Die Zwischennutzung am Basler Hafen bleibt ein brisantes Thema. Im Rahmen des Kongresses «Reclaim Democracy» an der Uni Basel luden Fachkundige deshalb zum Spaziergang durchs Dreiländereck. Wir waren dabei und sahen: Hier kommt noch was auf uns zu.
Hafenareal, quo vadis? Seit bald einem Jahrzehnt wird in Basel lautstark um die ans Klybeck und Kleinhüningen grenzende Halbinsel gestritten. Besetzer, Politiker, Vereine, Kanton und Novartis – alle hatten sie ihr Wörtchen mitzureden. Es wurde geplant, gepoltert, blockiert und reagiert, bis niemand mehr so genau wusste, wer wofür einstand – und wieso.
Ein dreistündiger Hafenrundgang sollte deshalb Ordnung ins – saisonbedingt – abgekühlte Wirrwarr bringen.
Ein Blick auf die Karte und sie weiss, wohin – der Klybeckquai hingegen nicht. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Er fand im Rahmen des Kongresses «Reclaim Democracy» (2. bis 4. Februar) statt, der mit Dutzenden Vorträgen und Diskussionsrunden an der Uni Basel aufzeigen wollte, «wie Demokratie und Menschenrechte gegen die Ökonomisierung von Politik und Gesellschaft und gegen Rassismus stark gemacht werden können», so der Wortlaut des Programms. Es ging um die Macht von oben, ausgeübt von Staatsgewalt und neoliberaler Privatwirtschaft, und den Widerstand von unten, vom leidtragenden Volk.
Es sind Aspekte, die die Bebauung des Hafenareals, des geplanten und neu geplanten «Rheinhattan», massgeblich tangieren – weshalb der Spaziergang «durch die stadtpolitischen Brennpunkte der Stadt» ins Programm genommen wurde.
Während drei Tagen stand die Uni Basel ganz im Zeichen der Demokratie: Vom 2. bis zum 4. Februar fand der Kongress «Reclaim Democracy» statt. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Tourenführer sind Reto Bürgin – ein junger Basler, der seine Masterarbeit dem Areal widmete und nun an der ETH unter anderem zu urbanen sozialen Bewegungen forscht – und Dr. Claudia Saalfrank, Humangeographin an der Uni Basel mit Fokus auf Stadt- und Regionalforschung. Als Überraschungsgast stiess Katja Reichenstein hinzu, die als Mitglied des Vereins «shift mode» für die Zwischennutzung des ehemaligen Migrol-Areals auf der Halbinsel mitverantwortlich ist.
Viel zustimmendes Kopfnicken
Von der Tramstation Kleinhüningen aus gehen die rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Wasser entlang. Erster Halt: Wilhelm Müngers tordierende Plastik, «Pylon» genannt.
Die Sonne im Nacken sticht, und auch Saalfranks Worte zum Entwicklungsprojekt «3Land» führen eine Spitze: «Der neue Stadtraum wird einzig für strategisch ausgewählte Gruppen geplant.» Ein Ruf aus der Zuhörerschaft definiert: für gut bis sehr gut Verdienende. Der öffentliche Raum garantiere die Präsenz aller Gruppen und sei Teil der sozialen Gerechtigkeit: «Diese wird dem neuen Stadtraum zum Opfer fallen», sagt Saalfrank.
«Die soziale Gerechtigkeit wird dem neuen Stadtraum zum Opfer fallen» – Dr. Claudia Saalfrank erklärt den gleichgesinnten Spaziergängern vor dem «Pylon» ihre Position zum Projekt «3Land». (Bild: Alexander Preobrajenski)
Zustimmendes Nicken unter den Hörern, und es wird klar, was man im Voraus bereits erahnen konnte: Die Meinungen der Spaziergänger sind gemacht. Es wird ein Rundgang von Gleichgesinnten, die sich gegenseitig in ihren Ansichten bekräftigen. Das Kopfnicken wird uns durch die drei Stunden hindurch begleiten.
