Ein «Schwarzer Block» infiziert die Strassen

Ein obskurer «Schwarzer Block» hat sich unter die demonstrierenden Jugendlichen in Ägypten gemischt, deren Strassenproteste zunehmend chaotischer und gewalttätiger werden und der Kontrolle der politischen Gruppierungen entglitten sind.

Die Demos in Kairo (im Bild: 26. Januar 2013) wirken bedrohlich. (Bild: Keystone)

Ein obskurer «Schwarzer Block» hat sich unter die demonstrierenden Jugendlichen in Ägypten gemischt, deren Strassenproteste zunehmend chaotischer und gewalttätiger werden und der Kontrolle der politischen Gruppierungen entglitten sind.

Schwarz vermummte Gestalten, auf ihrem T-Shirt als «Platzwächtertruppen» gekennzeichnet, kontrollieren am Jahrestag der Revolution des 25. Januar einen der Eingänge zum Tahrir-Platz. Angestachelt durch den dumpfen Klang von Trommelschlägen werfen an einer andern Ecke des Platzes schwarze Gestalten Steine gegen die Sicherheitskräfte. Die schiessen Tränengas-Patronen  zurück. Der «Schwarze Block» hatte bei den Protesten am vergangenen Freitag seinen ersten grossen Auftritt. Auf die ersten Vorboten dieses neuen Phänomens in den Tagen zuvor  hatten geschäftstüchtige Händler schnell reagiert. Die schwarzen «Skimützen» mit kleinen Löchern für Mund und Augen waren für einige Pfund an vielen Ständen mit Revolutionsutensilien bereits zu kaufen, die Nachfrage gross.

Gewalt als Mittel zum Zweck

In einem Video auf YouTube, das schnell Tausende angeklickt hatten, machte der «Schwarze Block» letzte Woche seine Existenz und seine Botschaft publik. Das öffentliche Erscheinen sei notwendig geworden, um gegen das Regime von faschistischen Tyrannen, den Muslimbrüdern und ihrem Militärflügel, zu kämpfen. Der Block sei wie ein Virus, nicht reguliert; Taktik und Widerstand unter Anarchisten und antiautoritären Bewegungen bewährt. Die Hintermänner mit schwarzer Maske, schwarzem Outfit und schwarzer Fahne mit grossem «A» liessen keinen Zweifel, dass die Ziele der Revolution auch mit Gewalt oder Sabotage-Akten erreicht werden sollen.

Die Mitglieder bleiben anonym. Sie formieren sich in einzelnen, unabhängigen Zellen von 10 bis 100 Mitgliedern und verständigen sich mit geheimen Zeichen. Niemand darf in ihrem Namen sprechen, denn eine strukturierte Organisation sind sie nicht. Vorbild ist die Taktik des «Schwarzen Blocks», die in Europa bei vielen Protesten angewendet wurde, etwa in Deutschland in den Siebzigerjahren oder später bei Anti-Globalisierungsprotesten.

Mitglieder des «Schwarzen Blocks» waren in den letzten Tagen in mehreren Städten des Landes dabei, wenn Proteste in Gewalt gegen die Sicherheitskräfte ausarteten, Eisenbahnlinien unterbrochen,  die Metro lahmgelegt oder Regierungsgebäude angegriffen wurden. Zum Teil agierten sie zusammen mit Fussball-Ultras, was zu Mutmassungen führte, der «Schwarze Block» könnte zum militärischen Arm der Ultras werden. Auch bei Plünderungen in einem Luxushotel in Kairo sollen schwarz Vermummte präsent gewesen sein. Der Generalstaatsanwalt hat bereits eine Untersuchung wegen solcher Gewaltakte eingeleitet.

Islamisten als Vorreiter

Ihr Zweck sei es nicht, die Menschen einzuschüchtern, erklärte ein anonymes Mitglied einer lokalen Zeitung. Aber genau das ist geschehen. «Sie verbreiten Angst und Verunsicherung. Jeder kann sich unter einer schwarzen Mütze verstecken», sagt die Politikerin einer liberalen Partei am Rande der Demonstration zum Jahrestag der Revolution im Gespräch. Diese spontanen, oft gewalttätigen Aktionen würden die Arbeit der politischen Opposition noch schwerer machen, zeigt sie sich überzeugt.

Auch im Netz entspannte sich eine heftige Diskussion. Der «Schwarze Block» sei eine natürliche Reaktion, wenn das Regime Milizen schicke, um Sit-ins nieder zu knebeln, lautete einer der Kommentare. Man solle alle Mitglieder verhaften, ein anderer. Die Bildung einer neuen «revolutionären» Miliz würde alle übrigen Revolutionäre und Demonstranten diskreditieren, befand ein bekannter Aktivist und Blogger.

Politische Beobachter zeigen sich besorgt über diese Entwicklung. Tatsächlich ist der «Schwarze Block» eine Reaktion auf martialische Aufmärsche von Anhängern des Salafisten Hazem Abu Ismail und auch die Muslimbrüder hatten anlässlich einer grossen Demonstration in Kairo gedroht, sie seien bereit, den Präsidentenpalast mit einer Million Märtyrern zu verteidigen. Wenn der Präsident solche Erklärungen seiner Gefolgsleute nicht verurteile und der Staat seine Fähigkeit verloren habe, Gesetzesbrecher abzuschrecken, müsse man sich nicht wundern, wenn derartige Milizen entstünden. Die Folge sei, dass sie das Land weiter auf den Abgrund zu treiben würde, lautete das Fazit eines Kolumnisten.

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