Kein Politiker wollte sich für ein Referendum gegen das Basler 100-Millionen-Projekt Claraturm starkmachen. Das übernahm ein Barbesitzer vom Riehenring. Wer ist der Mann?
Es ist Andreas Bernauers grosser Moment, ein Etappensieg im Kampf gegen den Claraturm: Medienleute umringen ihn, Fotos werden geschossen, als er Staatsschreiberin Barbara Schüpbach einen Packen A4-Bögen mit rund 3800 Unterschriften von Baslerinnen und Baslern übergibt, die per Referendum eine Abstimmung über die geplante Neuüberbauung am Riehenring verlangen. Ohne Bernauer wäre es nie so weit gekommen.
Zwar hatte er Hilfe – von Leuten, die ihm erklärten, wie man ein Referendum einreicht, die ihm Tipps gaben und Mut machten. Er wurde unterstützt vom Mieterverband, der via Mitgliederzeitung Unterschriftsbögen in Umlauf brachte, und auch die links-grüne BastA! gab am 18. Juni via Medienmitteilung bekannt, dass sie gegen das Bauvorhaben sei und deshalb das Referendum unterstütze.
Doch zusammen mit Bernauer ein Referendumskomitee gründen wollten weder eine Partei noch einzelne Politiker, selbst die nicht, die im Grossen Rat gegen den Claraturm angeredet hatten. Nachdem das Parlament das 100-Millionen-Projekt des UBS-Immobilienfonds Sima grossmehrheitlich abgesegnet hatte, stuften sie einen Kampf dagegen als zu chancenlos ein. So jedenfalls begründeten sie laut Bernauer ihre Absagen an ihn.
Möglicherweise konnte sich aber auch niemand aus dem links-grünen Lager so recht vorstellen, mit einem in den Kampf zu ziehen, der nicht eindeutig als einer der Ihren zu erkennen ist, der nicht ihren Stallgeruch trägt. Andreas Bernauer, 41, ist Barbesitzer und würde bei einem heiteren Beruferaten wohl auch ziemlich schnell als solcher erkannt: braun gebrannt, die blond-grau melierten Haare nach hinten gekämmt, das Gesicht picobello rasiert, enge Jeans, tailliertes Hemd, schicke Schuhe, dicke Uhr. Gepflegte Lässigkeit. Wir sitzen in einem Basler Café.
Bernauer weiss, wie er auf gewisse Leute wirkt. «Ach, der mit seiner Bar», höre er manchmal, «was will denn der jetzt einen auf Politik machen.» Auch kennt er den Vorwurf, es gehe ihm nur darum, seine Bar zu retten, die wegen des Bauprojekts vom Abriss bedroht ist. Er winkt ab. Die Leute sollen erzählen, was sie wollen, sagt er. «Es stimmt trotzdem nicht.» Aber hier in Basel sei es ohnehin schwierig, ernst genommen zu werden. «Ausser man ist ein Vögelifischer oder ein -ckdt.» Nein, er könnte sich auch vorstellen, an einem anderen Ort eine Bar zu betreiben. «In Luzern zum Beispiel gibts auch Restaurants zu verkaufen, und es ist sehr schön dort, mit dem See und den Bergen …»
Rührende Historikertränen
Als Bernauer im Dezember 2011 die Piano-Bar in den alten Warteck-Häusern am Riehenring eröffnete, wusste er vom Bauprojekt, deshalb erhielt er auch nur einen auf knapp zwei Jahre befristeten Vertrag. Dennoch habe er in das Lokal investiert, es renoviert und neu eingerichtet. Wenn man an einem Geschäft interessiert sei, so seine Devise, sollte man es auch richtig machen.
Aber, das gibt er zu, er habe schon damit gerechnet, dass es länger dauern würde bis zum Abriss der alten Warteck-Häuser. Und er findet, dass es gar nie so weit kommen dürfe. Denn darum gehe es ihm in erster Linie, sagt Bernauer. Er sei kein Historiker, «aber wenn ich mit Historikern rede und sehe, wie sie Tränen in den Augen haben beim Gedanken an den Abriss der Häuserzeile aus dem 19. Jahrhundert, dann rührt mich das schon».
