiter kommentieren will. Gut möglich aber, dass es auch in diesem Punkt sehr viel eher auf Heinz Brand hört, den heutigen SVP-Nationalrat und früheren Chef im Bündner Migrationsamt und der Vereinigung der kantonalen Migrationsämter. «Für die Betreuung von Asylsuchenden braucht es professionelle Distanz», sagt er. Bei den Mitarbeitern von Hilfswerken sei dies nicht unbedingt gegeben. Sie hätten zu viel Mitleid.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 15.03.13