Eine Beiz mit richtigen Wurzeln

Seit 25 Jahren führt Charlotte Wirthlin im unteren Klybeck den Platanenhof. Ihr Erfolgsrezept? Idealismus, Ausdauer und Herzblut. In erster Linie ganz viel Herzblut. Eine Begegnung zum Jubiläum.

Weiss, was sie tut und tut es seit 25 Jahren – richtig gut: Charlotte Wirthlin, Wirtin des Platanenhofs.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Seit 25 Jahren führt Charlotte Wirthlin im unteren Klybeck den Platanenhof. Ihr Erfolgsrezept? Idealismus, Ausdauer und Herzblut. In erster Linie ganz viel Herzblut. Eine Begegnung zum Jubiläum.

Eine Beiz zu führen ist ein hartes Business. Nach spätestens ein paar Jahren ist für die meisten Schluss, nur ganz wenige schaffen es, sich über Jahre hinweg über Wasser zu halten. Das gilt für viele Restaurants in Basel. Aber eines hält sich seit 25 Jahren und mit Erfolg, obwohl es an einem nicht gerade stark frequentierten Ort steht: Der Platanenhof im unteren Klybeck.

Da wo die Gentrifizierung noch nicht hingelangt ist, da wo «durchmischtes Quartier» nicht nur Studi neben Kleinfamilie, sondern Studi neben Kleinfamilie neben Migrantenfamilie neben Seniorin neben Alki neben Hipster bedeutet. Hier mittendrin steht es, das hübsche Haus mit den grossen Fenstern und dem Garten mit den mächtigen Bäumen. Und den Gästen, durchmischt wie das Quartier, die an den bunten Tischen frische Hausmannskost zu sich nehmen. Und «Frische Hausmannskost» ist hier nicht nur eine Floskel: Der Platanenhof macht alles selber, von der Bouillon bis zum Brot.



Die bunten Tische sind Kult.

Die bunten Tische sind Kult. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Und das alles dank dieser blond-grauhaarigen Frau, die energisch über den dunklen Boden gelaufen kommt, in der einen Hand eine grosse rote Agenda, in der anderen eine Tasse Kaffee. «Möchtest du auch einen?» Charlotte Wirthlin nimmt heute Morgen die Reservationen entgegen – und alle, die sie im Laufe unseres Gespräches am Hörer haben wird, werden geduzt, ohne Umschweife, genau wie wir.

Ohne Schnickschnack

Hier geht man herzlich miteinander um, und ohne Schnickschnack. Hier wird hart gearbeitet. Und liebevoll zueinander geschaut – der Umgang zwischen Chefin Wirthlin und den beiden Angestellten, die an diesem Morgen vor Ort sind, spricht Bände. Frage an den neuen Küchenchef Marius Isnard, dem man durch die kleine Küchenreiche beim Zubereiten von Schweinekoteletts fürs Mittagsmenü zuschauen kann: «Wie ist es hier so?» Er lacht. «Ich halte mir die Ohren zu!», ruft Wirthlin, und er lacht noch mal. Braucht sie nicht. Schön sei es hier. Und jetzt zurück zum Fleisch.



Küchenchef Marius Isnar bei der Arbeit.

Küchenchef Marius Isnar bei der Arbeit. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Wirthlin hat inzwischen den Kaffee ausgetrunken, setzt sich an den grossen Holztisch und beginnt zu erzählen: Wie sie Ende der Siebzigerjahre zum ersten Mal mit ihrer Schwester diesen verwunschenen Ort gefunden habe, damals auch schon eine Wirtschaft, zwar etwas heruntergekommener als heute, aber doch, eine Wirtschaft, und eine gemütliche dazu. Wie sie 13 Jahre später wieder dieser Beiz begegnet sei – damals kurz vor der endgültigen Schliessung, als man sie anfragte, ob sie den Platanenhof nicht vielleicht übernehmen wolle.