Dass das Bundesgericht Heimatschutz und Denkmalpflege, die die Häuser unter Schutz stellen wollten, eine Abfuhr erteilte, habe nichts mit der Sache an sich, sondern vielmehr mit einer juristischen Formalität zu tun. «Haben Sie das Urteil gelesen?», fragt Bernauer und schüttelt den Kopf: Das Gericht sei wegen «Nicht-Legitimation der Rekurrenten» gar nicht darauf eingegangen. «Ich meine, das hätten die vom Heimatschutz doch wissen müssen, das sind doch Profis.»
Kreativität gegen UBS-Geld
Jedenfalls sei damit überhaupt nicht gesagt, dass die Häuserzeile nicht schützenswert sei. Ja, und dann, dann sei er eigentlich fest davon überzeugt gewesen, das Neubauprojekt würde im Grossen Rat nicht durchkommen. «Ein solches Spekulationsobjekt, in einer links-grün regierten Stadt!» Wie man jetzt weiss, täuschte er sich. «Ich sagte mir, jetzt muss ich reagieren.» Bernauer erkundigte sich beim Baudepartement, ob und wie er gegen das Bauvorhaben vorgehen könne. Und so kam die Sache ins Rollen …
Und auch wenn er auf dem Weg bis zu seinem Etappensieg im Widerstand gegen den Claraturm einige Enttäuschungen erlebt hat – die Freude über die grosse Unterstützung durch die Bevölkerung überwiege, sagt Bernauer. Angst, die Abstimmung zu verlieren, habe er nicht. Zwar habe er mit dem Immobilienfonds der UBS einen mächtigen Gegner, «aber auch mit viel Geld kann man nicht alles machen». Bernauer will dem vielen Geld «Kreativität» entgegensetzen. «Ich habe schon ein paar Ideen, möchte mir aber noch nicht in die Karten blicken lassen.» Ebenso wenig will er die «namhaften» Leute nennen, die ihm in Briefen ihre Unterstützung zugesagt haben. Das tue er erst, wenn sie ihm ihr Einverständnis gegeben hätten. «Das hat mit Respekt ihnen gegenüber zu tun.»
Andreas Bernauer hat Prinzipien, «ich bin so erzogen worden». Sein inzwischen verstorbener Vater, ein Kleinunternehmer aus dem Gundeli, habe ihm Werte vermittelt, die er hochhalte. «Er war eine grundehrliche Person und hatte ein grosses Herz.» So habe er beispielsweise entlassene Strafgefangene angestellt, statt wie andere mit dem Finger auf sie zu zeigen.
Ein Herz für Tiere
Von seinem Vater hat Andreas Bernauer auch, wie er sagt, den ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. «Lug und Trug» könne er nicht ausstehen, da sei er ganz empfindlich. Aber davon habe er, weiss Gott, in seinem Leben genug gesehen. So genug, dass er, der die kaufmännische Lehre gemacht hat, eines Tages den Job bei einer renommierten Treuhandgesellschaft kündigte. «Wie da beschissen wird – und trotzdem ist es legal», das habe er nicht mehr ausgehalten.
Er hat gelernt, sagt er, dass Menschen oft nicht halten, was sie versprechen. «Deshalb liebe ich Tiere über alles, die sind ehrlich.» Zwei Hunde leben mit ihm, der eine reinrassig, der andere eine Strassenmischung, die er in Kroatien aufgelesen hat. Ausserdem reitet er täglich, hat ein Pferd auf einem Reiterhof im Badischen. Kinder hat er keine, von seiner Ehefrau lebe er getrennt.
«Meine Gesichtsbräune, dass Sie das wissen, stammt nicht aus dem Solarium, sondern vom vielen Draussensein – mit den Hunden, mit dem Pferd.» Er grinst, so viel zum Thema Aussehen und wie schnell es Vorurteile bedient. «Man kann mich als Lebemann bezeichnen, das ist mir egal. Ich würde sagen, ich geniesse das Leben.» Er nimmt einen letzten Schluck Cola, klemmt sich seine Mappe unter den Arm und verabschiedet sich mit einem festen Händedruck. Es wartet viel Arbeit auf ihn, der Abstimmungskampf steht ihm noch bevor.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 02.08.13