Ein Wahlbasler an der Front

Tausende Basler Einwohner mit ausländischem Pass zogen in den Krieg. Nicht viele hatten so viel Glück wie der k.u.k. Soldat Alois Frühwirth.

Familie Frühwirth: Vater Alois zog für den Kaiser in den Krieg. (Bild: Privatbesitz)

Tausende Basler Einwohner mit ausländischem Pass zogen in den Krieg. Nicht viele hatten so viel Glück wie der k.u.k. Soldat Alois Frühwirth. Er kehrte unverletzt wieder heim.

Basel wurde während des 1. Weltkrieges von Kampfhandlungen verschont. Doch auch hier war die Anteilnahme am Schicksal der Soldaten gross. Mehr als ein Drittel der städtischen Bevölkerung hatte eine andere als die schweizerische Staatsbürgerschaft. Tausende verliessen Basel, um zu ihren Truppeneinheiten zu gelangen, Tausende Familienangehörige, die im Ausland lebten, wurden eingezogen.

Auch die Familie Frühwirth durchlebte den Krieg auf diese Weise. Alois Anton Frühwirth (1878–1940) stammte aus Pressburg, dem heutigen Bratislava. Er war der Sohn eines Wiener Fotografen und kam mit seiner Frau und seinem Sohn Karl als Vertreter der Frobenius AG nach Basel. Der Zeitpunkt ist nicht bekannt.

Exklusive Führung durch 1.Weltkriegs-Ausstellung für TagesWoche-Leserinnen und Leser
Unsere Serie über Basel und die Schweiz in der Zeit des 1. Weltkrieges basiert auf den vier Alben des Basler Hauptmanns Victor Haller. Seine Bücher werden in der Universitätsbibliothek aufbewahrt und sind dort nun Teil der sehenswerten Ausstellung «Der Erste Weltkrieg in der Region Basel». Unsere Leserinnen und Leser erhalten die exklusive Gelegenheit einer rund einstündigen Führung: Historiker David Tréfás wird am Donnerstag, 3. Juli, und am Donnerstag, 28. August, die interessantesten Ausstellungsstücke ab 17.30 Uhr präsentieren und erklären. Danach gibt es einen Apéro. Ihre Anmeldung können Sie an community@tageswoche.ch oder an TagesWoche, Gerbergasse 30, 4001 Basel schicken (bitte Personenanzahl angeben).

Hohe Verluste

Der Krieg erreicht die Familie im Frühjahr 1915. Der Kriegseintritt Italiens zeichnete sich ab, und die k.u.k. Armee hatte weder an der russischen noch an der serbischen Front Fortschritte erzielt. Im Gegenteil: Die Verluste waren so hoch, dass auch ältere Jahrgänge eingezogen wurden.

Zu diesem Zeitpunkt war Alois Frühwirth bereits 37 Jahre alt. «Unser Herr Consul hat es mit mir so eilig gehabt, ich hätte noch können ein Monat bei Euch bleiben und wäre natürlich viel später an die Front gekommen», schrieb er im April an seine Frau. Er reiste über Innsbruck in seine Heimatstadt Pressburg, wo er sich dem 72. Infanterieregiment anschloss. Aus Innsbruck schrieb er noch begeistert nach Hause: «Geht mir sehr gut, was ich auch von Euch hoffe. Hier ist grosse Kriegsstimmung.»

Das Postkartenmotiv ist eine Zeichnung eines österreichischen Soldaten, der Belgrad zertritt. Die Aufschrift: «Hurra, nach Belgrad hinein, Serbien muss unser sein!» Die Stimmung änderte sich jedoch rasch. In einem vom 11. April 1915 datierten Brief seufzt Frühwirth: «Ich hätte schon nichts mehr dagegen, wenn wir schon morgen mit dem Kriegführen aufhören würden.» Er sehnte sich nach seiner Frau und seinem Beruf. Er versprach: «Wenn ich heimkomme, sollst Du es sehr gut haben.» Seine Frau zog derweil zu Alois’ Bruder an den Heimgartenweg in Neu-Allschwil in dessen neues Reihenhaus.

«Hurra, nach Belgrad hinein, Serbien muss unser sein!»

Alois Frühwirths Regiment rückte im Mai 1915 an die unruhige wolhynische Front aus. Die Mittelmächte griffen die Russen an, diese antworteten mit Gegenangriffen. Von Januar bis April 1916 nahmen die Russen 5740 Österreicher gefangen. Während des gesamten Krieges stieg die Zahl auf 2,1 Millionen Österreicher.

Einer von ihnen war Alois Frühwirth. Über die Gefangennahme ist nichts bekannt. Da das Regiment aber zur Hälfte aus Slowaken bestand, könnte der Verband auch übergelaufen sein. Alois trat die beschwerliche Reise über Kiew in das Lager Novo-Nikolaevsk, das heutige Nowosibirsk, an. Davon zeugt eine hölzerne Zigarettenschachtel mit entsprechender Aufschrift. Die Behandlung der Gefangenen war in vielen Fällen katastrophal.

Mit der Russischen Revolution 1917 änderte sich vieles. Im Lager übernahm die tschechoslowakische Legion die Macht. Sie kämpfte sich entlang der Transsibirischen Eisenbahn bis an die Pazifikküste durch.

Drohende Todesstrafe

Alois Frühwirth hatte sich der Legion wohl angeschlossen. Legionären, die in die Hände der k.u.k. Armee gerieten, drohte die Todesstrafe. Seine letzte Nachricht vor seiner Rückkehr stammt von Februar 1919 aus dem Lager Nikolsk-Ussurisk, unweit Wladiwostok. Die Nachricht ist knapp: «Gesund, hoffe es auch von Euch. Gruss.» Seine Frau und sein Sohn wohnten zu diesem Zeitpunkt bereits an der Allschwilerstrasse 43 in Basel.

Dorthin kehrte Alois Frühwirth erst im Spätsommer 1920 zurück. War er, wie die anderen Legionäre, von amerikanischen Schiffen evakuiert und über die USA nach Europa repatriiert worden? Dazu fehlen historische Belege und Anekdoten.

Frühwirth blieb bis zu seinem Tod in Basel. Sein Sohn Karl wurde 1924 eingebürgert und diente im nächsten Krieg in der Schweizer Armee. Er selbst starb 1940 als nunmehr slowakischer Staatsbürger – wie viele Basler Rückkehrer, deren Geschichten in der Stadt nie gewürdigt wurden.


David Tréfás ist Projektleiter der Ausstellung «Der Erste Weltkrieg in der Region Basel», die bis am 6. September an der Basler Unibibliothek zu sehen ist. Mehr zum Thema in unserem Dossier.

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