Karierte Tischdecken, arme Serviertöchter

Die damalige Vermieterin Ciba brachte es auf Vordermann: Die Schläge des Kaninchenzüchtervereins im Innenhof wurden abgerissen, der geteerte Boden durch Kies ersetzt. «Am Anfang wurde immer gesagt: ‹Die armen Serviertöchter auf diesem Kies!› Dabei ist Teer viel unangenehmer.» Die schweren Eichentische im Innenraum blieben – nur waren sie vor der Instandsetzung noch mit karierten Tischdecken zugekleistert. Es wurde entkleistert, die nikotingelben Wände wurden gestrichen, und das Innenleben des charmanten Hauses wurde sanft renoviert. Zusammen mit dem damaligen Küchenchef Christoph Jäggi wurde der Platanenhof am 2. April 1992 mit einem fulminanten Fest wiedereröffnet.



Das sah nicht immer so aus.

Das sah nicht immer so aus. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Am Anfang verschob sich viel vom Strassenleben des unteren Klybecks in die entstaubte Wirtschaft. Kleinkriminelle, viele Alkis – das sei nicht immer einfach gewesen, betont Wirthlin. Aber sie sei für Durchmischung, das sei das Tollste. Wenn alles nebeneinander existieren darf.

Eine offene Haltung – für die ihr das Quartier bis heute dankt: Der Platanenhof hat zahlreiche Stammgäste, viele davon seit über 20 Jahren. Was aber nicht bedeute, dass er ständig gut besucht ist. Seit vorne die «Rennstrecke, der Herdenpfad, sag ich jetzt mal» an der Uferstrasse existiere, würden weniger Gäste den Weg zu ihnen finden. Wirthlin findet das sehr schade. Der Platanenhof und die Wohngenossenschaft Klybeck, zu der er gehört, habe sich vergeblich eine Öffnung vom Quartier ans Wasser hin gewünscht.



Seit Kurzem führt der Platanenhof auch Ueli Bier.

Seit Kurzem führt der Platanenhof auch Ueli Bier. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Wieso hat es der Platanenhof so lange geschafft? Die Antwort kommt schnell: Viel Idealismus und gute Leute, die hier arbeiten. Das Team von Wirthlin ist ein junges, «da fühle ich mich manchmal schon wie ein Dinosaurier. Aber es ist halt wie bei den Bäumen im Garten, die sind auch schon älter, aber trotzdem wichtig.» 

Nur finanziell sei es oftmals immer noch schwierig, weil man den Angestellten nicht das zahlen kann, was sie verdient hätten. «Wenn es was gibt, worüber man unzufrieden sein kann, dann das.» Aber so sei das nun mal, da kann man nichts machen.

Die Agenda ist voll

Trotz finanzieller Hürden und Dino-Gefühlen: Der Platanenhof hält sich. Das lässt sich auch an den zahlreichen Reservationen ablesen, die man bei einem kurzen Blick in die rote Agenda erkennt. Viele davon sind für das kommende Wochenende, wenn am Freitag und Samstag Jubiläum gefeiert wird. Die Band, die am Freitag auftritt, spielte auch schon bei der Eröffnung vor 25 Jahren.

Die Kaffeetasse ist leer, die letzten Worte gewechselt. Noch rasch ein Flyer in die Hand gedrückt, frisch vom neuen Grafiker des Platanenhofs, der auch im Haus wohnt. Und mit neuem Logo: ein mächtiger Baum mit grossen Blättern und dickem Stamm. So hat es sich Charlotte Wirthlin gewünscht. «Weil es was Beständiges hat, weisst du, was mit richtigen Wurzeln.»

Passt wunderbar. Alles Gute, lieber, beständiger Platanenhof!

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25 Jahre Platanenhof, 31. März und 1. April. Konzerte The Jook («30 Songs für alte Säcke») und Red Carpet Mood. Samstag «Glitter Dinner» mit drei Gängen. Reservieren hier.

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