Ein Premierminister als Architekt seiner Denkmäler

Am Samstag tritt der türkische Premier Erdogan zum ersten Spatenstich für den Bau des neuen Istanbuler Flughafens an. Er soll der grösste der Welt werden und ist nur eines von mehreren Mega-Projekten, mit denen sich Erdogan verewigen will.

Ich bin die Nummer 1 und das werdet ihr an meinen Baudenkmälern erkennen – der türkische Premier Erdogan. (Bild: UMIT BEKTAS)

Am Samstag tritt der türkische Premier Erdogan zum ersten Spatenstich für den Bau des neuen Istanbuler Flughafens an. Er soll der grösste der Welt werden und ist nur eines von mehreren Mega-Projekten, mit denen sich Erdogan verewigen will.

Es soll nicht irgendein neuer Flughafen werden sondern der grösste der Welt. An diesem Samstag legt der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan westlich von Istanbul den Grundstein für den geplanten Mega-Airport – ungeachtet eines gerichtlich verfügten Baustopps.

Erdogan hat eine  ehrgeizige Vision: Bis zum Jahr 2023, wenn sich die Gründung der Republik zum 100. Mal jährt, will er die Türkei zu einer der zehn grössten Volkswirtschaften der Welt machen. Gigantische Infrastrukturprojekte sollen dem Land den Weg in die erste Liga der Industrienationen ebnen.

600’000 Bäume für 6 Flugzeugpisten

Der neue Airport ist im Endausbau mit sechs Start- und Landebahnen für 150 Millionen Passagiere pro Jahr ausgelegt. Damit wäre er das grösste Luftverkehrs-Drehkreuz der Welt. Der türkische Luftverkehrsmarkt wächst rasant. Seit 2007 stiegen die Passagierzahlen von 54 auf 123 Millionen. Im ersten Quartal 2014 überholte der Istanbuler Atatürk-Flughafen bei den Verkehrszahlen erstmals sogar Frankfurt. Aber Atatürk hat seine Kapazitätsgrenze erreicht. Vor allem die nationale Fluggesellschaft Turkish Airlines braucht den neuen Flughafen. Sie will ihre Flotte von heute 249 Maschinen bis 2021 auf 432 Flugzeuge erweitern.
Doch das Flughafenprojekt ist umstritten. Rund 660’000 Bäume im Belgrader Forst, dem grössten zusammenhängenden Waldgebiet in der Umgebung von Istanbul, sollen für den

Flughafen und die Zufahrtsstrassen gefällt werden. Umweltschützer befürchten unabsehbare Folgen für die Trinkwasserversorgung und das Klima der 18-Millionen-Metropole. Im Februar erliess ein Istanbuler Verwaltungsgericht einen Baustopp. Doch die Regierung will sich darüber hinwegsetzen: «Das Projekt geht ohne Pause weiter», erklärte Umwelt- und Städtebauminister Idris Güllüce.

Ein Verwaltungsgericht untersagte den Abriss der Roma-Siedlung Sulukule in Istanbul. Die Regierung liess dennoch die Bulldozer anrücken.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Regierung Gerichtsurteile übergeht. So untersagte 2012 ein Verwaltungsgericht den geplanten Abriss der Roma-Siedlung Sulukule in Istanbul. Die Regierung liess dennoch die Bulldozer anrücken, auf dem Areal wurden Luxuswohnungen gebaut.

Erdogans Bauvorhaben polarisieren die türkische Gesellschaft. Auf dem Camlica-Hügel am asiatischen Ufer des Bosporus lässt der Premier eine Mega-Moschee mit den höchsten Minaretten der Welt errichten. Die Kritiker des Premiers sehen darin ein Symbol für seine «geheime Agenda», die Islamisierung von Staat und Gesellschaft.

Das wohl umstrittenste Erdogan-Vorhaben ist der Bau des «Kanal Istanbul», einer künstlichen Wasserstrasse vom Schwarzen Meer zum Marmarameer, die den Bosporus entlasten soll. Fachleute sagen, der Kanal gefährde den Wasserhaushalt der gesamten Region.

Eine Autobahn durch den Uni-Campus

Aber auf ökologische Belange nimmt Erdogan bei den Grossprojekten, mit denen er sich auch selbst verewigen möchte, wenig Rücksicht. Den Bau einer dritten Hängebrücke über den Bosporus treibt der Premier trotz erheblicher Bedenken von Umweltschützern voran. An der geplanten Bebauung des Istanbuler Gezi-Parks, wo der Premier die Nachbildung einer ottomanischen Militärkaserne errichten wollte, entzündeten sich im vergangenen Sommer Massenproteste, die auf 79 der 81 türkischen Provinzen übergriffen.

Als im vergangenen Jahr Umweltschützer in Ankara gegen den Bau einer Autobahn protestierten, die mitten durch den Campus der Technische Universität führen sollte, erklärte Erdogan: «Strassen  sind Zivilisation». Den Kritikern des Projekts empfahl er, sie sollten doch «in den Wald ziehen und dort leben».

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