«Die Raumplanung in der Schweiz ist per Verfassung öffentlich», bemerkt ein älterer Herr plötzlich mit erhobenem Zeigefinger. Vor zwei Jahren habe er in der TagesWoche gelesen, wie die Regierung die Zwischennutzung des Klybeckquais undurchsichtig organisierte und Deals im Rücken der Öffentlichkeit abgeschlossen haben soll. «Das Volk muss immer einen Finger in der Planung behalten», warnt er nachdrücklich.
«Konflikte sind die Idee einer Zwischennutzung»
Die Politik wiederum, die werde sich die Finger noch einige Male verbrennen, meint Katja Reichenstein später, als wir unter einer Wolkendecke vor der Trendsport-Halle auf dem ehemaligen Esso-Areal stehen. Die Bevölkerung werde nicht miteinbezogen – das Resultat seien Bauten wie das Wohnquartier Erlenmatt: «Das ehemalige NT-Areal ist zum Sinnbild für schreckliche Bauplanung geworden», sagt sie.
Als Zwischennutzerin muss sie das sagen. Doch auch ihre Klientel sorgte zusammen mit den Wagenplatz-Leuten für negative Schlagzeilen – zum Beispiel mit Ausschreitungen auf dem Hafenareal. Viele unschöne Dinge seien passiert, sagt Reichenstein dazu. Sie selbst sei eine sehr kritische Person. Doch einen Krieg, wie ihn die Medien beschrieben, habe es nie gegeben. Veränderungen seien von der Stadt, der die illegale Besetzung durch den Wagenplatz ein Dorn im Auge war, zu schnell erzwungen worden. Die Zwischennutzer sollten die Wagenburg verdrängen, doch sie spielten nicht mit, so dass man die Causa Wagenplatz per halblegaler Duldung schloss.
Nicht nur bei Katja Reichenstein, sondern auch bei den Hörern zeigten sich Emotionen. (Bild: Alexander Preobrajenski)
«Konflikte sind die Idee einer Zwischennutzung», fügt Reichenstein an. Nur so gebe es eine öffentliche Diskussion und Veränderungen im Sinne der Bevölkerung. Hier wäre es interessant gewesen, eine Gegenstimme – ob von kantonaler, unternehmerischer oder privater Seite – zu hören. Sie hätte auch unter den Spaziergängern eine Diskussion anfachen können. Doch die Stimme fehlte, oder blieb stumm.
Also sprach Reichenstein weiter: Bis 2021 dürfen die Vereine und der Wagenplatz ihre Zelte aufgeschlagen lassen. Und dass noch vor 2027 gebaut werde, bezweifle sie stark.
Projekt «3Land»: «Visionen» statt Pläne
Sie könnte recht behalten. Denn die Projektleiter von «3Land» scheuen sich, einen definitiven Plan zu präsentieren, ja ihn überhaupt so zu nennen. Es wird von «Visionen» gesprochen, um eine ständige Debatte über die Areal-Planung aufrecht erhalten zu können. Ausgang: ungewiss.
Nach der Entrüstung, welche die erste Idee eines «Rheinhattan» ausgelöst hat, ist das wenig überraschend. Reto Bürgin hat zusammen mit Ueli Mäder vor zwei Jahren eine Studie zur Hafensituation publiziert und referiert nun – unter zunehmendem Windgang – in der lebhaften Manier eines Geschichtenerzählers über die Unmöglichkeit einer Befriedigung aller Parteien. Und darüber, wie es in den letzten zehn bis 15 Jahren immer wieder zu Diskussionen, zeitlichen Verschiebungen und verärgerten Anwohnern kam.
Reto Bürgin zeigt eine «Entwicklungsvision» des Projektes «3Land», die für Widerstände aus der Bevölkerung gesorgt hat. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Der Wind wird kräftezehrend und wir suchen Unterschlupf in der Uferbox, einem wunderschönen Holzbau, der als Atelier, Bar und Restaurant genutzt wird. Mit den leicht pathetischen Worten «wir wollen was verändern» und «wir sind auch jemand» endet der Spaziergang. Und nach allem, was wir einseitig über vielseitige Standpunkte, sprudelnde Emotionen und ablaufende Fristen gehört haben, wissen wir, obwohl es mittlerweile eiskalt ist: Die Diskussion ums Dreiländereck ist noch lange nicht abgekühlt.