Werner von Arx schraubte an Flugzeugen herum, bis seine Augen nachliessen. Nun soll seine Aviatik-Sammlung zum Vermächtnis für die Öffentlichkeit werden.
Eines der vielen Flugzeuge, die er restauriert hat, kennt wohl jeder Basler: die Bücker Jungmann von 1953, die als «l’avion espagnol» in der Eingangshalle des Museums Tinguely kopfüber von der Decke hängt. «Die hatte eine Menge Feuchtigkeit abbekommen, die Flügelrippen waren verfault. Aber solche Herausforderungen reizen mich», stellt Werner von Arx klar. Und ist einmal beim besten Willen kein Ersatzteil zu kriegen, baut er es halt nach alten Plänen selbst. Hätten nicht die Augen nachgelassen, der Neunzigjährige würde heute noch an Flugzeugen schrauben.
Werner von Arx, Jahrgang 1923, verbrachte sein Berufsleben als Feinmechaniker und Konstrukteur. Über die Jahrzehnte hat er gut zwanzig Flugzeuge besessen – und viele mehr repariert oder restauriert. Vier davon, darunter eine Hunter der Patrouille Suisse von 1958 sowie der originalgetreue Nachbau einer Grunau Baby, eines Segelflugzeugs aus den Dreissigerjahren, hat er in seinem Hangar 112 am Flughafen Basel untergebracht.
Auf 200 Quadratmetern hat er dort in sechzig Jahren ein wahrhaftiges Aviatikmuseum eingerichtet – voller Modelle, Flugzeugteile, Bilder mit Widmungen, Dokumente, «die ausser mir keiner hat». Bisher ist diese Sammlung nicht öffentlich zugänglich. Doch das soll sich so bald als möglich ändern.
«Heute braucht man zum Fliegen Geld.»
«Heute wäre das, was ich erlebt habe, nicht mehr möglich. Heute braucht man zum Fliegen Geld. Die meisten verlieren dabei etwas – entweder ihr Geld oder ihre Frau», räsoniert von Arx. Irgendetwas hat er wohl besser gemacht als viele andere Aviatik-Angefressene. Dabei half ihm nicht nur das Verständnis, das seine Frau für sein Hobby zeigte, sondern auch ihre Durchsetzungskraft.
Dass Werner von Arx nächtelang in seinem Hangar an Flugzeugen herumschraubte, war nämlich das eine. Er konnte dabei auf Unterstützung des Flughafens setzen. Musste er eine Arbeit nach Einbruch der Dunkelheit abschliessen, bat er die Besatzung des Kontrollturms, die Positionslichter in der Nähe einzuschalten, und arbeitete dann bei offenen Hangartüren weiter. War er um Mitternacht noch immer nicht zu Hause eingetroffen, wusste seine Frau, was sie zu tun hatte. Sie rief beim Kontrollturm an, um anzuordnen, man möge ihrem Mann das Licht nun endlich abschalten.
Die Leidenschaft fürs Fliegen begleitete den Neunzigjährigen sein Leben lang – und trieb ihn in so manches Abenteuer. So liess er 1985 sein Segelflugzeug vom Helikopter aufs Jungfraujoch schaffen, um von dort zu einem Rundflug abzuheben. Selbstredend startete er per Gummiseil von einer Holzpiste, um sich nicht unversehens in einer Gletscherspalte wiederzufinden.
Mit 40 PS über die Alpen
Ernsthaft schlecht bekommen ist ihm keines seiner Abenteuer: «In meinem Leben musste ich nur dreimal notlanden. Aber den Maschinen ist nie etwas passiert.» Wenn man weiss, dass er Flugzeuge mit nur gerade 40 PS über die Alpen geflogen hat, will man sich die Details lieber gar nicht vorstellen. Er selbst meint dazu nur: «Rüber gekommen bin ich immer.»
