Eine Begrüssung als Investition in die Integration

Die «flächendeckenden» Begrüssungsgespräche für Migranten seien ein wichtiger Teil der Integrationsbemühungen, sagen die Baselbieter Migrationsbehörden. Begrüsst werden überwiegend Menschen aus der EU – und vor allem aus Deutschland.

(Bild: Sicherheitsdepartement BL)

Die «flächendeckenden» Begrüssungsgespräche für Migranten erweise sich als wichtiger Teil der Integrationsbemühungen, sagen die Baselbieter Migrationsbehörden. Begrüsst werden überwiegend Menschen aus der EU – und vor allem aus Deutschland.

Ein wesentlicher Paradigmenwechsel habe stattgefunden: Der Staat mache den Neuankömmlingen klar, welche Erwartungen an sie gestellt würden, sagt Hans Beat Moser, der Integrationsbeauftragte des Kantons Baselland. Das ist eine Funktion der Begrüssungsgespräche, die der Kanton seit gut einem Jahr «flächendeckend» durchführt. Rund 1200 dieser neu «Erstinformationsgespräche» bezeichneten Treffen haben die sechs Mitarbeiter, die 12 Sprachen abdecken, im letzten Jahr durchgeführt. Die Erwartung lautet: Integriert Euch in der neuen Heimat.

Denn Integration beginne mit dem Zuzug, erklärten die für Migration zuständigen Mitarbeiter der Sicherheitsdirektion unter Isaac Reber an einer Medienkonferenz in Liestal. Ziel der «Erstinformationsgespräche» sei, Parallelgesellschaften zu verhindern. Das soll mit einer Begrüssungskultur ausgedrückt werden, die als Investition in die vorhandenen Fähigkeiten der Zugewanderten zu sehen sei. «Das ist erfolgversprechender als nur auf mögliche Defizite zu reagieren», sagte Reber. Das Credo heisse «Investieren statt reparieren». Werkzeuge dazu seien die persönlichen Gespräche, die in elf Sprachen vorliegende Willkommensbroschüre, die Integrationsdatenbank beider Basel und das neue, zumindest teilweise mehrsprachige Angebot i-Pool.

Die Migration hat sich radikal gewandelt

Dabei hat sich allerdings das Gesicht der Migration in den letzten zehn Jahren radikal verändert. Der Anteil der im Baselbiet ansässigen Ausländer aus Nicht-EU/Efta-Staaten liegt bereits bei 60 Prozent und ist im Steigen begriffen. 2011 machten die Deutschen mit 947 Neuankömmlingen den Löwenanteil aus; es folgen Amerikaner (158), Briten (129), Italiener (123), Polen (106) und Flüchtlinge aus Eritrea (102).

Sie alle werden «flächendeckend» (Martin Bürgin, Amt für Migration) zu einem persönlichen Gespräch eingeladen. Im Falle von Nicht-Deutschsprachigen Personen wird dabei eine «Integrationsempfehlung» ausgesprochen und bei Personen aus dem Asyl- und Flüchtlingsbereich (5 Prozent) eine «Integrationsvereinbarung» getroffen. Bei letzterer handelt es sich eigentlich um eine «Integrationsverpflichtung», erklärte Hanspeter Spaar, Leiter des Amts für Migration. Sie ist einseitig und verbindlich, wobei gegen sie auch Rechtsmittel ergriffen werden können.

Expats: «Wissen nicht, wie lang sie bleiben»

Dass Deutschsprachige keine explizite Aufforderung oder Empfehlung zur Integration erhalten, erklärte Isaac Reber damit, dass es bei den Gesprächen um das Fundament der Integration gehe: vor allem um die wirtschaftliche und  sprachliche Eingliederung und weniger um die sozio-kulturelle. Bei deutschen Staatsangehörigen könne man davon ausgehen, dass sie über die Mittel und das Wissen zur selbständigen Integration verfügten.

Angesprochen auf unerwünschte «Parallelgesellschaften», betonten Moser und Reber, dass die Tendenz in dieser Richtung in der Schweiz vergleichsweise klein sei. Dass ausgerechnet die von der Wirtschaft begrüssten hochqualifizierten Expats, die für den gehörigen Anstieg der asiatischen (Indien) und amerikanischen Bevölkerung im Baselbiet in den letzten zehn Jahren verantwortlich sein dürften, sich am sichtbarsten von der einheimischen Gesellschaft abgrenzten, habe nicht nur mit den internationalen Schulen zu tun, betonte Isaac Reber, die man zudem als Standortvorteil sehen müsse. Es sei halt auch so, dass diese Spezialisten anfänglich nicht wüssten, wie lange sie in der Schweiz sein werden. Man kann also zum Eindruck kommen, dass Integration doch nicht in allen Fällen mit dem Zuzug beginnt.

Herausforderung Eritrea

Auf die Schweiz kommt laut Hanspeter Spaar, seit knapp einem Jahr Leiter des Baselbieter Migrationsamtes und davor 14 Jahre beim Bundesamt für Migration tätig, eine grosse Herausforderung in Form des Flüchtlingsstroms aus Eritrea zu.

Wie in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren die Tamilen aus dem bürgerkriegsversehrten Sri Lanka kämen auf nicht absehbare Zeit viele Menschen aus dem Land am Horn von Afrika in die Schweiz – auf der Flucht vor einem Regime, das sie zu zeitlich unbeschränktem Militärdienst zwingt. Er glaube persönlich nicht, dass die jüngste Verschärfung des Asylgesetzes durch den Nationalrat, wonach Desertion kein Asylgrund mehr sei, die rasch steigenden Zahlen an eritreeischen Asylsuchenden eindämmen werde.

Aber anders als im Falle der Tamilen, die sich schnell integriert hätten und in der Wirtschaft in Dienstleistungsjobs untergekommen seien, werde das bei den Eritreern nicht der Fall sein: Die Wirtschaftslage sei vergleichsweise schlecht, vor allem aber handle es sich bei den Ankömmlingen aus Eritrea vielfach um Analphabeten oder sehr schlecht gebildete Menschen, die mit dem aktuellen Angebot an Integrationshilfen nichts anfangen könnten. Die Behörden suchen deshalb jetzt am «Runden Tisch Eritrea» nach spezifischen Wegen, um die Bildung einer grossen, aber abgeschotteten Diaspora von Eritreern zu verhindern.

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