Ein wilder Trip durch ein verrücktes Europa der Vorurteile

Schweizer essen Schoggi, Deutsche haben keinen Humor und Griechen sind faul. Für den TV-Sender Arte hat Knackeboul Klischees und Vorurteile überprüft.

Schweizer essen Schoggi, Deutsche haben keinen Humor und Griechen sind faul. Für den TV-Sender Arte hat Knackeboul Klischees und Vorurteile überprüft. Und siehe da: Sie stimmen alle. Aber auch das Gegenteil.

Immer diese Roastbeef fressenden, Tee trinkenden Alkoholiker-Engländer. Diese adeligen Grossmäuler, die während der Fuchsjagd, während dem Fussball oder nach dem Kricket bei Fish ’n‘ Chips Witze über Dianas Tod machen, während sie ihren Toast anbrennen lassen.

Oder diese von Mutters Pasta besessenen Gestik-Epileptiker namens Italiener, die als Gigolo bei der Mafia «bella figura» machen.

Diese dicken deutschen Hanswürste, die selbst nach zehn Mass Bier noch keinen Sinn für Humor haben und immer pünktlich und strebsam zum Fussball erscheinen, um das totale Spiel zu dominieren.

Immer noch besser als diese grossmäuligen französischen Lustmolche, die die Bordeaux-Guttere höchstens absetzen, um sich einen Fetzen Froschschenkel ins Schnecken-Butter verschmierte Maul zu stecken oder eine Geliebte oral zu befriedigen während sie streiken.

Da wünschte man sich manchmal, einer dieser heissblütigen Spanier würde Flamenco tanzend um die Ecke kommen und so lange mit Tapas um sich werfen, bis der Stier durchbrennt, damit er ihn nach der Siesta zum Vergnügen der anderen Kastagnetten schwingenden Hitzköpfe zu Tode quälen kann. Weil das ja Kunst ist – Kultur!

Der vergammelte Fisch der Schweden riecht übrigens käsig wie die Schweizer Gassen.

Etwas, das schwedische Männer nie machen würden. Diese Vaterschaftsurlaubs-Weicheier können froh sein, wenn sie zur Abwechslung mal nicht von ihren immergeilen grossbusigen Blondinen mit einem Ikea-Stuhl in die Wildnis geprügelt werden, wo sie dann mit Elchen umherziehen und sich von vergammeltem Fisch ernähren. Der riecht übrigens käsig, ähnlich wie die Schweizer Gassen.

Die Schweizer selbst stopfen sich mit Schoggi voll, ihre Banken sind gefüllt mit Geld aus dubiosen Machenschaften und während verrückte Sennen auf der Alp die Löcher in den Käse schiessen, kauft sich Heidi mit den gesparten Steuern e Chuchichäschtli.

Wo sind eigentlich die Griechen? Die schlafen bestimmt wieder, diese faulen Säcke. Aber bei der Menge Ouzo, die sie in sich reinschütten, und den Tonnen Fleisch, die sie verzehren, wunderts einen nicht. Wenn die nicht permanent Sirtaki tanzen würden, wären sie allesamt dicker als ihr Schuldenkonto.

Dafür sind die Öster reich. Lol. War das jetzt der Wiener Schmäh? Wohl kaum. Dafür müsste ich täglich zweihundert Schnitzel essen und täglich meine Leichen im Keller zählen, bevor ich mich mit meinem Käsekrainer zum Grossaufmarsch rechtsradikaler Burschenschaften aufmache. «Bist angrennt, du Gsicht?!»

Oida, jetzt überholt mich da gerade ein Holländer mit seinem Wohnwagen. Ja gut, mitlaufen könnt er ja nicht in diesen Holz-Zoggeln aka Klumpen. Aber was ist das nur für ein Geruch? Klar, wieder am Kiffen, der Freak! Dass der das nicht zu Hause in seiner Windmühle machen kann!

Kontrast sorgt für Harmonie

Liebe Deutsche: Der vorangegangene Text enthält Ironie. Liebe Engländer, ich weiss, das ginge besser. Liebe Schweizer, ich weiss: nicht lustig. Trotzdem ist das ein bunter Strauss von Vorurteilen, die wir alle über diese Europäer kennen.

Für die Arte-Sendung «Stereotyp» bin ich losgezogen, um zu sehen, was es mit diesen Klischees auf sich hat. Und ich hab sie alle genau so vorgefunden. Und das pure Gegenteil davon auch. Und Grauzonen.

Meine Reisen haben über eineinhalb Jahre gedauert. Ein wilder Trip durch ein verrücktes Europa. Die Länder unterscheiden sich in so vielem und sind sich doch auch sehr ähnlich. Man könnte sagen, das «Nicht-Zusammenpassen-Können» verbindet uns. Der Kontrast sorgt für Harmonie. Die Vorurteile, die Abgrenzungen, das Sich-lustig-Machen über die Eigenarten der anderen bergen verbindendes Potenzial, wenn sie mit einem Augenzwinkern, mit Selbstironie und der überall schlummernden oder sprudelnden Gastfreundschaft kombiniert werden.

Die mannigfaltige Mama-Fixierung der Italiener ist überwältigend, die Deutschen und der Humor – das ist tatsächlich eine Tragikomödie.

Als fast neurotischer Meinungsbekunder war es meine Haupt-Challenge, Situationen neutral zu betrachten, Verhaltensweisen hinzunehmen und Situationen einfach wirken zu lassen. Entgegen meiner Abneigung gegen jegliche Art von Vorurteil und Klischee musste ich immer wieder feststellen, dass sich in spezifischen Ländern spezifische Klischees bewahrheiten: Die mannigfaltige Mama-Fixierung der Italiener ist überwältigend, die Deutschen und der Humor – das ist tatsächlich eine Tragikomödie, während die Engländer die Ironie sozusagen erfunden haben und den Österreichern ein Hang zum Morbiden nicht abzusprechen ist.

Interessant ist oft die Herkunft dieser Stereotypen oder eben deren Graustufen. So habe ich gelernt, dass Geografie und Klima immer einen grossen Einfluss auf die «Volksseele» haben. Grosse Gebiete Frankreichs sind ideal für Rebberge und der Wein fliesst in Strömen in die Kultur, in den Gesang, hin zur Geselligkeit und vielleicht auch etwas zur grossen Klappe.

Die geografische Lage Deutschlands bewirkte, dass sich über Jahrhunderte (also nicht nur in den Weltkriegen) auf dieser grossen Ebene inmitten Europas die Völker in grausamen Kriegen bekämpften. Der 30-jährige Krieg soll dafür verantwortlich sein, dass Ironie in einer Zeit, in der jede Aussage tödlich sein konnte, verpönt war. Der Engländer schwarzer Humor hingegen ist ihr Ventil für das sonst eher oberflächlich gesittete Verhalten, das ihnen abverlangt wird.

Natürlich sind viele Klischees auch einfach Quatsch oder in ähnlicher Form den meisten Ländern eigen. Trotzdem habe ich auf dieser Reise gelernt, dass sich die europäischen Gemüter unterscheiden können wie eine Pizza aus Napoli von Fish ’n‘ Chips aus Manchester.

Eins kann ich mit Sicherheit sagen: Ich habe mich auf diesen Reisen Hals über Kopf in Europa verliebt.

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«Stereotyp»: ab Montag, 29. Mai, täglich um 16.15 Uhr auf Arte

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