Steckt dahinter die übliche Neiddebatte? Ist es billiger Populismus einer gebeutelten Kleinpartei? Geht es um Ressentiments gegen Politiker? Die Ruhegehalts-Initiative der Grünliberalen hat jedenfalls die etablierten Parteien nervös gemacht.
«Wir sind erschrocken», erklärt Christophe Haller (FDP), «dass in den letzten Wochen fast nur die Initianten zu Wort gekommen sind.» Also hat sich Haller mit Exponenten aller wichtigen Grossratsparteien von Grün bis SVP zusammengetan und ad hoc ein Komitee aus dem Boden gestampft. Eines, dass die grünliberale Ruhegehaltsinitiative am 4. März an der Urne stoppen will.
Die Initiative will die Lohnfortzahlungen der Basler Regierungsräte auf maximal drei Jahre nach Abwahl oder Rücktritt begrenzen. Bislang erhalten Regierungsräte je nach Alter und Amtsdauer maximal zehn Jahre lang 65 Prozent ihres Gehalts ausbezahlt, also rund 1,7 Millionen Franken total. Die jetzt gültige Regelung wurde erst Ende 2015 angepasst, bis dorthin gab es ein Ruhegehalt bis zur Pension – bis 2008 gar eine Lebensrente.
Die GLP, davon kann man ausgehen, wird mit ihrer Initiative an der Urne ein achtbares Resultat, womöglich sogar einen Erfog verbuchen. Das zeigt der Erfolg der «Abzockerinitiative» von 2013, die Abgangsentschädigungen bei Managern begrenzen wollte.
Patrick Hafner, SVP-Grossrat im Gegenkomitee, sagt: «Die Grünliberalen versuchen sich in den Vordergrund zu stellen, indem sie den Neid bei den Leuten ansprechen.» Hafners SVP steht der GLP allerdings ebenso bei wie die FDP von Christophe Haller, die übrigen grossen Parteien sind gegen die Kürzungen.
Patricia von Falkenstein glaubt, die Job-Chancen der Regierungsräte würden überschätzt.
Das Schlagwort «Neiddebatte» fällt beim Gegenkomitee öfters. Für David Wüest-Rudin, Grossrat der GLP, ist das ein «Scheinargument». Es gehe ihm nicht um Neid, er sei sogar dafür, die Gehälter der Regierungsräte von bislang rund 300’000 Franken im Jahr heraufzusetzen, wenn man dies als nötig erachte. «Wir sind aber der Auffassung, dass derartig grosszügige lange Ruhegehälter die Glaubwürdigkeit der Politik beschädigen.»
Wenn ein 55-Jähriger in der Privatwirtschaft seinen Job verliere, habe er zwei Jahre Zeit etwas neues zu finden, ansonsten werde er ausgesteuert. «Aber ausgerechnet top qualifizierten Regierungsräten mit ihrem Netzwerk, Fachwissen und Führungserfahrung werden bis zu zehn Jahre gewährt – das versteht keiner.»
Für Hafner ist das ein falscher Vergleich: «Wir sollten Regierungsräte nicht mit normalen Arbeitnehmern vergleichen, sondern mit Top-Managern.» Für diese sei es oft auch nicht einfach, in kurzer Frist einen neuen, ähnlich gut bezahlten Job zu finden.
Auch Patricia von Falkenstein, Präsidentin der LDP, glaubt, die Job-Chancen der Regierungsräte würden überschätzt: «Man eignet sich zwar ein breites Allgemeinwissen an, aber nicht das heute geforderte Spezialwissen.» Es sei schwierig, nach der Politik auf demselben Lohnniveau weiterzumachen.
Von Falkenstein führt ein weiteres Argument ins Feld: Regierungsräte sollen sich nicht schon während ihrer Amtszeit Gedanken machen über eine Anschlusslösung. «Es geht um die Unabhängigkeit der Regierung, die mit dieser Initiative gefährdet ist», sagt sie LDP-Präsidentin. Für Wüest-Rudin tangiert die GLP-Initiative die Unabhängigkeit nicht: «1 bis 3 Jahre Ruhegehalt reichen, um etwas neues zu finden.»
Falsches Beispiel Ackermann
Die LDP-Präsidentin ist zudem der Ansicht, die Grünliberalen hätten sich ein falsches Ziel für ihre Gehaltsdebatte ausgesucht. «Ich würde es verstehen, wenn man die Abgangsentschädigungen der Chefbeamten kürzt.» Hintergrund der Aussage ist eine Abfindung von zwei Jahresgehältern, welche der geschasste Stadtentwickler Thomas Kessler kassiert hat.
Die Forderung der LDP-Präsidentin überrascht. Als unlängst im Grossen Rat eben diese Abfindungen auf maximal ein Jahr im Regelfall gekürzt werden sollten, stimmte sie dagegen. Die Motion der SP-Grossrätin Toya Krummenacher wurde knapp versenkt, weil FDP, CVP und LDP geschlossen dagegen stimmten.
Und noch etwas ärgert die LDP-Frau: Dass die GLP mit falschen Beispielen operieren würde. So führt die Partei als Rechenbeispiel auf ihrem Abstimmungsflyer die heutige Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann an. Diese würde bei einer Abwahl nach vier Jahren eine Million Franken als Ruhegehalt erhalten.
«Mich ärgert das, denn die neue Regelung würde die heutigen Regierungsräte gar nicht betreffen», sagt von Falkenstein. Doch die GLP würde gezielt mit der umstrittenen Regierungspräsidentin für ein Ja werben. «Es ist wie bei der No Billag-Initiative», sagt von Falkenstein, «jeder findet irgendeine Sendung doof – doch darum geht es nicht, es geht um das ganze System.»
Üppige Entschädigung garantieren
GLP-Mann Wüest-Rudin hält die Kritik für fadenscheinig: «Man will einfach seinen künftigen Regierungsräten eine nachträgliche üppige Entschädigung garantieren. Das ist volksfern, das zeigten zum Beispiel die Parteiversammlungen.» Selbst in der SP habe es kritische Stimmen an der heutigen Regelung gegeben. SP-Ständerätin Anita Fetz plädierte gar für Stimmfreigabe, ein Viertel der SP-Delegierten sei ihr gefolgt.
Und noch etwas ärgert den Grünliberalen an der heutigen Regelung: Regierungsräte, die ein Ruhegehalt beziehen, können über 100’000 Franken pro Jahr dazu verdienen, ohne dass ihre Abfindung gekürzt wird. Erst wenn das Gesamteinkommen den Regierungslohn übersteigt, wird das Ruhegehalt angepasst.
Wie siehts in anderen Kantonen aus?
Der Blick in andere Kantone zeigt ein buntes Bild. Wallis oder Obwalden kennen gar keine Lohnfortzahlung, Bern oder Tessin eine lebenslange Rente. Am meisten erhalten Regierungsräte nach ihrem Ausscheiden im Kanton Jura, wo selbst ein 44-Jähriger bis zur Pension mit 40 Prozent seines Einkommens entschädigt wird. Im groben Quervergleich zählt Basel-Stadt zu den grosszügigen Kantonen. Kommt die GLP-Initiative durch, würde sich Basel dann eher bei den knausrigen Kantonen einreihen.
Eine Übersicht der kantonalen Unterschiede (Besser lesbar sind sie an dieser Stelle, am Ende des Berichts).