Bereits als Kind hat von Arx begonnen, Modellflugzeuge zu bauen. Als er mit 14 bei einer Tante wohnte, war es für ihn das höchste Glück, auf einem Flughafen in der Nähe von Wuppertal Flugzeuge schieben zu dürfen, Gummiseile zu holen, einfach all die Handreichungen zu erledigen, die man einen Buben in seinem Alter dort erledigen liess. Das Buch «Flieg mit!» von Walter Ackermann war seine Lieblingslektüre. Dort war jeder Hebel im Cockpit beschrieben. Er konnte es bald auswendig. «So flog ich als Kind schon im Traum. Ich wusste genau, was zu tun ist.»
1943 wurde er in der Schweizer Armee zum Flugzeugmechaniker und MP-Schützen ausgebildet. «Geschossen hab ich aber nie», erinnert er sich. Dafür war er beim Herumschrauben an grossen Flugzeugen in seinem Element. «Ja, und 1945 war dann fertig.»
Fliegen sei für ihn wie Velo fahren, sagt von Arx gern. 1953 machte er das Segelflugbrevet, im gleichen Jahr auch die Motorflugprüfung. Zwei Jahre später war es endlich soweit: Er konnte sein erstes Flugzeug kaufen. Er restaurierte und verkaufte es. Nur um kurz darauf das nächste anzuschaffen.
«Fliegen könnte ich auch blind. Das liegt mir einfach im Blut.»
Hätte nicht die Sehkraft nachgelassen – er wäre wohl heute noch in der Luft. Doch sein Verantwortungsbewusstsein verbot ihm, weiter zu fliegen. 2008 gab er den Flugschein zurück. Auch wenn er überzeugt ist: «Fliegen könnte ich auch blind. Das liegt mir einfach im Blut.»
Über die Jahrzehnte sammelte von Arx Dokumente übers Fliegen, trug Ausrüstungsteile und Bilder zusammen. Sogar ein Stück der Originalpiste, die der Flughafen 1946 von den Alliierten übernommen hatte, ist dabei. Mangels Beton nutzte man damals gelochte Metallstreifen. Fein säuberlich sind einige Quadratmeter der historischen Piste nun in seinem Hangar verlegt, eingesät mit Grassamen, damit es originalgetreu aussieht. Die Giesskanne steht griffbereit.
Er lieh Reinhard Mey sein Flugzeug
Viele seiner Bücher tragen Widmungen von Weggefährten. «Es ist ja nicht nur eine Sammlung – ich war dabei. Die meisten anderen sind nicht mehr da», sagt Werner von Arx. Hardy Krüger und Heinz Rühmann traf er beim Fliegen in Ascona. Franz Josef Strauss hat ihn auf ein Steak eingeladen, als er auf dem Weg nach Strasbourg am Basler Flughafen gestrandet war. Reinhard Mey, der seine Leidenschaft fürs Fliegen in «Über den Wolken» besungen hat, ging mit ihm in die Luft. Mey hatte sich in den Kopf gesetzt, im Videoclip mit einer Bücker Jungmann zu fliegen. Von Arx lieh ihm seine, das Prunkstück seiner Sammlung. Der knallgelbe Doppeldecker von 1936 steht noch heute im Hangar, «und zu Mey habe ich noch immer guten Kontakt».
Nun haben sich engagierte Aviatik-Fans zusammengefunden, die von Arx’ Sammlung in ein öffentlich zugängliches Museum überführen wollen. Am 13. September wird in Basel ein Förderverein gegründet, der das nötige Geld beschaffen hilft.
Ein Standort am Flughafen Basel-Mulhouse ist in Aussicht gestellt. Der Flughafen hat die Bereitschaft signalisiert, Gelände für einen Museumshangar zur Verfügung zu stellen. Hier könnten auch die Archive von Balair und Swissair Platz finden, und die siebzigjährige Geschichte des Euro-Airports könnte ebenfalls hier dokumentiert werden. Ein solches Museum wäre eine wunderbare Verbindung von grossen und kleinen Schweizer Luftfahrt-Geschichten.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.08.13